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Gegenwind für Orbans Notstandsgesetz

Viktor Orban (l), Ministerpräsident von Ungarn, spricht mit Lajos Kosa, Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz.
Viktor Orban (l), Ministerpräsident von Ungarn, spricht mit Lajos Kosa, Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz.

In der Corona-Krise griff Ungarns starker Mann nach noch mehr Macht. Politiker in der EU und in Deutschland spielen mit dem Gedanken, dem Donauland EU-Gelder zu entziehen. Hat Viktor Orban den Bogen überspannt?

Berlin/Brüssel/Budapest (dpa) - Die Sondervollmachten für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Corona-Krise stoßen international auf starke Kritik.

Europastaatsminister Michael Roth (SPD) brachte finanzielle Sanktionen ins Spiel. «Es ist unserer Bevölkerung nicht zu erklären, dass Staaten einen großen Teil ihrer öffentlichen Investitionen mit EU-Geld finanzieren und dann die Prinzipien der EU verletzen», sagte er im Gespräch mit der «Welt». Finanzielle Sanktionen gegen Ungarn seien zu prüfen.

Der rechtsnationale Orban hatte sich am Montag vom Parlament in Budapest mit umfassenden Sondervollmachten ausstatten lassen. Sie könnten ihm ermöglichen, unbefristet auf dem Verordnungsweg zu regieren. Während des Notstands dürfen keine Wahlen und Referenden stattfinden. Die Verbreitung von Falschnachrichten soll streng bestraft werden, so dass Journalisten um kritische Berichterstattung fürchten.

Roth warb dafür, bei den aktuellen Verhandlungen über den EU-Haushalt ab 2021 die Möglichkeit zu schaffen, Sanktionen mit qualifizierter Mehrheit zu verhängen, wenn Länder gegen EU-Prinzipien verstoßen. Zugleich sprach er sich für einen von der Bundesregierung angestoßenen Rechtsstaatsmechanismus aus, bei dem künftig alle EU-Mitglieder turnusmäßig überprüft werden sollen, nicht nur solche, bei denen es mutmaßliche Verstöße gibt.

Bereits am Donnerstag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Besorgnis über das ungarische Notstandsgesetz geäußert. Die Kommission werde es prüfen, betonte die deutsche Politikerin. EU-Budgetkommissar Johannes Hahn sagte dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel»: «Wenn die Evaluierung der Kommission ergibt, dass Orbans Handeln unseren Grundprinzipien widerspricht, werden wir die notwendigen Konsequenzen ziehen.» Wenn es um die Einhaltung der EU-Verträge gehe, könne es «keinen Rabatt» geben.

Orban tat die Kritik an seinen Vollmachten als Werk einer «Brüsseler Blase» ab. «Womit beschäftigt sich Brüssel? Mit uns», sagte er am Freitag im staatlichen Radio. «Dabei könnte man mit Zusammenarbeit Menschenleben retten. Das täte jetzt not. Ich weiß nicht, was für Menschen in der "Brüsseler Blase" sitzen», fügte er hinzu.

Derweil schloss sich Ungarn einer Erklärung an, in der sich Deutschland und 16 weitere EU-Länder beunruhigt über exzessive Notstandsmaßnahmen angesichts der Corona-Pandemie äußerten. Ungarn wurde in der Erklärung nicht direkt erwähnt, war aber damit unverhohlen gemeint. Am späten Donnerstagabend veröffentlichte das Budapester Justizministerium auf der Regierungs-Webseite einen Eintrag mit dem Titel «Ungarn schließt sich der unten stehenden Erklärung von EU-Mitgliedsstaaten an». Darunter stand die Erklärung der EU-Länder in ungarischer Übersetzung.