„Ocean Engineering“ - Das Zaubermineral, das unsere Meere retten soll
Gletscherschmelze, globale Erwärmung und nun die Ozeane: Der Bericht der Weltwetterorganisation öffnete mit gleich mehreren, traurigen Rekorden. Kann uns ein farbloses, durchsichtiges Mineral retten?
„Alarmstufe Rot“: So formulierte es Celeste Saulo, Chefin der Weltwetterorganisation (WMO) in der vergangenen Woche . 90 Prozent der Ozeanregionen haben eine Hitzewelle erlebt, seit April des letzten Jahres steigen die Durchschnittswerte der Meeresoberfläche weltweit. Besonders im Juli, August und September war es besonders heiß. Das Bild ist überall gleich, egal ob im Golf von Mexiko, den Südpolarmeer oder dem Nordatlantik.
Wichtig fürs Klima: Wärmepumpe im Atlantik
Gerade der Nordatlantik bereitet vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Sorgen: Denn die Erwärmung entspricht nicht den üblichen Mustern, wie wir sie aus Klimamodellen oder El-Niño-Phasen kennen. Stattdessen spricht man in der Forschung von der sogenannten Nordatlantik-Anomalie - und die geht mit einer Übersauerung durch immer größere CO2-Mengen einher.
Ein weiteres Problem: Der Status der Atlantischen Umwälzzirkulation. Es handelt sich dabei um einen komplizierten Strömungshaushalt im Atlantik , der warmes Oberflächenwasser mit kaltem Wasser aus der Tiefsee verbindet und bis zum Golfstrom reicht. Diese Umwälzzirkulation, auch als „Europas Wärmepumpe“ bekannt, ist verantwortlich für das milde, europäische Klima. Das Ganze ist Teil eines komplizierten Systems, das auch die tropischen Passatwinde antreibt. Rudimentär ausgedrückt ist die Umwälzzirkulation also dafür da, Wärme von Nord nach zu transportieren.
Doch die „Wärmepumpe“ spielt noch eine weitere, große Rolle: Die atlantische Umwälzzirkulation ist ein sogenanntes Kippelement und damit eine wichtige Klima-Grenze. Und genau hier machen sich die Forscherinnen und Forscher derzeit große Sorgen.
Kommt der Strom bald zum Erliegen?
Denn das Abschmelzen von Eis an den antarktischen Eisschilden und in der Arktis sorgt dafür, dass die atlantische Zirkulation abnimmt. Das Schmelzwasser ist nicht nur wärmer, sondern hat einen geringeren Salzgehalt. Das sorgt dafür, dass das in der Tiefsee ankommende Wasser ebenfalls wärmer ist und einen geringeren Salzgehalt hat. Bereits im Februar kam eine niederländische Studie zu dem Schluss : Der Strom könnte bald zum Erliegen kommen.
Schon jetzt könnten Forschende eine Erwärmung beobachten, in 2.500 bis 4.000 Metern Tiefe sei mittlerweile deutlich wärmeres Wasser vorhanden. Die Schlussfolgerung: Die atlantische Zirkulation nimmt ab - und das könnte enorme Konsequenzen für Flora und Fauna haben.
Die große Fisch-Völkerwanderung
Korallen beispielsweise sind den sich erhitzenden Gewässern ausgeliefert und können sich keinen anderen Lebensraum suchen. Die Folge: Massenhafte Korallenbleichen, wenn das sensible Gleichgewicht zwischen Korallen und Algen durcheinander gerät. Kleinstlebewesen wie Plankton könnten sich künftig im milderen Atlantik ansiedeln, wenn ihnen die tropischen Gewässer zu warm werden. Die Folge wird eine große „Fischwanderung“ sein, da die gesamte Nahrungskette - beginnend beim Plankton, bis zu den großen Raubfischen wie Haien - sich Richtung Norden verlagern könnte.
Besonders prekär aber könnte die Lage für Lebewesen wie Muscheln sein: Denn durch die globale Erwärmung wird aus den Tropen mehr CO2 abgegeben, das wiederum unsere Ozeane saurer macht. Und das könnte dafür sorgen, dass Muscheln, Schnecken oder Seeigel nicht mehr wachsen - die dann wiederum in der Nahrungskette fehlen.
Hilft unseren Meeren das „Zauber-Mineral“?
Das komplexe Gebilde der atlantischen Umwälzung zu retten, ist kaum möglich. Aber für die Übersauerung der Meere gäbe es eine Lösung - theoretisch. CO2 reagiert nämlich mit dem Mineral Magnesiumhdroxid, das in der Natur als Brucit vorkommt. Von dem daraus entstehenden Magnesiumbicarbonat gibt es im Meer nicht nur bereits große Mengen, sondern ist auch teilweise in Lebensmitteln enthalten, zum Beispiel Mineralwasser.
Diese Form des „Ocean Engineerings“ würde also nicht nur dazu führen, dass die Ozeane nicht mehr übersäuert sind, sondern könnte auch deren Aufnahmefähigkeit erhöhen - und damit noch mehr CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Eine entsprechende und erfolgreiche Feldstudie wurde in Kanada von der Dalhouse Universität durchgeführt , das Magnesiumhydroxid in der Bucht von Halifax verteilte. Das könnte auch das primäre Anwendungsgebiet des Zauber-Minerals sein: Nicht zuletzt aufgrund der noch unbekannten ökologischen Auswirkungen ist es erstmal keine Option, auf gut Glück einen Haufen Mineralien ins Meer zu werfen und auf das Beste zu hoffen.
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