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Netflix Doku-Hit "Tiger King" als Fiction-Serie: Wie gut ist "Joe vs. Carole"?

John Cameron Mitchell als Joe Exotic in der Serie "Joe vs. Carole". Die achtteilige Fitkionalisierung ist ab Freitag, 4. März, bei Sky zu sehen. (Bild: NBC Universal)
John Cameron Mitchell als Joe Exotic in der Serie "Joe vs. Carole". Die achtteilige Fitkionalisierung ist ab Freitag, 4. März, bei Sky zu sehen. (Bild: NBC Universal)

Im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, wurde die Dokuserie "Tiger King" über den extravaganten Zoobesitzer Joe Exotic zum Kultur-Phänomen: 64 Millionen Streams in den ersten vier Wochen! Nun kommt eine Fiction-Serie über die groteske Fehde zwischen Joe Exotic und Tierschützerin Carole Baskin.

Die siebenteilige Netflix-Dokuserie "Tiger King" wurde oft mit einem schweren Autounfall verglichen: Für Vorbeifahrende ist das Hinschauen purer Horror - und doch kann niemand den Blick abwenden. Die nach "Das Damengambit" erfolgreichste Netflix-Serie des Jahres 2020 erzählte die Geschichte eines schwulen Südstaaten-Rednecks mit blondiertem Vokuhila, der sich nicht nur mehrere Ehemänner hielt, sondern auch mit großen Raubkatzen kuschelte, sie in Tiershows über die Dörfer trieb und in seinem Privatzoo ein Heer prekärer Dropout-Persönlichkeiten engagierte, um den flamboyanten Betrieb am Laufen zu halten. Blöderweise sorgte Joe Exotics Treiben auch für Aufmerksamkeit bei einer anderen Katzenliebhaberin: Tierschützerin Carole Baskin. Die bitterböse Fehde zwischen Joe und Carole, die in einem angeblichen Mordauftrag Joes - mit Ziel Carole - ihren Höhepunkt fand, bildete das Zentrum der Netflix-Dokuserie. Seit Januar 2020 verbüßt Joe Exotic übrigens eine 22-jährige Haftstrafe. Nun kommt - vielleicht etwas spät - die achtteilige Fictionversion der Story, produziert vom zum Medienkonzern NBC Universal gehörenden Streamingdienst Peacock.

Dessen Produktionen sind in Deutschland für alle Sky-Kunden mit Entertainment-Paket ohne Zusatzkosten zu sehen - allerdings bisher nur in der "OmU"-Variante. Ab Freitag, 4. März, stehen alle acht Episoden "Joe vs. Carole" zum Streamen bereit. Doch für wen lohnt sich das Ganze?

In Amerika war "Joe Exotic" ein weitaus größeres Kulturphänomen als hierzulande, dennoch besprechen US-Medien die Serie bisher eher verhalten. Gelobt werden dabei explizit Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin. In der Tat: Der 58-jährige John Cameron Mitchell wirkt als Joe Exotic verblüffend echt. Manchmal hat man Schwierigkeiten, den schwulen Schauspieler, Regisseur ("Rabit Hole" mit Nicole Kidman), Musical-Aktivisten und Video-Künstler vom echten Joe Exotic zu unterscheiden. Mitchell spielt den Part tatsächlich herausragend - allein er lohnt das Einschalten.

Dier "guten" Großkatzenfreunde, die Joe Exotic zur Strecke bringen wollen: Tierschützerin Carole Baskin (Kate McKinnon) mit ihrem liebevollen Ehemann (Kyle McLachlan).  (Bild: NBC Universal)
Dier "guten" Großkatzenfreunde, die Joe Exotic zur Strecke bringen wollen: Tierschützerin Carole Baskin (Kate McKinnon) mit ihrem liebevollen Ehemann (Kyle McLachlan). (Bild: NBC Universal)

Südstaaten-Psychogramme mit viel Exzentrik-Flair

Etwas mehr künstlerische Freiheit nahmen sich die Serienmacher bei dessen Opponentin, Carole Baskin. Sie wird von der achtfach Emmy-nominierten "Saturday Night Live"-Komikerin Kate McKinnon (38) dargestellt. Zu deren Parade-Parodien im US-Fernsehen gehört übrigens die der deutschen Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Als Carole Baskin, die von ihren "Gegnern" beschuldigt wird, ihren zweiten Ehemann, einen Multimillionär, ermordet zu haben, ist McKinnon fast interessanter, vielschichtiger (und zudem jünger) als ihr Rollenvorbild in den Doku-Folgen.

Ziemlich genial ist auch "Twin Peaks"-Veteran Kyle McLachlan, der in der Serie Caroles aktuellen Ehemann spielt - der sowohl in echt wie auch in McLachlans Darstellung ein wenig wie ein braver Opa wirkt, der seiner Frau aus der Hand frisst, aber hinter Hornbrille und Strickjacke eine kluge Verschmitztheit andeutet. Am starken Schauspiel-Ensemble liegt es sicher nicht, dass die Fiction-Serie bisher eher mittelprächtig aufgenommen wird.

Was US-Kritiken an der Serie bemängeln: Sie erzählt die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Joe und Carole weitgehend so nach, wie sie einem bereits in "Tiger King" aufgetischt wurde. Natürlich "plus" regelmäßige Rückblenden, die Caroles unglückliche ersten beiden Ehen mit vielen Erniedrigungen samt Katzenliebe als Ausweg zeigen. Oder auch Joe Exotics Werdegang vom schüchternen Jungen, der seine eigene Homosexualität leugnet, zum exzentrischen Tiger-an-der-Leine-Halter mit dem "Was kostet die Welt"-Lebensmotto.

In der Tat könnte "Joe vs. Carol" eher Menschen gefallen, die die Dokuserie nicht gesehen haben - eventuell, weil sie mit dem Genre nichts anfangen können. Für Kenner der "Tiger King"-Materie, deren Doku-Drastik schwer zu überbieten ist, dürfte die solide Fiktionalisierung wenig Mehrwert anbieten. "Not much new, pussycat", titelte entsprechend "Entertainment Weekly" in origineller Katzen-Metapher. Ein Reinschauen in die Südstaaten-Psychogramme mit viel Exzentrik-Flair lohnt sich dennoch.

Unternehmer Joe Exotic (John Cameron Mitchell) macht Geld mit großen Katzen, zu denen er sich auch selbst hingezogen fühlt. In seinem Privatzoo lebt der schwule Exzentriker teilweise mit mehreren Ehemännern, "gefallenen" Menschen als Mitarbeiter und einer großen Zahl Wildtieren zusammen. (Bild: NBC Universal)
Unternehmer Joe Exotic (John Cameron Mitchell) macht Geld mit großen Katzen, zu denen er sich auch selbst hingezogen fühlt. In seinem Privatzoo lebt der schwule Exzentriker teilweise mit mehreren Ehemännern, "gefallenen" Menschen als Mitarbeiter und einer großen Zahl Wildtieren zusammen. (Bild: NBC Universal)