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Netflix-Serie "Unorthodox": So gut ist der deutsche Emmy-Sieger

In ihrer Autobiografie "Unorthodox" berichtete Deborah Feldman von ihrem Leben in einer ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft und wie sie sich davon lossagte. Nachdem das Buch 2012 zum Bestseller avancierte, räumte die gleichnamige Serie nun einen Emmy ab.

Als Deborah Feldman 2012 ihr erstes Buch veröffentlichte, konnten die Leser kaum glauben, was die junge Frau da schrieb. Vieles von dem, was Feldman in "Unorthodox" erzählt, klingt wie aus einer unwirklichen Parallelwelt. Dabei berichtet sie von nichts anderem als ihrem eigenen Leben, von ihren Erfahrungen in einer ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft in New York.

In einem sachlichen, nüchternen Stil beschrieb sie die althergebrachten Rituale, strengen Sexualvorschriften und befremdlichen Rollenbilder der chassidischen Satmar-Gemeinde, die es nach Expertenschätzungen auf 120.000 Mitglieder bringt. Das Buch avancierte zum Bestseller und schaffte es an die Spitze der "New York Times"-Bestenliste. Nicht minder erfolgreich ist auch die gleichnamige Verfilmung durch Netflix: Bei der Emmy-Verleihung am Sonntagabend wurde die aus Hannover stammende Regisseurin Maria Schrader nun mit dem Preis für die beste Regie einer Mini-Serie bedacht.

Esty (Shira Haas) will weg, das wird gleich zu Beginn von "Unorthodox" klar. Weg von den alltäglichen Zwängen, weg von ihrem Ehemann Yanky (Amit Rahav), mit dem sie zwangsverheiratet wurde. Die Flucht aus New York gelingt dank der Hilfe einer Klavierlehrerin knapp, und so landet Esty mit einem Jutebeutel, einem Umschlag samt dünnem Geldbündel und einer gehörigen Prise Unbedarftheit in Berlin. Bald lernt sie den Musikstudenten Robert (Aaron Altaras) und dessen Freunde kennen. Trotz zwangsläufiger Alltagsschwierigkeiten scheint Esty in ihrem neuen Leben anzukommen und alte Fesseln abzulegen. Was sie nicht weiß: Yanky hat sich mit seinem Cousin Moische (Jeff Wilbusch) längst auf die Suche nach seiner Ehefrau gemacht.

Mit Fingerspitzengefühl inszeniert

"Gott hat zu viel von mir erwartet, und jetzt suche ich mir meinen eigenen Weg", erklärt Esty an einer Stelle ihren Entschluss, ihr Zuhause und ihre Familie zurückzulassen. Was zu diesen Erwartungen gemäß dem Glauben der ultraorthodoxen Juden gehört, schlüsselt "Unorthodox" in Rückblenden auf - mal emotional, wenn Esty ihre langen blonden Haare abrasiert werden, mal auf nüchtern-beobachtende Weise, wenn die Hochzeit Estys rekapituliert wird. Freilich spart die behutsam erzählte Produktion auch befremdlich wirkende Rituale wie die Reinwaschung ihres Körpers vor der Hochzeit oder die Unterwerfung der Frau nicht aus.

Produzentin Anna Winger, die unter anderem für die viel gelobte Serie "Deutschland 83" verantwortlich zeichnete, und Regisseurin Maria Schrader beweisen in diesem Zusammenhang Fingerspitzengefühl. Statt einer sensationsheischenden Zurschaustellung der bisweilen bizarren Praktiken in der ultraorthodoxen Glaubensgemeinschaft gelingt ein differenziertes Bild, das nicht nur schwarz-weiß zeichnet.

Bruch mit üblichen Sehgewohnheiten

Die Serie, die von Deborah Feldmans Autobiografie inspiriert ist, lässt nicht aus, dass Esty durchaus auch schöne Erinnerungen an ihre Zeit in New York hat. Diese innere Zerrissenheit bringt die Hauptdarstellerin Shira Haas eindrucksvoll auf den Bildschirm. Ihr Spiel wirkt nie übertrieben, sondern ist stets feinsinnig und nuanciert. Besonders Haas' große, traurige Augen bleiben in Erinnerung.

Man muss sich nichts vormachen: Mit der stets durchscheinenden Nähe zum Dokumentarischen und der leisen Erzählweise entspricht "Unorthodox" nicht den üblichen Sehgewohnheiten vieler Netflix-Zuschauer. Doch es lohnt, sich auf die Serie einzulassen - auch deswegen, weil im Hintergrund immer das Gefühl mitschwingt: Die Geschichte von Deborah Feldman ist tatsächlich passiert.