Olympia-Kolumne von Pit Gottschalk - Olympische Spiele in Deutschland? Warum wir immer an uns selbst scheitern
Ein Sportfest in Paris, die Olympischen Sommerspiele. Ursprünglich sollten sie in Hamburg stattfinden. Aber seit 52 Jahren sind die Sportfunktionäre nicht in der Lage, eine überzeugende Bewerbung abzugeben. Über so viel Inkompetenz kann man nur mit dem Kopf schütteln.
Von deutschen Sportfunktionären ist man Kummer gewohnt. Unser oberster Ordnungshüter heißt Thomas Bach und könnte als ranghöchster Olympia-Boss zu einer moralischen Instanz aufsteigen. Tut er aber nicht. Seit Jahren eiert der ehemalige Fechter in der Putin-Frage rum und erlaubt den Russen ungestraft Staatsdoping, Menschenrechtsverletzungen und Ukraine-Krieg.
In Deutschland findet sich kein Kollege, der Bach die Meinung geigt. Man könnte die Scheu vor dem öffentlichen Konflikt verstehen, wenn dahinter taktisches Kalkül stecken würde. Niemand legt sich mit dem IOC-Präsidenten an, wenn man Olympische Spiele ins Land holen will. Versuche gab’s ja genug. Aber die eigene Inkompetenz stand bisher immer im Weg.
Nun schaut die gesamte Sportwelt nach Paris. Beeindruckende, imposante Bilder werden aus der französischen Hauptstadt in die Welt verteilt. Ob auf dem edlen Galopp durch den Schlosspark von Versailles oder Beachvolleyball im Champ de Mars am Fuße des Eifelturms im wohl spektakulärsten Stadion der Olympia-Geschichte. Die Stadt des Lichts macht Werbung für sich selbst und den Sport.
Deutsche Olympia-Bewerbungen scheitern in Serie
Die Sommerspiele, die Bach vor rund einer Woche in Paris mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron eröffnete, sollten ursprünglich in Hamburg stattfinden. Die Olympia-Bewerbung scheiterte 2015 am Votum von 1,3 Millionen Bürgern in fast allen Stadtteilen, wo ein Hirngespinst aus Bedenken und Fake News, Verschwörungstheorien und linkem Fundamentalismus im kategorischen Nein endete.
Kein Sportfunktionär war in der Lage, eine Mehrheit pro Olympia in der Hansestadt zu organisieren. Man überließ die Öffentlichkeitsarbeit den Gebrüdern Braun, die ihre Expertise allein aus dem Aufbau und Betrieb des Miniatur-Wunderlandes in der Speicherstadt ableitete. In Bayern verhinderten einst Bauern und Grundbesitzer aus Garmisch-Partenkirchen mit ihrem Protest eine erfolgreiche Bewerbung für Olympia 2018 in München.
So klappt Olympia in Deutschland niemals: Man muss schon selbst wissen und sagen, was man will.
Stattdessen hören wir seit Jahren abwechselnd, dass Winterspiele in Bayern eine prima Sache wären, dass Sommerspiele im Ruhrgebiet von Aachen bis Dortmund stattfinden könnten und dass Olympia eigentlich in die Hauptstadt Berlin gehört. Die neueste Idee: gemeinsame Spiele in Berlin und Hamburg, quasi eine ICE-Verbindung zur IOC-Connection. Leute, geht’s noch?
Machtspielchen im DOSB bremsen Olympia-Hoffnungen aus
Wo ist die Stimme eines Sportfunktionärs, die dem irren Treiben im Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) ein finales Ende bereitet? Ich mache hier mal einen Test: Nennen Sie mir den Namen des DOSB-Präsidenten! Er ist ja qua Amt Deutschlands höchster Repräsentant für Olympiafragen. Ich helfe gerne: Er heißt Thomas Weikert, ein Fachanwalt für Familienrecht.
Von ihm sind keine Initiativen zu erwarten. Michael Mronz, Witwer des früheren Außenministers Guido Westerwelle, hatte dagegen schon detaillierte Pläne für Olympische Spiele im Westen. Er wurde aber immer wieder ausgebremst von Gegenspielern in der Funktionärswelt, die ihre Hauptstadtfantasien für eine Stadt Berlin aufhoben, die sich alles leistet, aber nichts leistet.
Man hat dabei fast verdrängt, wie kläglich Berlin nach der Wiedervereinigung bei der übereilten Olympiabewerbung 2000 gescheitert ist. Das war fast so peinlich wie bei Leipzig, als die Deutschen nicht mal die Vorrunde im Auswahlprozess überstanden. Nun will Berlin wieder. 2036 oder 2040, irgendwann halt, nichts Genaues weiß man nicht. Klarheit ist Thomas Weikerts Sache nicht.
Dabei hat Mronz gezeigt, dass er großen Sport kann: Das CHIO in Aachen hat unter seiner Geschäftsführung Position und Reputation als weltgrößtes Reitturnier gefestigt. Inzwischen ist er selbst Mitglied im IOC-Komitee und wird deshalb nicht die Keule gegen seinen IOC-Chef Thomas Bach schwingen. Aber er ist die vielleicht letzte Hoffnung, dass aus der Olympischen Idee in Deutschland etwas wird.
Die letzten Olympischen Sommerspiele auf deutschen Boden fanden 1972 in München statt. Vor 52 Jahren. Wenn ein Land unserer Leistungsfähigkeit keine Spiele hinbekommt wie England (London 2012) oder Frankreich (Paris 2024), ist das ein Armutszeugnis für den Wirtschaftsstandort. Und nicht nur für die deutschen Sportfunktionäre.
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