In Niedersachsen - Alte Nazi-TNT-Fabrik vergiftet den Boden – jetzt gibt es verblüffend simple Lösung
Im niedersächsischen Harz ist am Rande der Stadt Clausthal-Zellerfeld die Nazi-Zeit noch immer bemerkbar: Eine Sprengstoff-Fabrik aus Kriegszeiten vergiftet seit Jahrzehnten den Boden. Jetzt gibt es eine Lösung für das gewaltige Umweltproblem: Sie besteht aus Wasser, Licht und Schilfpflanzen.
Die nach Behördenangaben größte Reinigungsanlage in Europa für verunreinigten Boden ist im Harz eröffnet worden. Die Pflanzenkläranlage soll bei Clausthal-Zellerfeld den Boden auf dem Gelände einer ehemaligen Nazi-Munitionsfabrik von Schadstoffen befreien, wie das niedersächsische Umweltministerium mitteilte. Bereits seit mehreren Jahren ist auf dem Gelände des sogenannten Werks Tanne eine kleinere Anlage im Einsatz.
Die neue Anlage soll wie die bisherige Wasser auffangen und es dann unter anderem mit Schilfpflanzen und durch Sonneneinstrahlung reinigen. Der Aufbau begann 2022; schon 2020 wurde die erste Anlage in Betrieb genommen. Die Methode ist laut dem Umweltministerium eine „vergleichsweise einfache, effektive und kostengünstige“ Reinigungsmöglichkeit.
„Die Pflanzenkläranlage ist ein Meilenstein in der langjährigen Sanierungsgeschichte des ehemaligen Fabrikstandorts und ein bedeutender Fortschritt für den Umweltschutz in Niedersachsen“, sagte Umweltminister Christian Meyer (Grüne).
100.000 Tonnen TNT hergestellt
Die Fabrik war während des Zweiten Weltkrieges eine der fünf größten Sprengstoff- und Munitionswerke der Nationalsozialisten. In der Harzer Anlage wurde hauptsächlich TNT für Bomben oder Minen verarbeitet. Bis zur Zerstörung der Anlage durch einen Luftangriff stellten viele Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen 100.000 Tonnen TNT her.
Der Boden und das Grundwasser des 110 Hektar großen Geländes wurden dadurch mit giftigen Chemikalien und Säuren belastet. Die pflanzlichen Kläranlagen sollen sicherstellen, dass kein belastetes Wasser in die Pfauenteiche gelangt. Diese sind Teil des welterbegeschützten Gewässersystems Oberharzer Wasserwirtschaft. Zuvor war auf dem Gelände auch eine herkömmliche Kläranlage mit Aktivkohlefiltern im Einsatz.
Fabrik unter Fichten versteckt
Die pflanzlichen Kläranlagen bestehen hauptsächlich aus zwei großen Wasserbecken. Aus der Luft sind sie gut zu erkennen - anders als die ehemalige Munitionsfabrik, deren Gebäude unter mit Fichten bepflanzten Dächern versteckt waren und teilweise noch sind. Daher trug das Werk den Decknamen „Tanne“.
Das erste Becken sammelt belastetes Regen- oder Schmelzwasser. Durch Sonneneinstrahlung wird das Wasser dort photolytisch gereinigt. Durch das Gefälle auf dem Gelände fließt das Wasser weiter durch die Anlage. In dem zweiten großen Becken wird es mit Hilfe von Tausenden Schilfpflanzen aufbereitet.
Wenn die Pflanzen anderthalb Meter hoch sind, reinigen sie am besten. Aber auch bei kleineren Schilfpflanzen sei die Reinigungsleistung bereits sehr gut, stellte der Landkreis Goslar in der Vergangenheit bei der ersten Anlage fest.
Reinigung dauert noch Jahrzehnte
Die Behörden gehen davon aus, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis der Boden gereinigt ist. Die ehemalige Sprengstofffabrik zählt nach früheren Angaben des Umweltministeriums zu den größten Beseitigungsvorhaben von Altlasten.
Generell ist die Beseitigung von Altlasten langwierig. Die Zahl der sanierten und nicht mehr gefährlichen Standorte stieg zum Stichtag 31. Juli 2024 leicht auf nun 3.087, wie aus Daten des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hervorgeht. Laut den Daten des LBEG gab es in Niedersachsen zuletzt noch über 100.000 Altlast-Verdachtsflächen.
Den Großteil machen beispielsweise Rüstungsaltlasten aus oder ehemalige Fabriken, in denen mit gefährlichen Chemikalien gearbeitet wurde. Die meisten dieser Flächen müssen noch überprüft werden. Welche Auswirkungen Altlasten für die Bevölkerung haben und welche Gefahren von ihnen ausgehen, lässt sich nur im Einzelfall beantworten.
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