Neurologe klärt auf - Von kribbelnden Füßen bis Impotenz - dahinter kann häufige Nervenkrankheit stecken
Kribbelnde Hände, Brennen in den Fußsohlen, Taubheitsgefühle - die Polyneuropathie gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Neurologe Mimoun Azizi erklärt, auf welche Anzeichen Sie achten sollten, was die Ursachen sind und was Sie gegen das Nervenleiden tun können.
Polyneuropathien sind systemisch bedingte Schädigungen mehrerer peripherer Nerven, die zu einer Reihe von Symptomen führen können. Diese reichen von Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen wie Brennen in den Fußsohlen oder ,Ameisenlaufen‘ in den Füßen, Beinen und auch in den Händen bis hin zu Schmerzen in den Versorgungsgebieten der betroffenen Nerven . Zu Beginn der Krankheit nehmen Patienten oft ein Kribbeln oder Taubheitsgefühle in Fingern, Händen, Zehen und Füßen wahr . Diese Symptome können von Schmerzen oder Krämpfen begleitet sein.
Bei einigen Betroffenen sind auch die Muskelkraft und Muskelfunktion beeinträchtigt, was sich beispielsweise darin äußert, dass Gegenstände aus der Hand fallen oder ein unwillkürliches Bewegungsmuster der Beine entsteht, das als Restless-Legs-Syndrom bekannt ist.
Die Diagnose von Polyneuropathien umfasst eine klinisch-körperliche Untersuchung, eine ausführliche Anamnese und neurologische Untersuchungen einschließlich Bildgebung, sofern die Ursache nicht bereits bekannt ist. Durch diese umfassende Untersuchung kann eine genaue Diagnose gestellt und eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden.
Welche weiteren Symptome können auf die Erkrankung hindeuten?
Die Symptome einer Polyneuropathie können vielfältig sein und hängen stark vom betroffenen Nerventyp ab. Bei älteren Menschen kann es insbesondere zu Lähmungen in den Füßen kommen, die als Fussheberparesen bekannt sind und zu schwerwiegenden Stürzen führen können. Aufgrund von Sensibilitätsstörungen leiden Betroffene häufig unter Gleichgewichts- und Schlafstörungen, da das Kribbeln auch nachts anhält. Das Gangbild ist breitbasig-ataktisch, also langsam und sehr unsicher, was das Gefühl erweckt, auf „Eiern“ zu gehen.
Zusätzlich können weitere Störungen auftreten. Dazu gehören Muskelschwäche- und abbau, Gangunsicherheit und Gleichgewichtsstörungen, vermindertes Temperaturempfinden und Sensibilität an den Extremitäten, insbesondere an Händen und Füßen. Schmerzlose Wunden an den Füßen und Fußsohlen sind vor allem bei der diabetischen Neuropathie ein Zeichen der Erkrankung. Brennende Hautschmerzen treten häufig bei der alkoholischen Neuropathie auf, während Druckschmerzen im Versorgungsgebiet der geschädigten Nerven meist an den Unterschenkeln auftreten.
Lähmungserscheinungen in Beinen und Händen ins ebenfalls möglich. Wenn das vegetative Nervensystem betroffen ist, kann es zusätzlich zu Beschwerden wie Schwindel oder Übelkeit durch Blutdruckregulationsprobleme kommen. Magen-Darm-Beschwerden, Verstopfung oder Durchfall sowie Blasenentleerungsprobleme können ebenfalls auftreten. Bei Männern kann die Erkrankung zu Impotenz führen.
Was sind die Hauptursachen der Erkrankung und wie kann man diese vermeiden oder minimieren?
Die Hauptursachen für Polyneuropathie sind Diabetes mellitus , auch als Zuckerkrankheit bekannt, und chronischer Alkoholmissbrauch . Es gibt jedoch auch andere, weniger häufige Auslöser. Dazu gehören hormonelle Störungen, Verletzungen, Infektionen sowie Nervenschädigungen durch Nährstoffmangel wie Vitamin B12-Mangel oder toxische Substanzen wie Medikamente und Schwermetalle. Innere Erkrankungen wie chronische Niereninsuffizienz können ebenfalls eine Neuropathie verursachen. In einigen Fällen können sogar Tumorkrankheiten dazu führen, dass periphere Nerven geschädigt werden. Daher ist eine entsprechende medizinische Abklärung in solchen Fällen unerlässlich.
Insgesamt sind mehr als 200 Auslöser für neuropathische Erkrankungen bekannt, obwohl es bei vielen Betroffenen nicht möglich ist, eine konkrete Ursache für ihre Krankheit festzustellen. Um das Risiko einer Polyneuropathie zu minimieren, sollten Risikofaktoren wie Diabetes und Alkoholmissbrauch kontrolliert werden. Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung kann dazu beitragen, den Blutzuckerspiegel zu regulieren und somit das Risiko einer diabetischen Neuropathie zu verringern. Bei Alkoholmissbrauch ist eine professionelle Beratung und gegebenenfalls eine Behandlung zur Suchtbekämpfung ratsam. Bei bestehenden inneren Erkrankungen sollte eine adäquate medizinische Versorgung sichergestellt sein.
Wie wird eine Polyneuropathie behandelt?
Die Behandlung von Polyneuropathie hängt stark von der zugrundeliegenden Ursache und den spezifischen Symptomen des Patienten ab. Schmerzsymptome werden häufig mit Opioiden behandelt, wobei auch Medikamente zur Behandlung von Krampfleiden oder Depressionen hilfreich sein können. Eine ergänzende Methode zur Schmerzlinderung ist die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), bei der elektrische Impulse zur Reduzierung des Schmerzempfindens eingesetzt werden. Bei einer Alkoholpolyneuropathie kann zusätzlich Vitamin B1 verabreicht werden. Neben medikamentösen Therapien haben sich gesunde Ernährung, Sport und physiotherapeutische Übungen als wirksame Selbsthilfemaßnahmen erwiesen.
Es ist wichtig zu beachten, dass eine Heilung der Polyneuropathie nicht immer möglich ist und stark vom Zeitpunkt der Diagnose, der zugrundeliegenden Erkrankung und dem Ausmaß der bereits bestehenden Nervenschädigung abhängt. Trotzdem ermöglicht eine passende Medikation in vielen Fällen ein weitgehend beschwerdefreies Leben.
Langfristig sind physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen am effektivsten. Sie helfen dabei, Gang- und Gleichgewichtsstörungen auszugleichen, Schmerzen zu reduzieren und die Ursachen der Erkrankung zu behandeln.
In den seltensten Fällen können die Symptome komplett beseitigt werden, wenn die Ursache der Erkrankung frühzeitig entdeckt und erfolgreich behandelt wird, wie zum Beispiel ein Vitamin B-12-Mangel. Die symptomatische Therapie zielt darauf ab, den Krankheitsprozess zu verlangsamen und die Symptome zu reduzieren, um so die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Es handelt sich dabei meist um eine multimodale Therapie, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist.