Oktoberfest 2024 - Ein Besuch im Wiesn-Fundbüro zeigt, welche Schätze täglich verloren gehen
Im Fundbüro des Münchner Oktoberfestes laufen jedes Jahr allerlei Wertgegenstände ein. Dieses Jahr bleiben die Kuriositäten aus, dafür findet sich hinter verschlossenen Türen so manches hochpreisiges Objekt.
Was außerhalb ihres Wiesn-Fundbüros passiert, davon bekommt das 22-köpfige Team wenig mit. Im Untergeschoss des Festleitungs-Eingangs sind sie gut abgeschirmt vom Treiben auf dem Münchner Oktoberfest. Wie das Wetter am Vortag war, können sie dennoch zuverlässig bestimmen.
Fundbüro-Leiter Rainer Kohles öffnet eine Schublade, dutzende Sonnenbrillen kommen zum Vorschein. „Es war ein schönes Wochenende“, sagt er und lacht. In der Ecke stehen dagegen nur eine Handvoll Regenschirme.
Wiesn 2024: Ab 8 Uhr erhält das Team die Fundstücke der 14 großen Zelte
Für Kohles ist dieser Einsatz im Wiesn-Fundbüro der erste, seit Februar verantwortet er die Geschicke an der Implerstraße. Doch die Abläufe sind jahrelange Routine: Ab 8 Uhr erhält das Team die Fundstücke der 14 großen Zelte in einem Container und erfasst sie im System.
Dann werden sie im Fundbüro sortiert, bis um 13 Uhr die ersten Besucher nach ihren Wertsachen fragen können. Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Modell bis 22 Uhr. „Ich finde das echt spannend“, sagt Kohles über sein Debüt im Wiesn-Fundbüro. Das Team im Oktoberfest-Fundbüro setzt sich derweil aus städtischen Nachwuchskräften zusammen, die sich freiwillig für die Schichten melden.
Im Laufe der ersten Wiesnwoche sind bereits einige Fundstücke abgegeben worden. Mehr als 1000 Gegenstände dürften es gewesen sein, schätzt Kohles.
Oktoberfest-Fundstücken: Schlüsselanhänger im Wert von mehreren Hundert Euro
Über die 16 Tage werden es erfahrungsgemäß bis zu 4000. Kuriositäten wie Gebisse, Krücken oder Eheringe finden sich zwar noch nicht darunter, dafür aber so manches Schmuckstück.
Kohles geht von den Sonnenbrillen weiter hinten in den Gang zu den Jacken und zieht eine Tracht hervor. „Die kostet 300 bis 400 Euro“, rechnet er grob vor: „Das sind echt hochwertige Dinge.“
Auch andere Textilien liegen in dieser Preisklasse. Ein Schlüsselanhänger im Wert von mehreren Hundert Euro, ein Gold-Armband oder – am Freitag erst geliefert – eine Perlenkette verwahrt das Fundbüro ebenfalls; allerdings hinter verschlossenen Vitrinen.
„Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich er war“
Einen Mann aus Südtirol konnten Kohles und sein Team bereits eine große Freude bereiten. Beim Trachtenumzug hatte er seine handgeschneiderte Jacke verloren und sich per E-Mail an das Wiesn-Fundbüro gewandt. Mit einem Foto konnte er nachweisen, dass er der tatsächliche Besitzer ist; die Jacke bekommt er nun per Post zugeschickt.
„Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich er war“, sieht Kohles hier die positive Seite seines Verantwortungsbereichs. Die Trachtenschuhe in Größe 25 haben den kleinen Besitzer jedoch noch nicht wieder erreicht.
So manches Mal gestaltet sich die Suche nach dem Eigentümer nicht so einfach. Denn die Fundbüro-Mitarbeiter brauchen Belege, um die Wertsachen auszugeben.
„Wir müssen echt aufpassen, dass das nicht in die falschen Hände gerät“, betont Kohles. Bei Smartphones wird beispielsweise die SIM-Nummer (nicht die Handynummer!) oder die IMEI-Nummer des Smartphones benötigt. Letztere lässt sich mit dem Tastencode *#06# herausfinden.
Alternativ helfen auch Merkmale wie Aufkleber auf der Rückseite weiter, um das Gerät dem Besitzer zuzuordnen. Wer sein Smartphone nur am Standort des Fundbüros geortet hat und die Auswahl sehen möchte, um sein Modell zu identifizieren, wird allerdings nicht weit kommen.
Die Schubladen mit den Smartphones, nach Marken sortiert
Die Schubladen mit den Smartphones, nach Marken sortiert, sind nach sechs Wiesntagen gut gefüllt. Für Apple-Geräte sind gleich mehrere Fächer reserviert. Nur von dem jüngst erschienen iPhone 16 ist noch keins im Wiesn-Fundbüro abgegeben worden. „Intern laufen schon Wetten, wie viele kommen“, verrät Kohles; sein Tipp mit zwölf Geräten dürfte jedoch zu hoch gegriffen sein.
Wer das Oktoberfest ohne sein Smartphone verlässt, darf dennoch hoffen. „Wir schreiben nach der Wiesn die Anbieter an“, sagt Kohles. Die könnten dann die Kunden kontaktieren und den Versand in die Wege leiten; aus Datenschutzgründen darf das Fundbüro die Adresse nicht abfragen.
Trotzdem würden die meisten Smartphones nicht abgeholt, wundert sich der Fundbüro-Chef: „Das zeigt unsere Wegwerfgesellschaft.“ Viele besorgten wohl schnell einen Ersatz und könnten dann auf das alte Gerät verzichten.
Dabei fließe vor Erleichterung so manche Träne, wenn das Gerät abgeholt wird. Gerade Auswärtige sind mit digitalen Flug- oder Bahntickets auf das Smartphone angewiesen; ganz zu schweigen von den persönlichen Daten und festgehaltenen Erinnerungen.
„Es gibt leider nicht so viele ehrliche Menschen“
Bei Ausweisdokumenten ermittele das Fundbüro die Besitzer dagegen selbst und nehme, wenn möglich, Kontakt auf. Wenn der Ausweis beispielsweise in einer Jacke steckt, deutet das auch auf den Besitzer hin.
Insbesondere für ausländische Touristen sei es wichtig, den Ausweis bis zur Abreise zurückzubekommen. In den abgegebenen Geldbeuteln seien Ausweise oft noch drin, doch mit Geld kämen nicht allzu viele im Fundbüro an. „Es gibt leider nicht so viele ehrliche Menschen“, kommentiert Kohles.
Seit diesem Jahr gibt das Fundbüro sogar in Taschen gefundenes Cannabis zurück an die Besitzer – bis zur erlaubten Menge von 25 Gramm. Größere Mengen gehen an die Polizei.
Bei Abholung der Fundsachen wird übrigens ein sogenannter Kostenersatz fällig. Für kleinere Gegenstände wie Schlüssel sind das drei Euro, bei Smartphones 20 Euro, bei Bargeld fünf Prozent des Wertes. Was nicht während der Wiesn abgeholt wird, geht anschließend mit ins Haupthaus.
Geschenke oder Trinkgeld von den dankbaren Besitzern nehmen die Mitarbeiter des Wiesn-Fundbüros indes nicht an. „Wir wollen nicht in Verruf kommen“, sagt der Leiter. Schließlich sei es die Aufgabe des Fundbüros, die abgegebenen Gegenstände wieder an ihre Besitzer auszuhändigen.
Angesichts der erwarteten Regenfälle am Wochenende kann sich Kohles ausmalen, was im Fundbüro in den kommenden Tagen Konjunktur haben wird: Regenschirme. Mit dieser Prognose dürfte er mehr Erfolg haben als mit seiner Wette zum neuen iPhone-Modell.