In Niederbayern - Gefährliche Straftäter aus Psychiatrie geflohen - jetzt wurde der erste gefasst
Nach der Flucht von vier Straftätern aus einer psychiatrischen Einrichtung in Niederbayern wurde nach einwöchiger Fahndung der erste der vier gefasst.
Rund eine Woche ist die spektakuläre Flucht von vier Straftätern im bayerischen Straubing her. Nun konnte die Polizei einer der vier Männer festnehmen. Laut „Bild“ spürten die Beamten ihn in der österreichischen Steiermark auf. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat demnach bereits die Auslieferung beantragt.
Bei dem Festgenommen handelt es sich nach Angaben der Zeitung um den 28-jährigen Angelo J.
Erster geflohener Häftling aus Straubing gefasst
Gegenüber „Bild“ erklärte ein Polizeisprecher: „Er befindet sich zur Zeit in einer österreichischen Justizvollzugsanstalt. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat bei der österreichischen Justiz bereits die Überstellung des Beschuldigten nach Deutschland beantragt. Die bayerischen Polizeibehörden stehen hierzu in engem Austausch mit den österreichischen Sicherheitsbehörden.“
Nach den drei anderen Flüchtigen werde weiter aktiv gefahndet, versichert der Sprecher: „Es werden täglich Hinweise aus der Bevölkerung über Bayern hinaus aufgenommen und überprüft. Neben einer beweissicheren Tatortaufnahme werden unter anderem Vernehmungen durchgeführt, diverses Videomaterial ausgewertet sowie Recherchen hinsichtlich möglicher Kontakt- und Anlaufadressen, auch im familiären Umfeld, intensiviert.“
Vier geflohene Straftäter überwältigten Mitarbeiter im Krankenhaus
Was war passiert? Die vier aus einer geschlossenen Einrichtung geflüchteten Straftäter sollen zuvor einem dortigen Mitarbeiter mit dem Tod gedroht haben. Die Lage sei „akut lebensbedrohlich“ gewesen, weshalb ein Sicherheitsmitarbeiter die Pforte geöffnet habe, wie der Bezirk Niederbayern als Träger der Klinik mitteilte. Während die Fahndung nach den drei übrigen Männern weiterhin auf Hochtouren läuft, hat eine politische Diskussion um mögliche Konsequenzen begonnen.
Den Erkenntnissen nach überwältigten und schlugen die vier Männer am Samstagabend einen Mitarbeiter im Bezirkskrankenhaus (BKH) und zwangen ihn, mit ihnen in den Eingangsbereich zu gehen. Aufgrund von vier hintereinander geschalteten Sicherheitstüren hätten die Männer nicht entkommen können. Mit einem spitzen Gegenstand hätten sie dem Mitarbeiter gedroht, ihn zu töten, sollten die Türen nicht geöffnet werden. Laut Informationen der „Passauer Neuen Presse“ soll es sich um Spiegel-Scherben gehandelt haben, mit dem sie den Mitarbeiter bedrohten.
Nachdem der Sicherheitsmitarbeiter die Schleuse geöffnet hatte, hätten die Männer den verletzten Mitarbeiter zurückgelassen und seien zu Fuß geflohen.
Gefährliche Gruppendynamik
Die Flüchtigen gelten „wegen der Art und Weise ihrer Flucht und der damit verbundenen Gruppendynamik“ als gefährlich, teilte der Bezirkssprecher mit. Staatsanwaltschaft und Kripo ermitteln wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung.
Ärzte und Sicherheitskräfte gingen jedoch nicht davon aus, „dass sie ohne konkreten Anlass Dritte gefährden oder verletzen“, hieß es. Der Schutz der Bevölkerung habe aber oberste Priorität. Bürgerinnen und Bürger sind weiterhin gebeten, bei verdächtigen Wahrnehmungen den Polizeinotruf 110 zu wählen.
Ein Patient sei wegen Diebstahlsdelikten, ein weiterer wegen Körperverletzung im Drogenmilieu sowie Diebstahlsdelikten und zwei Patienten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzung im Drogenmilieu verurteilt worden. Bei drei Patienten sei geplant gewesen, den Abbruch der Therapie anzuregen. Beim vierten Patienten sei kein Therapieabbruch vorgesehen gewesen.
Die drei verbliebenen Flüchtigen können wie folgt beschrieben werden:
1. Denis Eler, bosnisch
31 Jahre alt
ca. 88 kg
ca. 178 cm groß
muskulöse/schlanke Statur
Narbe an rechter Augenbraue
schwarze Haare, vermutlich nach hinten gegelt
schwarzer (Voll)Bart
Tattoos: linker Unterarm, rechte Hand, linkes Ohr
Nach bisherigen Erkenntnissen soll Denis Eler ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze kurze Hose tragen.
2. Moritz Kühlborn, deutsch
28 Jahre alt
85 kg
ca. 186 cm groß
sportlich, schlanke Statur
rasierte Haare (Glatze)
Kinnbart
Tattoos an beiden Armen/Händen und linker Wade
Nach bisherigen Erkenntnissen soll Moritz Kühlborn ein weißes T-Shirt und schwarze, lange Sporthose tragen.
3. Zeqir Beqiri, kosovarisch
27 Jahre alt
ca. 70 kg
ca. 185 cm groß
normale Statur
lange dunkelblonde/braune Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden
Vollbart
Nach bisherigen Erkenntnissen soll Zeqir Beqiri ein schwarzer T-Shirt und eine schwarze Hose tragen.
Von Freigang nicht zurückgekehrt
Einer der Männer habe kurz zuvor einen sogenannten Lockerungsmissbrauch begangen: Er sei von einem Freigang nicht zurückgekehrt und habe von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht werden müssen, erläuterte eine Sprecherin.
BKH-Chefarzt Joachim Nitschke sagte, man sei sich darüber bewusst, dass das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger durch die Vorfälle vom Wochenende gelitten habe. „Dafür habe ich Verständnis und bedauere diesen Umstand. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass das BKH Straubing eine sehr sichere Einrichtung ist, bei der es, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, zu sehr wenigen Lockerungsmissbräuchen kommt.„
Nitschke regte an, Regularien zu erarbeiten, um bei einem empfohlenen Therapieabbruch seitens der Klinik Patienten früher in eine Justizvollzugsanstalt verlegen zu können. In diesem Fall hätten die Mitarbeiter den Sicherheitsbestimmungen entsprechend gehandelt.
Auch Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) hatte gefordert zu prüfen, „ob in bestimmten Fällen Therapieabbrüche und eine Überstellung in die Justizvollzugsanstalten schneller rechtssicher stattfinden können.“ Vom Maßregelvollzug dürfe keine Gefahr für die Bevölkerung und die Mitarbeiter der Kliniken ausgehen. Die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen müssten bayernweit verschärft und verbessert werden, sagte die Ministerin.
Kritik aus der Landtagsopposition
Deutliche Kritik kam von der Landtags-SPD. Die Ankündigung von Sozialministerin Scharf, nach dem Vorfall alles auf den Prüfstand zu stellen, dürfe nicht “in einem anlassbezogenen Aktionismus verpuffen“, teilte Horst Arnold, SPD-Sprecher für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, mit. Der Fluchtfall müsse schonungslos und selbstkritisch analysiert werden, forderte er und sprach von einem Desaster für die Staatsregierung.
Für zusätzlichen Diskussionsstoff sorgt ein weiterer Fall: Erst am 9. August war ein Insasse des Bezirkskrankenhauses Mainkofen im niederbayerischen Deggendorf geflohen - allerdings während eines begleiteten Freigangs. Insofern seien die Fälle nicht vergleichbar, sagte Nitschke.
Der 24-Jährige aus Mainkofen, der 2022 wegen eines Totschlags verurteilt worden war und als psychisch krank eingestuft ist, entkam seinen Begleitern während eines Kinobesuchs in Plattling. Knapp acht Stunden später wurde er von der Polizei gefasst und in die Klinik zurückgebracht.