New York Climate Week - Unsere Meere drohen zu kippen - die Lösung können drei kleine Container sein
Weltweit leiden die Ozeane an einer CO2-Überdosis – und versauern. Forscher warnen vor dem Überschreiten einer weiteren planetaren Grenze. Derweil will das US-Startup Vycarb mit seiner Anlage in New York CO2 im Meer binden - und die Versauerung verhindern. Investoren glauben an die Idee.
Fast unbemerkt leidet das größte Ökosystem der Erde gleich dreifach unter den Folgen der Klimakrise. In den Weltmeeren treibt extreme Hitze die Temperaturen auf dem ganzen Globus immer weiter in die Höhe - und Fische, Krebse sowie Korallen massenhaft in den Tod. Durch die Verschmutzung der Landwirtschaft verlieren die Meere, wie zum Beispiel auch die Ostsee, immer mehr Sauerstoff. Fische ersticken. Die Ozeane, die zu den größten natürlichen CO2-Speichern gehören, leiden unter einer Überdosis des klimaschädlichen Treibhausgases. Sie versauern.
Ein aktueller Bericht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, wie ernst es um die Versauerung der Meere bestellt ist. „Die Versauerung der Ozeane nähert sich einer kritischen Schwelle", heißt es im aktuellen Bericht zur Lage der planetaren Grenzen. „Die zunehmende Versauerung stellt eine wachsende Bedrohung für die Meeresökosysteme dar.“
Die CO2-Überdosis, die die Weltmeere quält
Die Potsdamer Klimaforscher sind sich einig, dass die Zivilisation kurz davorsteht, die sogenannte siebte planetare Grenze zu überschreiten. Seit Jahren erforschen die PIK-Wissenschaftler die Systeme und Prozesse der insgesamt neun Grenzen, die zur Stabilität der lebenserhaltenden Funktionen des Planeten beitragen. In der Wissenschaft gibt es keinen Konsens über die Existenz dieser Klima-Kipppunkte.
Hinter der Versauerung der Ozeane steckt eine Überdosis CO2. Die Ozeane gehören zu den größten natürlichen Klimasenken der Welt und speichern tonnenweise Kohlenstoff. Die Folge: Der Säuregrad (pH-Wert) des Wassers steigt. Mancherorts zeigt die Überdosis bereits dramatische Folgen. Kalkbildende Organismen wie Muscheln oder Korallen werden geschädigt. Wichtige Nahrungsketten werden gestört. Die Frage, die die Wissenschaft beschäftigt: Wie viel CO2 vertragen die Meere noch?
Weltweit nimmt die Versauerung zu, auch wenn die Auswirkungen im Süd- und Nordpolarmeer am stärksten sind, erklärt Levke Caesar, Klimaphysikerin am PIK und Mitautorin des Berichts. Dennoch sei die globale Entwicklung besorgniserregend.
Unsere Meere drohen zu kippen - die Lösung können drei kleine Container sein
Mehr als 6000 Kilometer entfernt, auf der anderen Seite des Globus, stellt ein US-Start-up auf der New York Climate Week (NYCW) seine Technologie vor, die eine Lösung für die CO2-Überdosis der Meere darstellen könnte.
Am Rande des Hafens der Millionenmetropole stehen inzwischen drei kleine Container der Firma Vycarb. Unter dem Wasser liegt ein Rohr, an beiden Enden warten Messgeräte. Durch natürliche oder induzierte Strömung wird Hafenwasser angesaugt, gemessen und mit Alkanen vermischt. Dadurch wird ein chemischer Prozess in Gang gesetzt, der das CO2 in Bicarbonate umwandelt, die dann im Wasser gespeichert werden.
„Bisher haben wir in einem Jahr fast eine Tonne CO2 aus dem New Yorker Meer entfernt“, sagt Vycarb-Gründer Garrett Boudinot zu FOCUS online Earth. Doch dabei soll es pro Station nicht bleiben. Boudinot und sein Team konnten nach eigenen Angaben bereits einige Prozesse optimieren und wollen die Erfolge der Anlage weiter hochskalieren. Negative Auswirkungen auf die Ökosysteme hätten unabhängige Ozeaninstitute nicht feststellen können, so Boudinot. Deshalb habe das Start-up die Genehmigung für weitere Pilotanlagen erhalten. Der Rückgang der Versauerung habe die empfindlichen Ökosysteme in New York sogar entlastet.
Der ehemalige Klimaforscher hat sich schon vor der Gründung mit den chemischen Prozessen im Meer beschäftigt und ist überzeugt, dass sich mit den richtigen Datenmessungen CO2 langfristig und sicher umwandeln lässt. „Wir suchen gemeinsam mit Partnern nach geeigneten Standorten in der Nähe von Mineralquellen und CO2-reichen Gewässern, um den Energieaufwand zu minimieren“, sagt Boudinot.
Belastbare Daten sollen Zertifakte-Unsicherheit lösen
Ihr Ziel: Eine Anlage soll bis zu 100 Tonnen CO2 pro Jahr entfernen und langfristig binden. Nach der Optimierung, so schätzt der Amerikaner, wird eine Tonne umgewandeltes CO2 etwa 60 US-Dollar kosten.
Entscheidend sei eine genaue Messung. Vycarb misst die Wasserwerte vor und nach der chemischen Behandlung und kann so belastbare Nachweise über die CO2-Einsparungen liefern - und die nötigen Zertifikate ausstellen. „Wenn es um CO2-Zertifikate geht, herrscht überall Unklarheit. Irgendwelche Waldprojekte in Amazonien, ob sie stattfinden oder nicht, welche Auswirkungen sie haben - alles diffus. Deshalb wollen wir belastbare Daten liefern und die Einsparungen lokal greifbar machen“, beschreibt der US-Amerikaner die Finanzierungsstrategie.
„Wir können das globale CO2-Problem nicht alleine lösen, aber unsere Technologie kann einen wichtigen Beitrag leisten. Durch die modulare und verteilte Anwendung unserer Systeme können wir weltweit Maßnahmen ergreifen und lokale Ökosysteme positiv beeinflussen.“