Nur ein Kampf kann Fury wirklich zum Box-König machen

Als Tyson Fury die Arena im MGM Grand Hotel von Las Vegas betrat, wählte er den ganz großen Auftritt. Verkleidet als König saß Fury auf einem Thron und wurde auf einer Sänfte zum Ring getragen.

Gut 45 Minuten später war Fury aber auch in der Realität wieder der König. In einer Box-Demonstration zerlegte er den bis dahin noch ungeschlagenen Deontay Wilder nach allen Regeln der Kunst. In der siebten Runde warf schließlich Wilders Ecke das Handtuch.

Fury jubelte mit ausgestreckten Armen. Inbrünstig schmetterte er den Evergreen "American Pie", diese bittersüße Ballade von Don McLean, gewidmet dem Lifestyle des Rock 'n' Roll, den er selbst nur zu gut kennt. Nach 1229 Tagen darf sich der 31-Jährige wieder Weltmeister im Schwergewicht nennen. Dazwischen liegt ein unfassbarer Weg, der Fury mehrmals dem Abgrund ins Auge blicken ließ.

Im November 2015 sorgte der "Gipsy King", so Furys Spitzname, für einen Paukenschlag, als er den seit elf Jahren unbesiegten Wladimir Klitschko entthronte und sich auf einen Schlag drei Weltmeister-Gürtel sicherte.

Doping-Sperre, Kokain und geplatzter Klitschko-Kampf

Im Juli 2016 sollte es zum Rückkampf mit Klitschko kommen, doch eine Knöchelverletzung Furys verhinderte den Kampf. Gerüchte um Dopingvergehen mit Steroiden machen die Runde.

Die britische Anti-Doping-Agentur sperrte ihn später für zwei Jahre. Für den 29. Oktober wurde das Duell mit Klitschko neu terminiert, einen Monat zuvor sagte Fury aber auch diesen Termin ab. Später wird bekannt, dass er an diesem Tag von der amerikanischen Anti-Doping-Agentur positiv auf Kokain getestet wurde.

Es folgte ein beispielloser Wirbel rund um seinen Rücktritt, den er zuerst verkündet, dann aber nur Stunden später widerrief.

Fury dachte jeden Tag an Selbstmord

Er gab bekannt, dass er an Depressionen leidet, bevor er am 13. Oktober 2016 seine Weltmeister-Gürtel wieder zurückgab. Zu dieser Zeit habe er jeden Tag an Selbstmord gedacht, verriet Fury.

Sportlich wurde es ruhig um den exzentrischen Briten. Im Juli 2017 erklärte er erneut seinen Rücktritt, nur um im Oktober sein Comeback für 2018 anzukündigen. Zu dieser Zeit war Fury aber alles andere als in Form. Starkes Übergewicht ließ Experten und Fans zweifeln, dass es Fury ernst meint mit dem Comeback.

Doch am 9. Juni 2018 kam es tatsächlich zur erfolgreichen Ring-Rückkehr. Eine nicht erfolgte Einigung zwischen Anthony Joshua und Deontay Wilder hievte Fury dann wieder auf die große Bühne zurück. Im Staples Center von Los Angeles trotzte er im Dezember 2018 dem favorisierten Wilder ein Unentschieden ab. Der "Gipsy King" steckte dabei sogar zwei Niederschläge weg.

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Passender Plan für Wilder

Im zweiten Duell setzte Fury jetzt alles auf eine Karte. Ausgestattet mit deutlich mehr Gewicht, drängte er Wilder von Beginn an in die Defensive und zeigte sich wieder einmal als "Box-Chamäleon", das für jeden Gegner einen passenden Plan in der Tasche hat.

Früh war in Las Vegas klar, dass nur Fury diesen Kampf gewinnen kann. Selbst Punktabzüge wegen unsauberen Boxens konnten ihn nicht stoppen. Mit seinem K.o.-Sieg ist Fury nun wieder zurück im Box-Olymp.

Obendrein ist er der erste Boxer, der zwei Kontrahenten mit mehr als zehn erfolgreichen Titelverteidigungen bezwingen konnte.

Und was kommt nun?

Mega-Fight gegen Joshua noch dieses Jahr?

"Ich habe die Kriegsbeute gerade erst eingefahren, ich muss diesen Sieg erstmal genießen", erklärte der 31-Jährige nach seinem dominanten Sieg. Er will Wilder die Chance zur Revanche geben: "Ich bin ziemlich sicher, dass wir das nochmal machen - wenn er das will."

Doch der sportlich bedeutendste Kampf ist ein Duell mit dem dreifachen Schwergewichts-Weltmeister Anthony Joshua. Dessen Promoter Eddie Hearn meldete sich prompt bei Twitter und forderte, dass der Kampf noch "dieses Jahr" steigen müsse.

Der Sieger wäre der unumstrittene König des Schwergewichts. Der Kampf der beiden Briten würde finanziell wohl alle Dimensionen sprengen und nicht nur im boxverrückten Großbritannien zum Straßenfeger werden.

Es ist noch nicht lange her, da war "AJ" auch abseits des Rings der große Gegenspieler von Fury. Er sei ein "Gewichtheber" spottete Fury einst über seinen Landsmann. Inzwischen respektieren sich beide aber. So telefonierte Fury im Vorfeld des Wilder-Fights mit Joshua und erkundigte sich nach dessen Befinden.

Bei allen Bemühungen um den Aufbau von Sympathien, im Ring will Fury keine Gnade walten lassen.

In einem weißen Anzug bedruckt mit seinem Konterfei, kündigte er auf der Pressekonferenz an: "Wer als nächstes kommt, wird die gleiche Behandlung bekommen. Das ist mal sicher."

Der "Gipsy King" ist zurück.