Neue Pläne für AfD-Verbotsverfahren stoßen auf geteiltes Echo
Die Initiative mehrerer Bundestagsabgeordneter für ein Verfahren zum Verbot der AfD hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Ein Verbotsverfahren könne zur Solidarisierung mit der AfD führen und der Partei neue Wählerinnen und Wähler zutreiben, warnten Kritiker am Montag. Die AfD könnte ein solches Verfahren "für eine populistische Märtyrerpose nutzen, die diese Wahlerfolge womöglich noch verstärkt", sagte etwa der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner dem "Handelsblatt".
Stegner verwies zudem auf "valide Bedenken, ob es dafür angesichts großer Wahlerfolge der AfD nicht bereits zu spät sei". Daher sei eine "sorgfältige und abwägende Debatte" im Parlament erforderlich. "Der Worst Case wären gespaltene demokratische Fraktionen und Parteien, während die Demokratiefeinde sich ins Fäustchen lachen." Er selbst habe aber keinen Zweifel, "dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist", sagte Stegner.
Eine fraktionsübergreifende Gruppe aus Abgeordneten von SPD, CDU/CSU, Grünen und Linken hat Berichten zufolge einen Gruppenantrag ausgearbeitet, mit dem der Bundestag ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anstoßen soll. Der Bundestag ist - neben Bundesregierung und Bundesrat - eines von drei Verfassungsorganen, das ein Verbotsverfahren vor dem Gericht anstoßen kann. Die rechtlichen Hürden dafür sind allerdings hoch.
Vor den Risiken eines solchen Vorgehens warnte die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan. "Ein Verbotsantrag wäre jetzt politisch kontraproduktiv", sagte sie dem "Tagesspiegel" vom Montag. "Es würde noch mehr Bürgerinnen und Bürger, die mit den Bedingungen und Erfordernissen der pluralistischen Demokratie wenig vertraut sind und sich mit ihr deshalb nicht identifizieren können, in die Arme der AfD treiben."
Zu der Frage, ob es ein AfD-Verbot braucht, äußerte sich auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). "Dazu braucht es die Beweise", sagte er den Sendern RTL und ntv am Sonntagabend. "Wenn die Beweise vorliegen, dann ja."
Kritik kam aus der FDP. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler sagte dem "Handelsblatt": "Das halte ich für Unsinn." Die AfD müsse politisch bekämpft werden. Verbotsdebatten schadeten nur, weil sie von der politischen Diskussion ablenkten.
Die Bundesregierung ist in die Überlegungen zu einem Verbotsverfahren nach eigenen Angaben nicht eingebunden. Ein Sprecher des für die innere Sicherheit zuständigen Bundesinnenministeriums sagte, ihm seien "keine Kontakte" der Initiatoren mit Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) in der Sache bekannt.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter begrüßte es generell, dass der Bundestag über ein AfD-Verbotsverfahren beraten soll. "Wir brauchen eine sehr sensible Diskussion in der Gesellschaft, aber auch im Bundestag über die Frage, wie wir mit einer Partei umgehen, die versucht hat, letzte Woche den Thüringer Landtag in Geiselhaft zu nehmen", sagte Kiesewetter zu Welt TV.
Kiesewetter ließ allerdings offen, ob er selbst für einen Verbotsantrag stimmen würde. "Entscheidend ist, dass wir es thematisieren und auch unsere Bevölkerung sensibilisieren", sagte er. "Was am Ende dabei herauskommt, ist eine ganz andere Frage."
Scharfe Kritik an den Überlegungen kam von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. Das sei "der dümmste Antrag des Jahres", sagte sie dem Nachrichtenportal "t-online". Ein Verbotsverfahren wäre "ein Wahlkampfgeschenk par excellence an die AfD aus der Mitte des Bundestages", sagte Wagenknecht. Sie forderte eine "sachliche Auseinandersetzung" mit der AfD.
Eine Partei kann in Deutschland laut Artikel 21 Grundgesetz nur verboten werden, wenn sie die "freiheitlich demokratische Grundordnung" beeinträchtigen oder beseitigen will. In einem Urteil von 1956 fordert Karlsruhe dafür eine "aktiv kämpferisch-aggressive Haltung", mit der diese Ordnung beseitigt werden soll. Zudem muss es laut Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass ein Erreichen der verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
pw/hol