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Mit Schweiß und Maske im Gesicht: Schulstart in NRW

Als einziges Bundesland startet Nordrhein-Westfalen mit Maskenpflicht im Unterricht ins neue Schuljahr.
Als einziges Bundesland startet Nordrhein-Westfalen mit Maskenpflicht im Unterricht ins neue Schuljahr.

Wenn NRW ins neue Schuljahr startet, wird nicht nur die bundesweit einzigartige Maskenpflicht im Unterricht kritisch beäugt. Es geht auch um Laschets Corona-Krisenmanagement. Eine Gesamtschule in Münster versucht, die Schwierigkeiten mit Humor zu nehmen.

Düsseldorf/Münster (dpa) - Maskenpflicht im Unterricht bei brütender Hitze: In Nordrhein-Westfalen startet heute mit dem Schulbeginn nach sechseinhalb Wochen Sommerferien die Generalprobe.

Ganz Deutschland schaut hin, ob und wie der Sonderweg des bevölkerungsreichsten Bundeslands funktioniert, denn landesweite Maskenpflicht im Unterricht gibt es bislang nur hier. Ausgenommen bleiben davon lediglich die Grund- und Förderschulen.

Unterricht mit Maske ist für Schüler und Lehrer an der Gesamtschule Münster-Mitte zum Schulanfang nichts Neues. Bereits vor den Ferien wurde dort unweit des Doms nur so unterrichtet - allerdings mit nur halber Schülerzahl in einem wechselnden System. Am Mittwoch aber waren die Klassenräume wieder voll besetzt.

Die Mädchen und Jungen - die meisten 13 Jahre alt - sitzen nicht mehr an Einzeltischen, sondern in Gruppen verteilt im Klassenraum. Lehrer Bernd Schwertheim muss immer wieder um Ruhe bitten, schlägt auf eine Klangschale. Der laute Ton soll die rund 30 Schüler der Klasse 8a ermahnen. «Jeder meint, wegen der Masken lauter reden zu müssen», klagt Schwertheim. Das sei schon besonders anstrengend.

Vor der Sommerpause verlief die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern noch einfacher: Schüler wegen der Abstandsregeln am Einzeltisch - Lehrer mit Abstand vorne. Jetzt soll die gerade für eine Gesamtschule typische Gruppenarbeit wieder hochgefahren werden. Die Leistungsstärkeren helfen den Schwächeren. Wegen Corona war das ein halbes Jahr nicht möglich.

In kleinen Gruppen diskutieren die Schüler, wie ein Picknick am Freitag gestaltet werden könnte - mit deutlich höherem Lärmpegel als üblich. Nach fünf Minuten notiert Lehrerin Kristina Brauch die Vorschläge vorne an der Tafel - natürlich mit Mundschutz. Bei der großen Hitze kein Vergnügen. Nicht nur einigen Schülern steht der Schweiß auf der Stirn, die Haare sind bereits vor der Pause zerzaust.

«Das Händewaschen nach jeder Pause geht schon ganz automatisch», sagt Schülern Yevie (13) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Gegen 11 Uhr stellt sie dann ernüchtert fest: «Der Unterricht war aber heute besonders anstrengend». Bei der halben Lautstärke vor den Sommerferien sei es eindeutig anders gewesen.

Welchen Folgen der Mundschutz für das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern hat, wird an diesem Morgen immer wieder deutlich. Kristina Brauch fragt eine Schülerin, ob sie noch ein Vokabelheft braucht. Die Schülerin versteht, ob sie ein solches Heft bereits habe und sagt ja. Brauch reicht ihr dennoch eins und erntet einen verständnislosen Blick.

Gegen die Rückkehr der rund 2,5 Millionen Schüler in den Regelbetrieb an 2500 Schulen in NRW hatten mehrere Lehrer- und Elternverbände ebenso wie die Landtagsopposition Bedenken geäußert, weil aus ihrer Sicht nicht ausreichend für den Infektionsschutz in großen Klassen Sorge getragen wird. Was, wenn sich nun massenhaft Schüler in NRW mit Corona anstecken, Schulen geschlossen werden müssen und die ohnehin seit Wochen anziehenden Infektionszahlen wieder starke Einschränkungen des öffentlichen Lebens erforderlich machen?

Unter scharfer Beobachtung stehen nicht nur die Bedingungen für Schüler und Lehrer vor Ort, sondern das gesamte, von Anfang an heftig umstrittene Corona-Krisenmanagement von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). «Wir müssen gerade in diesen Tagen besonders vorsichtig sein», rechtfertigt Laschet seinen Kurs. Daher sei die zunächst bis Ende August befristete NRW-weite Maskenpflicht richtig. In anderen Bundesländern gibt es diese Vorschrift nur an einzelnen Schulen.

«Für Armin Laschet steht zur Zeit viel auf dem Spiel», stellt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann fest. Dessen «Lockerungsübungen» im Corona-Krisenmanagement seien «in der Bevölkerung und in der Union nicht gut angekommen», sagte er der dpa. «Ob er mit einem harten Schulmanagement und mit neuen strengen Schutzauflagen punkten können wird, ist offen.»

Ein Fiasko im Corona-Krisenmanagement an den Schulen, das in NRW Millionen Eltern, Lehrer und Schüler unmittelbar betrifft, wäre keine Empfehlung für höhere Weihen. Der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, sieht Laschet bereits «im corona-politischen Blindflug». Bislang sei die schwarz-gelbe Landesregierung vor allem durch ihr «Hin und Her» aufgefallen, sagte der SPD-Fraktionschef der dpa.

«Nachdem Armin Laschet mit seinem Lockerungskurs erkennbar vor die Wand gefahren ist, gibt er jetzt zum Schulstart ganz plötzlich den Hardliner», urteilte der frühere NRW-Justizminister. «In den USA nennt man das einen Flip-Flopper.» Nachdem es die Landesregierung versäumt habe, frühzeitig auf eine konsequente Teststrategie zu setzen, sei die Maskenpflicht an den Schulen nun «leider notwendig».

Unter Lehrer-, Eltern-, Ärzteverbänden und Wissenschaftlern ist das bundesweit umstritten - auch, ob nach Corona-Infektionen ganze Schulen geschlossen werden sollen. «Wenn ein Corona-Fall in einer Schule auftaucht, muss nicht direkt die Schule für 14 Tage geschlossen werden», sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt der «Rheinischen Post» (Mittwoch). Es reiche, wenn einzelne Klassen oder Kurse zu Hause blieben.

Die Gesamtschule Münster nimmt die Situation erst mal mit Humor. Schulleiterin Kathi Kösters ermahnt ihre Schüler beim Gang durch die Schulflure mit Einbahnstraßensystem immer wieder: «Falscher Flur! Und Maske hoch!» Die Schüler rufen zurück: «Mobbing!»