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Nach der Pandemie-Party kommt der Reederei-Kater: Chris Bryant

(Bloomberg) -- Hätte ich Ihnen vor drei Jahren gesagt, dass der dänische Schifffahrtsriese A.P. Moller-Maersk A/S im Jahr 2022 einen Betriebsgewinn von 31 Milliarden Dollar (29 Milliarden Euro) ausweisen würde und fast die Hälfte davon an die Aktionäre ausschütten könnte, hätten Sie mich für verrückt erklärt. Doch das Unternehmen hat heute beides getan. Aber die Pandemie-Party ist nun vorbei und der Kater dürfte schmerzhaft werden.

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Im laufenden Jahr sieht Maersk den Betriebsgewinn auf womöglich nur noch 2 Milliarden Dollar absacken (mit Glück könnten es 5 Milliarden Dollar werden). Da Verbraucher weltweit weniger ausgeben, sinken die Seefracht-Volumen und damit auch die Frachtraten. Maersk ist zwar gut aufgestellt, um den Sturm zu überstehen. Seine Tage als eines der profitabelsten Unternehmen Europas sind jedoch gezählt.

Was wie eine Katastrophe klingt, ist in Wirklichkeit eine Rückkehr zur Normalität. Im Geschäftsjahr 2019, das der Pandemie vorausging, erwirtschaftete Maersk einen Betriebsgewinn von 1,7 Milliarden Dollar. Und aus Sicht der Kunden ist die erwartete Normalisierung sicherlich eine gute Sache: Während des Seefracht-Booms zahlten Exporteure und Importeure horrende Preise und versuchten verzweifelt, sich Schiffskapazitäten zu sichern, was den Reedern einen enormen Geldsegen bescherte.

Maersk prognostiziert, dass die Containernachfrage im Jahr 2023 um bis zu 2,5% zurückgehen könnte. Dabei wird darauf verwiesen, dass Handelskonzerne während der Pandemie zu viel bestellt haben und nun auf einem Überschuss an Waren sitzen. Die Überlastung der Häfen hat nachgelassen. Die Flottenbetreiber sind gezwungen, Schiffe stillzulegen. Der sich abzeichnende Kapazitätsüberhang könnte sich gegen Ende des Jahres noch verschlimmern, wenn Konkurrenten von Maersk neue Schiffe erhalten.

Aufgabe des neuen Maersk-Chefs Vincent Clerc ist es, durch den drohenden Sturm zu navigieren. Sein Vorgänger Søren Skou trat Anfang Januar zurück, als die Marktlage noch um Klassen besser war.

Clercs erste große Entscheidung — die Auflösung einer Allianz mit der Mediterranean Shipping Co. ab 2025 — ist eine gute Nachricht für alle, die denken, dass Reeder vielleicht ein bisschen sehr eng kooperieren und von äußerst großzügigen kartellrechtlichen Ausnahmen profitieren.

Dass der Wettbewerb auf hoher See damit angeheizt wird, kann die Investoren allerdings nicht erfreuen. Für weiteren Gegenwind sorgt der Trend zum Reshoring. Industrielle Lieferketten werden von Asien nach Europa und in die USA verlagert.

Maersk hat versucht, sich gegen einen Abschwung des Seefrachtgeschäfts abzusichern. Der Konzern hat Kunden auf längerfristige Verträge umgestellt und seine Logistikaktivitäten an Land durch Übernahmen ausgebaut. Beides ist kein Allheilmittel.

Die Preise bei langfristigen Verträgen tendieren zu den niedrigen Niveaus der kurzfristigen Spotraten. Die weniger profitable Logistiksparte von Maersk spürt hingegen Druck durch die gedämpfte Nachfrage. Im Terminalgeschäft verdient Maersk jetzt weniger mit der Lagerung von Gütern für Kunden, die von Hafenüberlastungen betroffen sind (was wiederum die Kunden nicht unglücklich machen wird).

Ein Silberstreif am Horizont nach drei Jahren Pandemie-Chaos ist die Tatsache, dass die Reedereien auf einer wesentlich solideren finanziellen Basis stehen: Maersk verfügte Ende Dezember über Netto-Barmittel von 12,6 Milliarden Dollar. Im Jahr 2019 hatte der Reedereiriese noch Nettoschulden von fast 12 Milliarden Dollar.

Durch die Beibehaltung der aktuellen Flottengröße und den Verzicht auf große Investitionen in neue Schiffe war Maersk weitaus konservativer als einige seiner Konkurrenten. Selbst wenn der Konzern im Jahr 2023 über Dividenden und Rückkäufe 14 Milliarden Dollar an die Aktionäre ausschüttet und weitere Investitionen in Logistik und Dekarbonisierung tätigt, wird die Bilanz in guter Verfassung bleiben.

In den globalen Lieferketten wird Maersk weiterhin ein wichtiges Rad sein, in den Schlagzeilen dürfte der Konzern aber weniger auftauchen. Und vielleicht ist das auch gut so.

Überschrift des Artikels im Original:Shipping’s Pandemic Profit Party Is Truly Over: Chris Bryant

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