Nena und die andere Meinung - „Das ist ein Witz“: Als ich ihn auf Klimapolitik anspreche, wird Top-Journalist sauer

Robert Habeck (l), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und FOCUS-online-Kolumnistin Nena Brockhaus<span class="copyright">Jan Woitas/dpa</span>
Robert Habeck (l), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und FOCUS-online-Kolumnistin Nena BrockhausJan Woitas/dpa

Wir brauchen mehr streitbare Meinungen, finde ich. Auch über die Maßnahmen gegen den Klimawandel. Ich habe mich mit Journalist Stefan Aust zum Gespräch getroffen – schenken Sie mir einen Augenblick für Widerspruch.

Bei „Nena und die andere Meinung“ geht es Woche für Woche um Widerspruch. Um Debatte. Diskussion. Um die Meinung des anderen. Diese Woche debattiere ich mit Stefan Aust. Einem der größten Journalisten unserer Zeit. Er war vierzehn Jahre lang Spiegel Chefredakteur. Seit 2014 ist er Herausgeber der Tageszeitung WELT und hat mit seinem Buch „Der Baader-Meinhof Komplex“ das Standardwerk über die damalige Zeit geschrieben.

Aust ist im besten Sinne ein kritischer Geist und vertritt eine andere Meinung als die gängige zu Windrädern, dem Klimawandel, Nichtregierungsorganisationen und der Migration. Freuen Sie sich auf zehn Minuten Widerspruch mit Stefan Aust.

„Verschwendung hat maßlos zugenommen, seitdem die Grünen in Regierungen sitzen“

Brockhaus: Herr Aust, wenn man sich anschaut, wie viele Milliarden Steuergeld verschwendet werden. War das früher anders?

Aust: Verschwendung gab es schon immer. Aber ich glaube, es hat maßlos zugenommen, seitdem die Grünen in verschiedenen Regierungen sitzen.

Brockhaus: Warum?

Aust: Weil viele Politiker der Grünen in irgendwelchen NGOs sitzen. Meistens im Umweltbereich. Und dann - wenn die Grünen an Ministerien kommen - werden diese NGO-Leute Staatssekretäre und wenn die Grünen wieder abgewählt werden, wechseln die wieder zur NGO.

Brockhaus: Warum ist das problematisch?

Aust: Die finanzieren dann sogenannte Projekte. Ein großer Teil der Steuergeldverschwendung läuft über Projekte. Da werden dann Studien mit vielen Millionen finanziert. Und diese Studien werden dann ganz oft von den NGOs erstellt, in denen die Staatssekretäre vorher saßen.

„ Sie brauchen sich doch nur das Wirtschaftsministerium anschauen“

Brockhaus: Sie werfen unseren Politikern allen Ernstes umfassende Vetternwirtschaft und Veruntreuung vor?

Aust: Sie brauchen sich doch nur das Wirtschaftsministerium anschauen, die hatten doch erst in dieser Legislatur einen Skandal und Habeck musste seinen Staatssekretär rausschmeißen.

Brockhaus: Sie meinen den ehemaligen Staatssekretär Patrick Graichen?

Aust: Ja genau, der Graichen. Der hat ja gefühlt seine ganze Familie und seinen Freundeskreis mit Aufträgen und Posten versorgt. Wir brauchten bei der WELT ein ganzes Diagramm, um das darzustellen. Graichen war, bevor er Staatssekretär wurde, Chef der Agora-Energiewende. Eine der einflussreichsten Klima/Energie-NGOs.

„Das hält man im Kopf nicht aus“

Brockhaus: Hat das System?

Aust: Wir haben mal bei der WELT recherchiert, welche Umweltorganisationen vom Staat finanziert werden. Das hält man im Kopf nicht aus.

Brockhaus: Es klingt doch erstmal gut, wenn der Staat Organisationen unterstützt, die etwas für eine saubere Umwelt tun?

Aust: Das sind keine Nichtregierungsorganisationen, sondern Lobbyisten. Früher gab es die Automobillobby, die wurde von der Automobilindustrie bezahlt. Heute werden viele Lobbyisten vom Staat finanziert. Ich glaube, NGOs sind ein richtiges Problem.

Brockhaus: Beschränkt sich das auf den Umweltbereich?

Aust: Nein. Es gibt die Organisation „Neue deutsche Medienmacher*innen“. Die kriegen für verschiedene Projekte ziemlich viel Geld von der Bundesregierung.

Brockhaus: Was machen die mit dem Geld?

Aust: Zum Beispiel recherchieren die über andere Medien und machen Schulungen, wie man „richtig“ berichtet. Das ist so unglaublich. Die Regierung finanziert eine Organisation, um den Journalismus mit ihrer Ideologie zu beeinflussen.

„Wir geben ca. 50 Millionen im Jahr aus, um Videospiele zu subventionieren“

Brockhaus: Haben Sie die Spiele-Förderung des Wirtschaftsministeriums mitbekommen?

Aust: Ja, das ist unfassbar. Wir geben ca. 50 Millionen im Jahr aus, um Videospiele zu subventionieren.

Brockhaus: Unter anderem ein Flugsimulator, eine Neuauflage vom bekannten Handyspiel Snake und eine Million (!) für ein Oktoberfestspiel.

Aust: Wenn ich immer wieder von solchen Förderungen höre, kommt mir der Gedanke: Ich könnte den Etat der Bundesregierung um ein Drittel kürzen.

Brockhaus: Das klingt sehr optimistisch.

Aust: Ich glaube fast, dass man noch mehr einsparen könnte.

Brockhaus: Wie würden Sie das machen?

Aust: Generell würde ich verbieten, Geld an NGOs zu geben. Und dann würde ich diese ganzen Förderprogramme streichen. Und bei der Entwicklungshilfe würde ich ganz genau draufschauen.

„Diese ganze Graichen-Geschichte würde ich mir ganz genau angucken“

Brockhaus: Und warum passiert das nicht?

Aust: Weil sie alle ihre Buddys haben. Von denen lassen sie sich dann erzählen, dass zum Beispiel die ganzen Millionen für Videospiele für die technologische Entwicklung außerordentlich wichtig sind, und wir dann bei Computerspielen ganz vorne dabei sind. Und sie profitieren sehr oft auch selbst von den unzähligen Förderungen.

Brockhaus: Warum scheint das niemanden zu interessieren? Schauen die Medien da nicht genug hin?

Aust: Da sollten Chefredakteure, die eine Redaktion haben, mal Leute losschicken, um umfangreich zu recherchieren. Und ich wüsste auch schon genau wo.

Brockhaus: Wo würden Sie genauer hinschauen?

Aust: Diese ganze Graichen-Geschichte würde ich mir ganz genau angucken. Da gibt es bestimmt noch mehr Verstrickungen. Und dann würde ich mir zum Beispiel auch mal anschauen, welche Personen - in der näheren Umgebung vom Wirtschaftsminister oder den Angestellten im Ministerium - etwa mit der Wärmepumpen-Industrie verbunden sind.

„ Die Gesamtlage ist hochproblematisch“

Brockhaus: Wir halten fest: Man könnte aus Ihrer Sicht Unmengen an Steuergeld einsparen. Sie beobachten seit Ende der sechziger Jahre die deutsche Politik, haben alle großen Krisen in dieser Zeit miterlebt und dokumentiert. Wie blicken Sie momentan auf Deutschland - gesellschaftlich und wirtschaftlich?

Aust: Die Gesamtlage ist hochproblematisch. Das schlimmste Problem ist momentan der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden Sanktionen. Aber natürlich auch Migration und die wirtschaftliche Situation sind für unser Land nicht förderlich.

Brockhaus: Offensichtlich haben wir ein Kompetenzproblem in der Politik. War das früher besser?

Aust: Ich glaube, dass Politiker früher kompetenter waren. Aber meine Bewunderung für Politiker hält sich ohnehin in Grenzen. Und das liegt unter anderem daran, dass ich eben sehr viele kenne. Auch aus einer Zeit, in der sie noch nicht an der Spitze einer Regierung saßen. Und deswegen habe ich da nie besonders großen Respekt gehabt.

Brockhaus: Ich nehme an, die Ampel hat Sie bisher auch nicht überzeugt?

Aust: Nein! Wir haben doch jetzt einen Wirtschaftsminister, der von nichts, aber auch von nichts eine Ahnung hat. Das könnte der Märchenminister sein. Und das zieht sich durch die ganze Ampelkoalition.

„Man braucht ungefähr ein Viertel aller Windräder, die es im Augenblick bei uns gibt“

Brockhaus: Wegen des Ukraine-Kriegs wird in Deutschland kein russisches Gas mehr verwendet. Dadurch wurde unser Energieproblem offensichtlich. Wie blicken Sie auf die Energiepolitik?

Aust: Da habe ich für Sie ein Beispiel.

Brockhaus: Ich bin gespannt!

Aust: Die größte Ölbohrplattform in Deutschland ist die Mittelplate. Die liegt im Naturschutzpark Wattenmeer. 60 Prozent des Öls, was überhaupt in Deutschland gefördert wird, kommt aus diesem Ding. Von dem Öl, das wir verbrauchen, fördern wir aber nur 1,5 Prozent selber. Davon kommen 60 Prozent von der Mittelplate. Jetzt können Sie sich ausrechnen, wie viel unseres Ölverbrauchs das sind.

Brockhaus: 0,9 Prozent.

Aust: Genau. 0,9 Prozent unseres Ölverbrauchs stammen aus dieser Förderplattform. Und jetzt schätzen Sie mal, wie viele Windräder sie brauchen, um diese Energieleistung zu ersetzen. Angenommen, die Windräder laufen kontinuierlich.

Brockhaus: Aus dem Bauch heraus würde ich auf Zehntausend tippen?

Aust: Näher dran als die meisten. Siebentausend. Das heißt, man braucht ungefähr ein Viertel aller Windräder, die es im Augenblick bei uns gibt, nur, um 0,9 Prozent unseres Ölverbrauchs zu decken. Jetzt stellen Sie sich vor, dass sie alle fossilen Energien durch Solar und Wind ersetzen wollen. Man muss sich nüchtern angucken, wie die Wirksamkeit von Solar und Wind tatsächlich ist. Das Ganze ist doch ein Witz!

Man kann sich nicht vorstellen, wie die die Schnauze voll haben“

Brockhaus: Sie sind durch den Reitsport viel auf dem Land unterwegs. Wie ist da die Stimmung unter den Leuten?

Aust: Man kann sich nicht vorstellen, wie die die Schnauze voll haben von dieser Politik. Und vom Journalismus.

Brockhaus: Und trotzdem hat unsere derzeitige Regierung eine Mehrheit im Parlament…

Aust: Wenn man bei uns, nicht nur in einzelnen östlichen Bundesländern, sondern insgesamt, die Wähler von AfD, BSW und Nichtwähler zusammenzählt, dann sieht man: Das ist eine absolute Mehrheit. Die Mehrheit ist nicht bei denen! Das ist einfach ein Irrtum.

Brockhaus: Was muss in Deutschland passieren, um das Ruder rumzureißen?

Aust: Wir brauchen eine neue Regierung ohne die Grünen!

„Es gab damals sogar eine Strafanzeige gegen Merkel“

Brockhaus: Was muss diese neue Regierung dann umsetzen?

Aust: Zum Beispiel den Rechtsbruch bei der Migration - den Frau Merkel 2015 veranlasst hat - beenden.

Brockhaus: Rechtsbruch?

Aust: Das Aufenthaltsrecht in Deutschland hat vorgesehen, dass Leute das Land nicht betreten dürfen und Asyl beantragen, die schon in einem anderen sicheren Land gewesen sind. Die darf man gar nicht reinlassen, das ist rechtswidrig. Es gab damals sogar eine Strafanzeige gegen Merkel.

Brockhaus: Wie ist die Anzeige ausgegangen?

Aust: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt, weil sie gesagt haben, es war eine vorübergehende Maßnahme aus humanitären Gründen. Und diese vorübergehende humanitäre Aktion gibt es seit neun Jahren.

Brockhaus: Also wäre Ihre Lösung: Grenzen schließen und mehr abschieben?

Aust: Genau, die Grenzen sichern und die Leute nicht mehr reinlassen. Das ist viel effektiver, als jetzt zu versuchen, die Abschiebung schneller zu machen. Das geht nicht so schnell. Wenn meine Badewanne voll Wasser ist und der Wasserhahn läuft noch, dann drehe ich zuerst den Wasserhahn ab.

Brockhaus: Migration ist ja nicht das einzige Problem in diesem Land…

Aust: Ich würde die Ausgaben im Ausland streichen. Man könnte damit anfangen, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen. Da würden wir sehr viel Geld einsparen! Kein Mensch in Deutschland braucht Fahrradwege in Peru!

Wie jede Woche interessiert mich am meisten Ihre Meinung, liebe Leser! Wie stehen Sie zu den Thesen von Stefan Aust? Seien Sie sich gewiss: Ich lese immer all Ihre Kommentare – jeden Einzelnen. Jede Woche. Schreiben Sie mir auch gerne einmal in die Kommentare mit wem ich als nächstes debattieren soll.

Wenn Sie mögen, lesen wir uns nächste Woche Samstag wieder.

Ihre Nena Brockhaus