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Der Niedergang der Spurs - Pochettino fürchtet Rausschmiss

"Wenn du eine Mitteilung von den Spielern erhältst, die dich zum Abendessen einladen, können nur zwei Dinge passieren", sagte Mauricio Pochettino dem Guardian.

Der Trainer von Tottenham Hotspur ließ sich nicht lange bitten, um diesen Cliffhanger von Satz zu erklären: "Entweder es passiert, weil sie sich verabschieden wollen. Oder weil sie das Gefühl haben, dass sie dich lieben und zeigen wollen, dass sie bei dir sind."

Pochettino ist sicher, dass es in seinem Fall um die zweite Option geht. Allerdings ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Argentinier schwer in die Kritik geraten ist.

"Wenn wir unsere Leistung nicht verbessern, was wird wohl das Ergebnis sein? Es ist immer das Gleiche", weiß auch Pochettino um die Gefahr einer Entlassung, gab sich aber trotzig: "Ich verstehe das Geschäft, ich bin 47. Weshalb ich glaube, dass ich keine weißen Haare habe? Weil ich nichts von all dem beachte."

Kritik wird nicht erst seit dem Wochenende laut. Das enttäuschende 1:1 gegen den Tabellenletzten FC Watford am Samstag war nur die jüngste in einer ganzen Reihe von Enttäuschungen.

Bayern zeigt Spurs Grenzen auf

Die Spurs haben nach neun Spieltagen in der Premier League drei Siege, drei Unentschieden und drei Niederlagen auf dem Konto. Da hilft es noch weniger, dass es im nächsten Ligaspiel zum ungeschlagenen Spitzenreiter nach Liverpool geht. (SERVICE: Tabelle der Premier League)

Der Meisterschaftszug ist abgefahren, die Champions-League-Plätze sind erst einmal ein ganzes Stück weg. Dass der Klub momentan ohnehin nicht reif für die Königsklasse ist, zeigte jüngst das 2:7-Debakel gegen den FC Bayern.

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Die graue Realität im Norden Londons heißt Mittelmaß. Dabei hatte sich der Traditionsklub doch das Ziel gesetzt, die übermächtigen Top-Klubs Manchester City und FC Liverpool anzugreifen.

Tottenham will in "andere Dimensionen"

Der Verein will sportlich und wirtschaftlich den nächsten Schritt gehen. Dazu wurde das neue Tottenham Hotspur Stadium mit einer Kapazität von 62.062 Zuschauern gebaut, das im April 2019 eingeweiht wurde.

"Wenn man hier im neuen Stadion ankommt, sieht es aus wie ein großer Verein", sagte Pochettino damals der Daily Mail. "In den nächsten fünf Jahren müssen wir ein Kapitel schließen und verstehen, dass wir nun ein Klub in anderen Dimensionen sind."

Andere Dimensionen bedeuten für den Argentinier, dass der Klub sich bald mit Vereinen wie dem FC Barcelona, dem FC Bayern oder Real Madrid vergleichen kann.

Pochettino bekommt nach 517 Tagen Neuzugänge

Um dem ambitionierten Ziel einen Schritt näher zu kommen, erfüllte Spurs-Boss Daniel Levy dem Trainer im vergangenen Sommer endlich einen Wunsch, der zwar nicht ungewöhnlich ist, allerdings zuletzt keine Beachtung gefunden hatte: Neuzugänge.

Tottenham gab über 100 Millionen Euro aus und verstärkte sich mit Tanguy Ndombélé, Ryan Sessegnon und Giovani Lo Celso. Jack Clarke, den die Spurs direkt an Leeds United zurückverliehen, war am Anfang der zurückliegenden Transferperiode der erste Neuzugang seit 517 Tagen.

Zuvor hatte Pochettino sich als Meister erwiesen, wenn es darum ging, aus wenig viel zu machen. So wie in der vergangenen Saison, als der 47-Jährige mit seiner Mannschaft den vierten Platz in der Premier League und außerdem das Finale der Champions League erreichte.

Spurs fehlt "das Extra, das Mentale, die Energie des Zusammenhalts"

Dieses Team hat der Klub zusammengehalten und mit Neuzugängen verstärkt. Trotzdem ist der nächste Schritt nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Die Spurs stecken in einer tiefen Krise. Und das ist nicht nur eine Ergebniskrise, denn die Lilywhites spielen auch nicht gut. Vom angesprochenen, großen Verein ist bisher nicht viel zu sehen.

An Verletzungssorgen liegt es nur bedingt, denn die meisten Leistungsträger um Harry Kane sind fit. Der einzige schwerwiegende Verletzte ist Torwart Hugo Lloris, der noch bis Jahresende ausfällt. Lo Celso und Sessegnon plagen sich zudem seit Wochen mit einer Hüft- bzw. Oberschenkelverletzung herum.

Der enorme Leistungsabfall ist rätselhaft und bringt die ambitionierten Ziele in Gefahr. Fraglich ist daher, ob der nächste Schritt möglich ist, ohne etwas zu verändern. Den Spurs fehle "das Extra, das Mentale, die Energie des Zusammenhalts", sagte Pochettino nach dem Ligapokal-Aus gegen Colchester treffend. "Wir benötigen Zeit, um diese Einheit wieder aufzubauen. Ohne sie kann man auf diesem Niveau nicht wettbewerbsfähig sein."

Nur mit Gegenpressing erfolgreich

Denn die starken Leistungen unter Pochettino verdankt Tottenham seit 2014 vor allem der kollektiven Stärke, der Kameradschaftlichkeit sowie der aggressiven Spielweise und dem Willen, bis zur letzten Sekunde alles zu versuchen. Doch das lassen seine Spieler allesamt vermissen.

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Gründe hierfür liefern die englischen Medien: Erstens halten sich die Gerüchte, dass Pochettino mit Spurs-Kapitän Kane zu Real Madrid wechselt, hartnäckig. Zweitens wollten Christian Eriksen, Jan Vertonghen und Toby Alderweireld, deren Verträge 2020 auslaufen, im Sommer schon weg.

Und drittens soll diese ganze Unruhe dazu geführt haben, dass die Tottenham-Spieler nicht mehr an einem Strang ziehen, auf dem Platz zu passiv auftreten und nicht mehr das hochintensive Gegenpressing, was sie so erfolgreich machte, aufziehen.

Sollten Pochettino und seine Mannschaft nicht schnell zu alter Stärke zurückfinden, wird der Coach wohl bald eine Mitteilung vom Präsidenten Levy erhalten - und nicht etwa von seinen Spielern. Und zwar mit Konsequenzen, denn die Uhr des Spurs-Präsidenten tickt schon und Verkäufe im Winter sind auch nicht ausgeschlossen.