Oscar-Preisträger bei „Markus Lanz“: Mit Tarantino zu arbeiten, war die Hölle

Ein Oscar-Preisträger, eine blinde Mutter und zwei Professoren, die sich streiten: Die Runde bei Markus Lanz war wie immer bunt durchmischt. SPD-Politiker Karl Lauterbach und Lungenfacharzt Dieter Köhler diskutierten energisch über Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerte. Hannah Reuter erzählt von ihrem besonderen Familienalltag, und der schwäbische Spezialeffektkünstler Gerd Nefzer plaudert über den Arbeitsalltag in Hollywood.

Fühlt SPD-Politiker Karl-Lauterbach sich etwa angesprochen? Spezialeffektkünstler Gerd Nefzer erzählt, in Hollywood gebe es Schauspieler, die sobald die Kamera an ist, ein anderer Mensch sind. „Das ist bei Politikern ja genauso“, so Nefzer scherzend. Foto: Screenshot ZDF
Fühlt SPD-Politiker Karl-Lauterbach sich etwa angesprochen? Spezialeffektkünstler Gerd Nefzer erzählt, in Hollywood gebe es Schauspieler, die sobald die Kamera an ist, ein anderer Mensch sind. „Das ist bei Politikern ja genauso“, so Nefzer scherzend. Foto: Screenshot ZDF

Professor Dieter Köhler ist Lungenfacharzt und der Ansicht, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für die aktuellen Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub gebe. „Es ist eine irrationale Meinung, wenn man sagt, Feinstaub ist gefährlich. Dann müsse man Staubsauger abschaffen oder alle U-Bahnen schließen.“ Grundsätzlich seien 80 bis 90 Prozent des Feinstaubs naturbedingt, so Köhler.

Feinstaubdebatte: Lungenmediziner räumt fehlerhafte Berechnungen ein

Professor Karl Lauterbach von der SPD argumentiert zunächst unaufgeregt: „Herr Köhler hat Recht, dass woanders das Risiko hoch ist.“ Aber man könne ja nicht sagen: Wenn woanders das Risiko hoch ist, handle man nicht. Zudem zeigten neuere Studien, dass Feinstaub und Stickstoffdioxid das Demenz-Risiko erhöhen. Auch bei Kindern, bei denen das Gehirn besonders anfällig für Feinstaub ist, konnte festgestellt werden, dass sich Einlagerungen im Gehirn bilden können. „Kinder, die sehr viel Feinstaub aufgenommen haben, nahe an Straßen wohnen, haben eine schlechtere Intelligenz-Entwicklung, psychische Störungen und kleinere Gehirne.“

“Nicht immer diese Panikmache”

„So einfach ist das nicht, Herr Lauterbach“, kritisiert Köhler und bemängelt die Methodik: Solche Studien würden nur festlegen, dass etwas gemeinsam auftritt. Doch das sei nicht ausreichend, um Kausalitäten zu ziehen und zu sagen, Feinstaub sei die Ursache. Weitere Forschung müsste gemacht werden.

Markus Lanz fragt, warum Herr Köhler als Lungenfacharzt beim Thema Feinstaub so sehr auf Konfrontation gehe. Dessen Antwort: „Ich möchte, dass die normale Bevölkerung nicht immer diese Panikmache bekommt: Du darfst keine Kerzen mehr anzünden oder keinen Gasherd haben.“ Er sagt, dass Menschen beim Ausatmen einen Stickstoffoxid-Wert freisetzen würden, der über dem Grenzwert sei: „Wenn Sie in einem engen Fahrstuhl sind, mit etwa sechs Leuten, dann werden sie sehen, dass etwas nach oben kommt. Das kommt aus der Nase“, so Köhler. Karl Lauterbach entgegnet: „Ich lebe aber nicht im Fahrstuhl.“

Lauterbach: „Betrügerische Autoindustrie“

Nun wird auch der SPD-Politiker energischer: „Stellen Sie sich vor, es wäre tatsächlich so, Scheuer würde sich durchsetzen – was ja Gottseidank abwegig ist – und wir würden die Grenzwerte anpassen. Würden Sie denn die Verantwortung dafür tragen wollen, dass nicht Sie recht haben, sondern die 10.000 anderen Wissenschaftler und Sie wären schuld am Tod Tausender Leute?“ Köhler findet diese Frage überzogen: „Das ist doch polemisch, Herr Lauterbach.“

Lauterbach findet, die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Köhler mit seiner These recht habe, sei „gleich null“. Feinstaub sei unterschätzt worden und man müsse nun eine Lösung finden – und diese setze am besten „bei der betrügerischen Autoindustrie an“.

Die Runde bei Markus Lanz. Foto: Screenshot ZDF
Die Runde bei Markus Lanz. Foto: Screenshot ZDF

„Dankeschön, Germany!“

Die Stimmung im Studio ist nach der Feinstaub-Diskussion sichtlich angespannt. Gut, dass Gerd Nefzer in der Runde sitzt und die Atmosphäre wieder auflockert. Der 53-Jährige hat einen Hauptschulabschluss, ist gelernter Bauer – und heute Oscar-Preisträger. Im vergangenen Jahr gewann Gerd Nefzer die Auszeichnung für die besten visuellen Effekte in „Blade Runner 2049“. Der gebürtige Schwäbisch Haller sagt bei Lanz, dass die Verleihung eines der schönsten Erlebnisse in seinem Leben war. „Das vergisst man nie.“ Bei der Überreichung des Awards, fiel seine Rede kurz aus: „Dankeschön, Germany!“ „Warum ausgerechnet das?“, fragt Markus Lanz. Nefzer erklärt, dass eine Uhr laufe, sobald die Gewinner ausgerufen werden, seine Zeit war schlicht vorbei.

Oscars 2019: Wichtige Preise werden in die Werbepause verbannt

Gerne hätte er sich bei Familien und Kollegen bedankt, doch besonders wichtig war ihm, Deutschland „danke“ zu sagen: „Ich denke, wir leben in einem wunderbaren Land – trotz Feinstaub und Grobstaub und allem.“ Das bringt sogar die beiden Professoren zum Lachen. „Man hat hier alle Möglichkeiten, auch mit nicht so guter Schulbildung, wenn man was lernt, ein Ziel hat, sehr, sehr fleißig und sparsam ist. Natürlich braucht man auch Glück im Leben und das hatte ich“, so Nefzer.

„Brad Pitt ist wahnsinnig schön“

Markus Lanz findet es interessant, dass Nefzer das Wort „sparsam“ verwendet. „Wird der sparsame Schwabe besonders gerne gebucht?“ Nefzer muss lachen. Man solle nicht vergessen, dass es Ziel der Filmindustrie ist, Held zu machen und jede Produktion immense Ausgaben, wie Verpflegung und Unterkunft von rund 200 Angestellten beinhalte sowie die Gagen der Hollywood-Schauspieler. Wie die denn so seien, fragt Lanz daraufhin. „95 Prozent sind super nett und freundlich“, meint Nefzer. Es gebe aber Schauspieler, die sobald die Kamera an ist, das Licht auf sie leuchte, ein anderer Mensch sind. „Das ist bei Politikern ja genauso.“ Lauterbach muss lachen.

Nefzer gesteht: „Mit Quentin Tarantino zu arbeiten, ist die Hölle.“ Er fordere „das Letzte“ von einem – schlaflose Nächte aus Angst, am nächsten Tag einen „Einlauf“ zu bekommen inklusive. „Und er ist ja auch Künstler. Da ist er in so einem Work-Mood (zu deutsch Arbeitsstimmung), in einer anderen Welt und vergisst manchmal die Tonart – da wird schon laut geschrien. Aber damit kann man ja umgehen.“ Nach ein paar Monaten sei auch Nefzer super mit ihm zurechtgekommen. Besonders angetan habe es ihm Brad Pitt. Der Mensch sei einfach wahnsinnig schön: „Wenn der einen Raum betritt, dann steht man wirklich da: wow!“ Er habe eine Ausstrahlung, die fasziniert.“

„Politiker würden beim Film alle rausfliegen.“

Für den Science-Fiction-Film „Blade Runner 2049“ drehte er mit Harrison Ford. In einem Special Effect habe er unter anderem einen Mensch einvakuumiert, was ziemlich nervenaufreibend gewesen sei. „Man lernt schon als Kind, keine Plastiktüte über´n Kopf zu ziehen.“ Eine Stuntfrau musste sogar rausgeschnitten werden, da ein Röhrchen zum Atmen verrutscht sei und sie Panik bekommen habe. Die Verantwortung habe ihm ziemlich zugesetzt. Ob er denn nun höhere Gagen verlange, fragt Markus Lanz zum Ende des Gesprächs. „Ich glaube, das ZDF zahlt das Gleiche wie beim letzten Mal.“ Eine Spitze hat er abschließend noch: „Politiker würden beim Film alle rausfliegen, weil es so lange dauert, bis etwas passiert.“

Trotz Anfeindungen: Wie eine Blinde ihre Tochter großzieht

Die Dame in der Runde ist Hannah Reuter, Sprachwissenschaftlerin und blind. Auch ihr Ehemann ist im Alter von 29 Jahren erblindet. Zusammen ziehen sie eine Vierjährige Tochter groß und werden dabei immer wieder mit Anfeindungen von außen konfrontiert. „Blinde werden als komplett hilfsbedürftiges Wesen stilisiert“, sagt sie. Reuter ist von Geburt an blind und kenne ein anderes Leben gar nicht. Sie nutze mehrere Hilfsmittel, die ihr Leben vereinfachen: Sprechende Küchengeräte, sprechendes Fieberthermometer, Farberkennungsgeräte, Blindenschrift-Drucker. „Digitalisierung ist für Blinde ein Segen“, so die 36-Jährige. Zudem hat sie einen Blindenhund, der eine große Hilfe sei.

Doch gerade seitdem sie schwanger war, hörte sie immer wieder Sätze nach dem Motto: „Oh Gott, die Arme, jetzt haben Sie schon einen Hund und dann auch noch das Kind!“ oder „Oh Gott, das arme Kind, das wird mindestens Entwicklungsdefizite erleiden.“ Diese Aussagen gingen ihr sehr nahe, zumal sie sich nie als behindert gefühlt habe. Dennoch beschäftigt sie ihre Außenwirkung und veranlasst sie dazu, zum Beispiel jeden Tag Klamotten zu waschen. Denn auf ihre Tochter werde mehr geachtet, als auf andere Kinder. Sonst heißt es: „Naja, ist ja klar, die blinde Mutter kann das ja nicht sehen.“ Diese Reaktionen möchte sie sich ersparen. Dass sie ihre Tochter noch nie gesehen hat, ist für sie nicht schlimm. „Ich habe noch nie Gesichter gesehen. Das ist für mich eine Größe, die keine Rolle spielt.“ Was sie jedoch bedenklich findet, sind Menschen mit einer vorgefertigten Weltansicht über Blinde.

Das könnte Sie auch interessieren:

Im Video: Meilensteine bei Lanz