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Netanjahu und Hamas sind Brüder im Geiste

Seit Beginn der israelischen Militäroffensive sind 172 Palästinenser getötet worden. (Bild: dpa)
Seit Beginn der israelischen Militäroffensive sind 172 Palästinenser getötet worden. (Bild: dpa)

Das Morden in Gaza und die Raketen gegen Israel gehen weiter – weil die Falken auf beiden Seiten es so wollen. Israels Ministerpräsident und die palästinensische Hamas haben eine große Gemeinsamkeit: Sie sind beide zynisch.

 Ein Kommentar von Jan Rübel

Eigentlich ist es ganz einfach. „Du sollst nicht töten“, heißt das fünfte der zehn Gebote Gottes, die den Juden heilig und den Muslimen wichtig sind. Gerade wird viel getötet in Gaza. Und es fliegen viele Raketen aus Gaza gen Israel, die töten sollen. Schon über hundert Palästinenser mussten sterben, tausende sind verletzt und zahllose Israelis traumatisiert durch die Raketenwarnungen. Dabei steht eines fest: Egal, wie hoch der Blutzoll noch ansteigen wird, wann ein Waffenstillstand eintritt oder das Schießen langsam ausläuft – im Ergebnis wird sich nichts ändern. Keinerlei Lösung des Konflikts zwischen Juden und Palästinensern kann dieses Morden bringen. Das ist, was verzweifeln lässt.

Im Krieg hört man keine Tauben mehr. Nur das Geschrei der Falken. Und so ist es auch jetzt: Der radikalislamischen Hamas laufen in Gaza die Unterstützer davon, so schlecht hat sie das Elend der Menschen dort verwaltet. Da kommt den Islamisten der Konflikt mit Israel gerade recht – dort können sie Profil zeigen, sich als Verteidiger der Menschen stilisieren und tun, was sie am besten können: kämpfen. Und auf der anderen Seite handelt die rechte israelische Regierung aus den gleichen niedrigen Motiven heraus.

Frieden ist nur noch eine missbrauchte Floskel

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geht es nicht um Abschreckung. Auch nicht darum, den „ungezogenen“ Palästinensern eine Lektion zu erteilen. Er steht unter Druck eines großen und immer größer werdenden Lagers in Israel, die Machtverhältnisse einmal mehr zu demonstrieren. Dieses Lager redet zwar gern von Frieden, will ihn aber nicht. Es will keinen lebensfähigen palästinensischen Staat und auch keine Freiheit für die Palästinenser – nicht aus Angst heraus, sondern weil es ihnen das nicht gönnt. Die Eskalation der vergangenen Tage zeigt dies so beispielhaft wie noch nie.

Schauen wir auf die Chronologie der Ereignisse: Anfang Juni bilden Hamas und die gemäßigte Fatah eine palästinensische Einheitsregierung. Ein überfälliger Schritt, seit Jahren von der internationalen Gemeinschaft angemahnt, aber von Israel ungewollt – denn Hamas lässt nicht ab von ihrer Radikalrhetorik gegen Juden. Radikalinskis zieht man indes ihre scharfen Zähne, indem man sie einbindet, ihnen Verantwortung aufbürdet. Das werden einige besonders Radikale unter den Palästinensern nicht gewollt haben, und einige Israelis auch nicht – es würde ja den Status quo gefährden. Dann kam der Stein ins Rollen.

Drei jüdische Religionsschüler werden am späten Abend des 12. Juni entführt und wenig später erschossen. Das erfährt die Öffentlichkeit aber erst am 30. Juni. In der Zwischenzeit heizt sich die Stimmung in Israel auf. „Tod den Arabern“ hört man immer öfter, das Westjordanland wird abgeriegelt, Razzien laufen – eine für westeuropäische Verhältnisse absolut unverhältnismäßige Suche nach den Entführern beginnt. Und Netanjahu kennt sofort den Schuldigen: Hamas. Beweise dafür liefert er bis heute nicht, womöglich gibt es sie auch nicht: Gewohntermaßen bekennt sich Hamas freimütig zu ihren Taten, schwieg aber diesmal. Und die mutmaßlichen Entführer kommen aus einem Clan, der oft auf eigene Rechnung agiert und sich oft gegen Hamas gestellt hat, sich von den Radikalmuslimen nichts sagen lässt. Ob der Mord an den Schülern eine misslungene Entführung oder kühler Auftragsmord war, weiß man noch nicht. Aber die Indizien sprechen dafür, dass die Kidnapper weitsichtig und mit fremder Hilfe vorgingen.

Als Racheakt entführen radikale Juden einen palästinensischen Jugendlichen und verbrennen ihn bei lebendigem Leibe. Ein Aufschrei in der israelischen Gesellschaft bleibt aus. Dieses Schweigen schmerzt vielleicht am meisten.

Frieden ist möglich – wenn die Poser nach Hause gingen

Währenddessen sieht Hamas eine tolle Chance, sich in dieser Gemengelage zu positionieren und schickt ihre Raketen los. Und das Kabinett Netanjahu hat einen tollen Vorwand, den Menschen in Gaza, die sie seit Jahren abgeriegelt wie in einem Gefängnis leben lässt, den Krieg zu erklären.

Fassen wir zusammen: Am Anfang gab es eine Chance auf mehr Verständigung. Das wollte so mancher nicht. Und daher reichten zwei schlimme, aber schlichte Kriminalfälle aus, um Krieg zu führen. Mit Politik hat das nichts mehr zu tun. Nur noch mit Hass, der einfach hervorholbar ist. Und mit der Missachtung von Gottes fünftem Gebot.