Pro-europäisches Lager in Polen stellt neuen Parlamentspräsidenten
Bei der ersten Sitzung des neu gewählten Parlaments in Polen hat das Lager der bisherigen Opposition einen ersten Sieg errungen: Die Abgeordneten wählten am Montag in Warschau den pro-europäischen Kandidaten Szymon Holownia zum neuen Parlamentspräsidenten.
"Nach dieser Abstimmung kann es keinen Zweifel mehr geben, dass es in diesem Parlament eine Mehrheit gibt, die zur Machtübernahme bereit ist", sagte Holownia nach seiner Wahl. In Polen gilt das Amt des Parlamentspräsidenten als das zweitwichtigste im Staat nach dem Präsidenten. Im Oberhaus wurde mit Malgorzata Kidawa-Blonska ebenfalls die pro-europäische Kandidatin zur Senatspräsidentin gewählt.
Einen Monat nach der Parlamentswahl streiten sich die bisherige nationalistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und die pro-europäische Opposition weiterhin um das Recht, die Regierung zu bilden. Die PiS war bei der Parlamentswahl im Oktober zwar stärkste Kraft geworden, errang aber nur 194 von 460 Mandaten. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie mit anderen Partnern eine parlamentarische Mehrheit zustande bekommt.
Dagegen hätten die oppositionelle liberal-konservative Bürgerkoalition des Ex-Regierungschefs und früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk und ihre beiden Koalitionspartner mit 248 Parlamentssitzen eine Mehrheit. Dennoch hatte der PiS-nahe Präsident Andrzej Duda vergangene Woche den bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von der PiS mit der Regierungsbildung beauftragt.
Morawiecki reichte am Montag formell seinen Rücktritt, warb aber im Parlament für die Bildung einer "Koalition der polnischen Angelegenheiten", um die Souveränität des Landes zu verteidigen. Duda betonte in seiner Rede zur Parlamentseröffnung seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Abgeordneten, lobte aber gleichzeitig die PiS für "acht gute Jahre" an der Macht.
Die PiS hat angekündigt, "alles zu tun", um innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen 14 Tage eine neue Regierung zu bilden und diese dann ebenfalls binnen 14 Tagen eine Vertrauensabstimmung gewinnen zu lassen.
"Diese Mission gilt als zum Scheitern verurteilt", sagte der Politologe Stanislaw Mocek. Die PiS spiele nur "auf Zeit", um zusätzliche Gelder zu erhalten, ihre Mitglieder mit Posten zu versorgen und "eine sanfte Landung" sicherzustellen, wenn sie in die Opposition gehe.
Die pro-europäische Opposition hatte am Freitag einen Koalitionsvertrag unterzeichnet und ihre Bereitschaft zur Regierungsübernahme erklärt. Die Vereinbarung enthält die Positionen der drei Koalitionspartner zu Themen wie Wirtschaft, Umwelt, Wiederherstellung guter Beziehungen zur EU, eine Reform staatlicher Medien, Trennung von Kirche und Staat sowie Abtreibung.
Sollte Morawiecki mit der Regierungsbildung scheitern, dürfte Tusk vom Parlament zum Regierungschef bestimmt werden. Er hatte dieses Amt bereits von 2007 bis 2014 inne. Beobachter erwarten, dass die jetzige Opposition erst Mitte Dezember die Möglichkeit bekommen wird, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.
mid