"Nils, ne, Norbert, ich seh ihn nicht ..." Müller-Hohenstein verliert am Gold-Tag den Überblick
Was für ein Tag für Katrin Müller-Hohenstein! Die ZDF-Chef-Moderatorin erlebte nach Tagen der Tristesse endlich ihr Happy End: Von gleich zwei deutschen Goldmedaillen konnte vorher noch niemand berichten. Ruderer Zeidler und das Dressur-Team machten's möglich. Trotzdem war's ein Tag der Tränen. Und KMH war "leicht verwirrt".
"Schäm dich deiner Tränen nicht", juchzte Norbert Galeske mit bebender Stimme, als Oliver Zeidler das erwartete und erlösende Gold um den Hals gehängt bekam - und schluchzte wie ein Schlosshund. Das war ansteckend. Vater Heino heulte hocherfreut, Galeske greinte glückselig über das dritte deutsche Gold. Und dann machte die Dressur-Equipe das Gold-Quartett und die gelungene Schicht von Katrin Müller-Hohenstein perfekt.
Aber sie war trotzdem verwirrt. Vielleicht kam sie mit den positiven Emotionen nach der Tristesse zuletzt nicht so zurecht. "Wir heulen hier gleich mit vor Freude", meinte sie.
Lange hatte KMH vor allem Scheitern kommentieren müssen. "Es tut mir so leid", "Es ist so bitter", "Kopf hoch". Da waren die guten Ergebnisse am frühen Samstag, Tag acht der Spiele, vielleicht ein bisschen zu viel des Guten. Vor allem in der Kommunikation mit Norbert König im Stade de France hakte es. Bei der ersten Schalte grinste er sie erst mal irritierend lange schweigend an, dass man sekundenlang schon wieder Standbild-Probleme beim ZDF vermuten musste.
Sechs Stunden später tauchte König erst mal gar nicht auf - und KMH rein durchblicktechnisch komplett unter. "Im Stade de France Nils ..., ne, Norbert heißt er, aber ich seh ihn nicht, deshalb bin ich ein wenig verwirrt." Ehrlichkeit kann so schön sein.
Kommunikationsprobleme beim ZDF
Wo ist König? Das erinnerte die Älteren (also den Autor dieser Zeilen) an "Wo ist Behle?", die legendäre bange Frage von Moderator Bruno Moravetz, der den deutschen Skilangläufer bei der Olympischen Spielen 1980 von Lake Placid in der Live-Übertragung schmerzlich vermisste. Und es war nicht die einzige Referenz an ikonische Bonmots. Die zweite kam von Luise Lippmann.
Die war gerade gemeinsam mit Beachvolleyball-Legende Laura Ludwig aus dem Wettbewerb geflogen. "Woran hat's gelegen", fragte Carsten Behrendt. Das erinnerte frappierend an das legendäre Video von Torsten Knippertz, Schauspieler und Stadionsprecher (Gladbach). Der nahm vor Jahren in einem (improvisierten!) Video die floskelhaften Frage-und-Antwort-Spielchen nach Wettbewerbsschluss auf die Schippe und machte als erschöpfter, gerade geschlagener Ruhrpott-Spieler eine gute Minute lang nichts, außer die platteste aller Interview-Fragen zu wiederholen: "Woran hat's gelegen?"
Behrendt kennt das Video vielleicht nicht, das bittere Lachen von Lippmann ließ vermuten, dass sie es schon mal sah. Ihre Antwort war besser als Behrendts Frage. "Eigentlich wollten wir nur spielen." Wer will das nicht? Und KMH musste mal wieder trauern. "Es ist bitter. Alles Gute für euch zwei." Meinte sie auch Behrendt damit?
Welt-Elite düpiert: Oliver Zeidler holt Gold im Ruder-Einer
Auch Norbert Galeske, der Ruder-Mikro-Mann, musste erst ein Tal durchschreiten, ehe ihm der Gold-Gipfel vergönnt war. Im Finale impfte er den Fans noch 500 Meter vorm Ziel Hoffnung auf Bronze ein, da paddelte das Flaggschiff der deutschen Armada aber schon zwei Bootslängen hinterher. Der Achter schaffte es trotz allen Schönredens nicht über den vierten Platz hinaus.
Bei Oliver Zeidler war's dann anders herum. "Wann kommen die Sprints der anderen? Hoffentlich ist noch genug im Tank", bangte er, als Oliver Zeidler auf die letzten 500 Meter ging, die Phase, "wo das Licht ausgeht", wie Galeske weiß. Aber: Die Sprints kamen nicht, Zeidler pflügte wie ein Ruder-Roboter Richtung erstem deutschen Olympia-Sieg im Einer seit 1992.
Und endlich, Zeidler hatte schon fünf Sekunden Vorsprung, traute sich auch Galeske: "Er düpiert die Welt-Elite! Oli, erfüll dir den Traum vom Olympia-Gold!" Zeidler tat wie ihm geheißen und war danach tränenreich glücklich. Galeske auch: "Oliver, lass die Tränen fallen, du hast uns alle verzückt." Gar nicht schlecht für einen, der - wie Galeske petzte - bei seinem allerersten Rudereinsatz 2016 nach nur zehn Sekunden aus dem Boot ins Wasser plumpste.
"Dressurreiten ist mehr als Pfötchengeben"
Und dann machten die Dressurreitenden Frederic Wandres, Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl Katrin Müller-Hohensteins Glück perfekt: Gold im Team-Wettbewerb. In einem echten Krimi ritt von Bredow-Werndl den Minimal-Vorsprung von 0,121 Prozentpunkten zum Sieg ein. "Es war viel spannender, als ich wolte", sagte sie im Sieger-Interview, das leider - die ZDF-Technikprobleme! - anfangs nicht zu hören war. "Da sag noch einer, Dressurreiten sei nicht aufregend", meinte die Siegreiterin lächelnd.
Es wurde eng, weil Dalera einen Übergang versemmelte. "Aaah, nein, ohoh, das wird teuer", erkannte "ZDF-Sosti" Hermann Valkyser und die Prozentpunkte rauschten in den Keller. Aber Dalera und Jessica erhörten Valkysers Flehen ("Abhaken und jetzt auf Angriff"). Am Ende reichte es, und Valkyser durfte seufzen: "Dressurreiten ist so viel mehr als bloßes Pfötchengeben mit einem wohlerzogenen Hund, hier geht's um allumfassende Harmonie und symbiotische Zweisamkeit." Wer hätte es gedacht?
Katrin Müller-Hohenstein: "So sieht ein glücklicher Mensch aus"
Bei der Siegerehrung war wieder Zeit für Tränen. Wandres weinte über sein erstes Olympia-Gold, von Bredow-Werndl (drittes Gold) und Werth nahmen es routinierter. Werth ist mit nun acht Goldmedaillen Deutschlands erfolgreichste Olympionikin. "Ich geh erst mal einen trinken", lachte sie. Recht so. Für die Pferde, wusste KMH, "gibt's jetzt einen Apfel, vielleicht sogar zwei".
Und grinste breit. Zwei Goldmedaillen in ihrer Schicht! Es traf auf KMH zu, was sie vorher über Oliver Zeidler gesagt hatte: "Ja, so sieht ein glücklicher Mensch aus."
Aber noch war der "goldene Samstag im ZDF" (O-Ton KMH) noch nicht vorbei.