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"Eine Pandemie ist ein Marathon": EU mit großen Plänen für 2022

Es war die große Stunde von Ursula von der Leyen, der Höhepunkt des Jahres. Wie es auch in den USA üblich ist, zieht die EU-Kommissions-Präsidentin einmal im Jahr in einer Rede Bilanz. Dabei wird zurückgeblickt auf politische Erfolge des vergangenen Jahres, aber auch die Agenda für das kommende Jahr festgelegt.

Genau hier enden die Ähnlichkeiten. Während die Ansprache des US-Präsidenten vor beiden Häusern des Kongresses zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird, spricht die Chefin der EU-Exekutive vor dem Europäischen Parlament um 9 Uhr morgens - was bedeutet, dass die meisten europäischen Bürgerinnen und Bürger diese Rede gar nicht sehen.

Und das ist schade – denn Ursula von der Leyen hatte eine Menge wichtiger Dinge zu sagen - zum Beispiel zur Pandemie.

Eine Pandemie ist ein Marathon. Es ist kein Sprint. Wir folgen der Wissenschaft. Wir versorgen Europa, und wir versorgen den Rest der Welt. Wir haben es auf die richtige Art und Weise getan, weil wir es auf die europäische Art und Weise getan haben, und ich glaube, es hat funktioniert.

Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin

Kampf gegen Corona-Pandemie und Klimawandel

Von der Leyen lobte die europäischen Impfbemühungen und versprach, weitere 200 Millionen Impfdosen für ärmere Länder zu spenden. Außerdem sagte sie zusätzliche 100 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Afghanistan zu.

Für das kommende Jahr kündigte sie einen europäischen Verteidigungsgipfel an und erklärte das Jahr 2022 zum Jahr der europäischen Jugend.

Außerdem machte die Kommissionspräsidentin den Kampf gegen die Corona-Pandemie und den Klimawandel zu den wichtigsten Prioritäten der EU für 2022, als weitere Top-Themen nannte sie die Migration und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit.

Am Ende ihrer Rede hatte von der Leyen als Ueberraschungsgast die italienische Paralympics-Goldmedaillengewinnerin Bebe Vio. Sie sei eine Quelle der Inspiration und ein Beispiel für Kampf und Anstrengung, für Ausdauer und eine unerlässliche positive Einstellung.

Das ist der Geist der nächsten Generation in Europa. Lassen wir uns also von Bebe und all den jungen Menschen inspirieren, die unsere Wahrnehmung des Möglichen verändern; die uns zeigen, dass man sein kann, was man will, und dass man alles erreichen kann, woran man glaubt. Das ist die Seele Europas. Das ist die Zukunft Europas. Machen wir es stärker.

Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin

Euronews sprach mit Dara Murphy. Er ist Chef-Berater bei Rasmussen Global und ehemaliger irischer Europaminister.

Euronews: Gab es etwas in der Rede von Ursula von der Leyen, das Sie überrascht hat? Sie hat die richtigen Themen angesprochen, oder?

Dara Murphy: "Es gab zum Glück nichts, was mich überrascht hat. Ich glaube, die Menschen in Europa haben in den vergangenen zwei Jahren genug Überraschungen erlebt. Aber, ja, ich denke, sie hat im Großen und Ganzen die richtigen Themen angesprochen. Ich glaube, sie hat in ihrer Rede in drei Punkten Stellung bezogen, wo wir bezüglich der beiden großen Themen Corona und Klima stehen, und sie hat auch deutlich gemacht, was sie meint, wie Europa geopolitisch eine stärkere Position einnehmen kann. Und dann glaube ich, dass sie im Großen und Ganzen, mit ein, zwei kleinen Ausnahmen, alle wichtigen Themen angesprochen hat - Sie wissen schon, die politische Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Wirtschaftswachstum und so weiter."

EU-Kommission will Verteidigungsgipfel

Euronews: Sie haben hier ein paar Themen genannt. Was hat Sie am meisten überzeugt?

Dara Murphy: "Ich glaube, sie war in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit am überzeugendsten. Sie hat einen Verteidigungsgipfel angekündigt und dass es gemeinsam mit Frankreich eine Mitteilung an die NATO geben wird, eine Erklärung zwischen EU und NATO. Doch das Bedeutendste war das Thema Sicherheit. Sie sprach über Gesetze zur Stärkung der Sicherheit und der Cybersicherheit, die in Arbeit sind. Und sie hat über die Gefahr von Laptops und Smartphones gesprochen, die eine Bedrohung für die Sicherheit in Europa seien. Ich denke, sie hat die richtige Richtung eingeschlagen."

Euronews: Manche meinten, sie mache zu wenig Druck bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit und nenne Polen und Ungarn nicht beim Namen. Was halten Sie davon?

Dara Murphy: "Sie hat zwei andere Mitgliedstaaten, die Slowakei und Malta, erwähnt – bezüglich Fragen zur Rolle des Journalismus und zu Korruptionsermittlungen. Und um ehrlich zu sein, ich habe keinen Zweifel, dass es jetzt einen intensiven Dialog zwischen der Kommission und Ungarn bzw. Polen gibt. Ich glaube, dass es kontraproduktiv gewesen wäre, sie zu diesem Zeitpunkt beim Namen zu nennen, vor allem, wenn es hinter den Kulissen Fortschritte gibt, was wir hoffen. Ich glaube, wenn sie im nächsten Jahr um diese Zeit das Wort ergreift, dann wird es in diesem Punkt Entwicklungen gegeben haben."

"EU-Ziele ohne Spaltung Europas erreichen"

Euronews: Die Rede ist vorbei, die Herausforderungen bleiben. Sind von der Leyen und die Kommission generell auf dem richtigen Weg?

Dara Murphy: "Ich denke, dass es in den ersten zwei Jahren ihrer Präsidentschaft und auch ihres Parlamentsmandats natürlich darum geht, weitgehend festzulegen, was man tun will. Wir hatten Corona und wir haben das Fit-for-55-Paket. Von nun an geht es um die Umsetzung. Jetzt geht es um die Einzelheiten und Details, wie wir diese Maßnahmen erreichen wollen, wie z.B. den Schutz unserer Arbeitsplätze, unserer Wirtschaft. Natürlich müssen die Ziele erreicht werden, aber auf eine Art und Weise, die Europa nicht sozial spaltet - und das ist ein viel größeres Ziel als die bloße Ankündigung."

Posthume Installation: Verhüllter Triumphbogen

Ob Ursula von der Leyen eines Tages mit einem Denkmal geehrt werden wird, bleibt abzuwarten. Und vielleicht wird dieses Denkmal ja auch im Christo-Stil verpackt - die größte Ehre eines öffentlichen Gebäudes.

Dies geschah in dieser Woche mit dem Arc de Triomphe in Paris. Der Torbogen aus der Napoleon-Ära hat schon viele Paraden und Proteste erlebt, aber noch nie wurde er in einen silbern-blauen recycelbaren Stoff gehüllt.

Eine posthume Kunstinstallation, die Christo im Jahre 1961 entworfen hatte. Eigentlich sollte sie im vergangenen Herbst realisiert werden, doch aufgrund der Pandemie verzögerte sich die Umsetzung - und dann starb Christo.

Um ihn und Paris zu ehren, wurde das Projekt dennoch verwirklicht. Noch bis zum 3. Oktober können die Besucher:innen den Stoff am Fuße des Bogens und auf der Dachterrasse anfassen.