Olympia-Kolumne von Pit Gottschalk - Biathlon des Sommers: 3 Sportarten, die ich mir mehr im Fernsehen wünsche
Sonntag endet Olympia. Und damit die TV-Übertragung von Sportarten, die wir sonst nie schauen, aber ins Herz geschlossen haben. Bei FOCUS-online-Kolumnist Pit Gottschalk waren das: Kanu, Tischtennis und 3x3 Basketball. Aber er fragt sich: Verpassen die Funktionäre jetzt wieder ihre Gelegenheit?
Fußball, Fußball und nochmals Fußball - plus Formel 1 im Sommer, plus Biathlon im Winter: So kommt mir die Programmgestaltung im deutschen Fernsehen vor, wenn’s um Sport geht. Die Aufzählung ist natürlich populistisches Getöse, weil sie Ausdruck eines Gefühls ist und nicht der Faktenlage. Vierschanzentournee, Darts-WM, Wimbledon: Schnell findet man Sport-Events, die neben Fußball existieren und Zuschauermassen anziehen. Aber ich will auf etwas anderes hinaus.
Bei Olympia habe ich Sportarten entdeckt, die wie geschaffen fürs Fernsehen sind. Wildwasser-Kanu zum Beispiel. Auf kleinstem Raum Kraft und Technik gegen die Urgewalt der Natur, Athlet gegen Wasser: spektakuläre Bilder und Spannung bis zum letzten (wie sagt man?) Paddelschlag. Ich frage mich: Warum sehen wir das nicht häufiger im Fernsehen? Vielleicht deswegen: Ich könnte jetzt aus dem Kopf nicht die drei größten Veranstaltungsorte dieses Sports sagen.
Biathlon hat den Weg ins TV geschafft
So ging es Biathlon auch mal. Das war, man glaubt’s kaum, ein Sport für Insider. Dann kam der Fußballmanager Rudi Assauer vor zwei Jahrzehnten auf eine verrückte Idee: Er baute seine Veltins-Arena auf Schalke zum Biathlon-Mekka um, mitten im Ruhrgebiet, und weckte Interesse bei einem Publikum, das nicht im Schatten der Alpen wohnt. Die Biathlon-Regeln wurden fernsehgerecht gebeugt und erklärt. Heute sind die Biathlon-Wettbewerbe Quotenbringer.
Oder Darts. Das war früher immer ein Sport für dicke Männer, die sonst nicht viel Bewegung haben. Sport1, früher DSF, sendete die Weltmeisterschaft aus dem Ally Pally trotzdem Winter für Winter. Heute sind die Pfeilewerfer Stars, die Massen anziehen: Michael van Gerwen, Luke Littler, Mike Smith, Peter Wright - wir kennen ihre Namen alle. Sport1 überträgt mit Kommentator Basti Schwele inzwischen Darts-Events das ganze Jahr durch - und erfreut ein Millionenpublikum.
Tischtennis muss aus der Turnhalle raus
Warum also nicht Kanu? Oder Tischtennis? Eine halbe Million Deutsche spielen in einem Verein Tischtennis. Jeder von uns stand in seinem Leben schon ein Dutzend Mal an der Platte. Wir haben, das darf man sagen, eine Beziehung zum Tischtennis und verfügen mit Timo Boll sogar über einen Weltstar. Auf Social Media sehe ich ständig Videos von sensationellen Ballwechseln. Warum ist dieser Sport im Fernsehen nie wirklich zum permanenten Großereignis mutiert?
Vielleicht deswegen: Jedes Fernsehbild aus der Tischtennis-Bundesliga riecht schon nach Mattenwagen und Umkleidekabine. Keine Inszenierung, kaum grafische Aufbereitung, keine Heldenverehrung: Tischtennis mangelt es an allem, was der Nischensport Darts über Jahre vorgemacht hat. Die zuständigen Funktionäre könnten sagen: Wir wollen das auch nicht. In Ordnung. Dann aber auch nicht wundern, dass Tischtennis eine Randsportart bleibt.
Die Konkurrenz wächst. Ich habe, ich muss das zugeben, vor Olympia nie von „3x3 Basketball“ gehört. Die Regeln sind einfach: drei gegen drei auf halbem Feld; bei Ballverlust raus aus der Zone; ein Punkt von innen, zwei Punkte von außen - das war’s im Prinzip. Die rasanten Auftritte der deutschen Frauen verschlugen mir die Sprache: immer in Bewegung, immer mit einem Plan, und dann auch noch Gold - ich kann von 3x3 Basketball nicht genug kriegen. Auch nach Olympia.
Sportarten anders aufbereiten
Jetzt sind aber die Fernsehmacher gefragt. Ikonische Veranstaltungsorte, zugängliche Sportstars, vernünftige Eintrittspreise und Übertragungszeiten, dazu Storytelling, das Spannung verspricht und trotzdem seriös bleibt: Das ist die Rezeptur. Ist nicht von mir, sondern von den Fußball-Ablegern „Baller League“ und „Icon League“ abgeschaut. Die machen vor, wie man Sportarten für TV-Präsenz definiert, in Social Media inszeniert und gemeinsam mit jungen Fans zelebriert.
Die Herren Funktionäre, die Kanu und Tischtennis verwalten, sollen sich also nicht beklagen, wenn nach den Olympischen Sommerspielen wieder Fußball in allen Spielarten die Agenda bestimmt. Ich werde ihrem Geblubbere, wie schwer es ihre Sportarten doch haben, jedenfalls kein Gehör schenken. Vermutlich haben mehr Deutsche in ihrem Leben Tischtennis gespielt als Biathlon betrieben. Wenn Biathlon beliebter ist, wird das an der TV-Inszenierung liegen.
Alle vier Jahre Olympia und zwischendurch mal eine Europa- und Weltmeisterschaft: Das darf eigentlich nicht ihr Ziel sein. Eigentlich müssten die Sportfunktionäre der Frage nachjagen: Wie wird mein Sport zum Biathlon des Sommers? Ein gut dotierter Vertrag bei einem Streamingdienst, damit die eigene Klientel bedient wird, reicht halt nicht. Kanu, Tischtennis, 3x3 Basketball: Ich würde euch gerne häufiger sehen.