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Offener Brief an einen Zeitdieb: Donald Trump, du hast mir den Tag verdorben!

Donald Trump twittert derzeit besonders schlimm (Bild: AFP Photo/Nicholas Kamm)
Donald Trump twittert derzeit besonders schlimm (Bild: AFP Photo/Nicholas Kamm)

Der US-Präsident haut einen Tweet nach dem anderen raus: Das meiste ist Kram. Oder Hetze. Und bringt uns dazu, unsere Zeit zu opfern und es sich anzuschauen. Trumps aktueller Slogancoup: Mit Muslimen klappt es einfach nicht. So sad!

Ein Kommentar von Jan Rübel

Donald Trump ist der größte aller Zeiten, zweifellos – was den Raub von Zeit angeht. Wir könnten die von ihm geplante Steuerreform prüfen oder das Geschirr abwaschen, aber stattdessen schauen wir dem US-Präsidenten dabei zu, wie er eine demokratische Politikerin mit selbsterklärter indianischer Abstammung als „Pocahontas“ beschimpft oder Hetzvideos retweetet; als hätte die Welt keine anderen Probleme. In schlechter Unterhaltung ist der Mann sehr gut.

Und nun schauen wir also die drei Filmchen, welche Trump zuletzt um den Globus schickte. Die Clips sollen für sich selbst sprechen. Der erste zeigt, wie ein Mob einen jungen Mann von einem Dach schubst, im zweiten zerstört ein Mann eine Marienstatue und im dritten verhaut ein Junge einen anderen. Was haben die drei gemeinsam? Es handelt sich um Gewalt, und es soll sich um Gewalt von Muslimen handeln, die Botschaft: Mit denen ist kein friedliches Miteinander möglich, immer muss einer von ihnen auf Dächern herummorden oder wenigstens Porzellan zerschlagen oder allerwenigstens ein paar Schellen verteilen.

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Ich habe mir die Filme angeschaut und bin Trump dafür nicht dankbar. Ich mag keine Gewalt, sie widert mich an, besonders morgens. Ich glaube auch nicht, dass ich nun etwas über den Islam oder über Muslime gelernt habe und weiß dafür im Gegenzug, dass der Präsident mir mit diesen Gewaltbildern den Tag verdorben hat; nun zu den Filmen im Einzelnen.

Washington liegt neben Alexandria

Der erste ist der grausamste. Die Aufnahmen scheinen aus Ägypten zu stammen, aus der Zeit der Staatskrise 2013. Ein Mob junger Männer randaliert auf einem Dach, die schwarze Fahne der Salafisten wird geschwenkt – übrigens jener Typen, die mit Trumps Buddys in Saudi-Arabien eng verbandelt sind. Die Armeeführung hatte kurz zuvor den ägyptischen Präsidenten gestürzt, der Muslimbruder Muhammad Mursi war aus den ersten freien Präsidentschaftswahlen als Sieger hervorgegangen. Sein Sturz erboste natürlich dessen Basis, es kam zu Unruhen, zu Verletzten und zu Toten – was der Film zeigt. Das Militärregime besteht übrigens auch aus Muslimen, es handelt sich um einen innerägyptischen Konflikt, und die Muslimbrüder schwenken in der Regel ihre eigene grüne Fahne; mit Salafisten haben sie wenig zu schaffen. Was der Film zeigt, ist authentisch, eine echte Dokumentation; einer der Täter wurde übrigens verurteilt und hingerichtet. Über den Muslim an und für sich also sagt dieser Film: Nichts.

(Bild: dpa)
(Bild: dpa)

Der zweite ist offenbar in Syrien entstanden. Ein fülliger Bartträger murmelt etwas von den freien Brigaden Syriens und haut eine Marienstatue zu Boden. Die Aufnahme kann echt sein. Aber was sagt sie uns? Youtube ist seit Jahren voll mit grausamsten Filmschnipseln aus dem Bürgerkrieg. Syrien wird seit Jahren zerstückelt, da ist eine kaputte Marienstatue nicht mehr als die Dokumentation der Ignoranz von Salafisten (Achtung, Trump: deine Gang), die nicht wissen oder wissen wollen, dass Maria im Islam als Mutter des letzten Propheten vor Muhammad besondere Verehrung erfährt; auch die Jungfrauengeburt Jesu ist im Koran erzählt. Das Zusammenleben der Syrer ist derzeit eine schwer vorstellbare Vision, total zerrüttet sind die gesellschaftlichen Verhältnisse – und die Hauptfront verläuft sicher nicht zwischen Muslimen und Christen, wenn es das ist, was der Tweet von Trump weismachen will.

Eine tolle Suppe ist entstanden

Zum dritten Film ist nicht viel zu sagen. Eine fiese Straßenszene. Ein Jugendlicher post vor seinem filmenden Freund, will virtuelle Berühmtheit unter seinen Jungs und dies auf Kosten eines anderen Jungen, den er malträtiert. Im Beitext von Trump steht: „Muslimischer Migrant schlägt niederländischen Jungen auf Krücken!“ Das ist der gängige Rassistensound. Obwohl beide gleichen Alters scheinen, ist der eine ein „MM“, und der andere ein Junge. Dumm auch, dass der MM nach Angaben niederländischer Medien weder Muslim noch Migrant ist, aber selbst wenn: Was wäre die Botschaft? Dass es auf keinem Schulhof des europäischen Abendlandes eine ähnliche Auseinandersetzung unter weißen Jugendlichen gäbe?

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Trump ist ein Spalter. Er retweetet Filme, die erstens aus dem Zusammenhang gerissen sind oder zweitens Dummheit dokumentieren oder drittens falsch dargestellt werden. So zusammengerührt, erweisen sie sich als eine Suppe aus lauter Fake. Und darin ist Trump ein wahrer Meister, er kennt sich aus: Ständig redet er davon, wie viel Fake News um ihn herum entstünden. Nun also hat er seine Kennerschaft uns allen zur Anschauung geschenkt.

Lieber Herr Trump, besten Dank auch. Für mich ist der Tag gelaufen.

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