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Analyse: USA zeigen auf Russland

Eine militärische Rolle der USA im Ukraine-Konflikt sieht Obama nach wie vor nicht. Foto: Michael Reynolds

Schnell, sehr schnell haben die USA nach dem Flugzeugabsturz mit Schuldzuweisungen reagiert. Zuerst prescht Vize-Präsident Joe Biden vor («vom Himmel geholt»), dann klagt UN-Botschafterin Samantha Power Russland öffentlich im Sicherheitsrat an, schließlich auch Barack Obama.

Zwar gibt sich der Mann im Weißen Haus ein wenig präsidial-bedeckt («Wir wissen noch nicht genau, was passiert ist»), doch im Grunde hat er Russland klar im Visier. Seine Argumentation an diesem Freitag: Ohne Unterstützung wären die Separatisten gar nicht in der Lage, solche Jets abzuschießen - und die Hilfe «kommt aus Russland».

Offenbar brauchten die amerikanischen Geheimdienste gerade mal 24 Stunden, um mit dem Finger auf Russland und deren Separatisten- Freunde in der Ukraine zu zeigen. Mit Spezial-Computern, «mathematischen Formeln («New York Times») und anderen High-Tech- Hilfen gingen die Experten von den «Diensten» daran, den genauen Abschussort der Rakete zu bestimmen, die den Jet mit fast 300 Menschen an Bord erwischt hatte.

Doch die Strategie der schnellen Informationspolitik und der raschen Schuldzuweisungen hat ihren Preis: Ob er will oder nicht, setzt sich Obama damit selbst unter Druck. Dabei sah es in den vergangenen Wochen beinahe schon so aus, als kühle der Konflikt in der Ukraine ab, das Thema war nicht mehr Nummer eins in den US-Nachrichten, Obama und sein Team konnten sich gar den Luxus leisten, sich eher um Einwanderungsprobleme an der Grenze zu Mexiko zu kümmern.

Jetzt melden sich Hardliner aus dem Kongress mit Macht zu Wort: Der republikanische Kongressabgeordnete Peter King fordert Obama bereits klipp und klar auf, Kremlchef Wladimir Putin zur Verantwortung zu ziehen.

«Der Präsident muss mehr Führung auf der Weltbühne zeigen», sagt der Sicherheitspolitiker am Freitag in einem Interview mit dem TV-Sender CNN vollmundig. «Der Präsident muss heute das Tempo erhöhen und westliche Unterstützung für ökonomische Sanktionen mobilisieren. Für scharfe ökonomische Sanktionen.»

Das geht nicht ohne Seitenhieb auf die Europäer, die müssten natürlich mitziehen bei der härteren Gangart, fordert King. Zudem verlangt er, dass die USA überlegen müssten, der russischen Fluggesellschaft Aeroflot die Landerechte auf amerikanischen Airports zu entziehen.

Ginge es nach dem Falken King, stünde eine Eskalation des Konflikts unmittelbar bevor. Die Frage ist: Will das auch Obama?

Noch deutlicher wird der einflussreiche Senator John McCain. Er verlangt «schwerstmögliche Sanktionen» gegen Moskau, falls pro-russische Separatisten oder gar der Kreml tatsächlich selbst für den Abschuss verantwortlich seien. Sollten sich entsprechende Hinweise bestätigen, «wird es eine Menge Ärger geben - und das sollte es auch», sagt der Republikaner-Hardliner.

Auch die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, nennt eine mögliche russische Verwicklung in den Flugzeugabsturz «offensichtlich extrem besorgniserregend».

Erst vor wenigen Tagen hatte Obama die Sanktionsschraube spürbar angezogen, es ging nicht mehr nur gegen einzelne Personen, sondern gegen russische Unternehmen und Banken.

Doch zum «big stick», zum dicken Knüppel, griff der Mann im Weißen Haus bisher noch nicht. Noch verhängte er keine Strafmaßnahmen für ganze russische Wirtschaftszweige, die richtig wehtun dürften. Doch darüber wird Obama jetzt ernsthaft nachdenken müssen.