Parteitag in vollem Gange - In der CSU brodelt es wegen Söders Grünen-Veto – aber anders, als Sie denken
Die CSU hält ihren Parteitag dieses Mal auf dem Messegelände in Augsburg ab. Eine Frage, die die Partei schon länger umtreibt, ist: Schwarz-Grün im Bund, ja oder nein? Wer sich unter den Delegierten umhört, merkt schnell: Über einen Aspekt will kaum einer reden.
Eigentlich war schon lange vor Beginn des Parteitags klar, dass CSU-Chef Markus Söder über die Grünen sprechen würde. Natürlich nicht im positiven Sinne. Eher als Erinnerung daran, mit wem man auf keinen Fall zusammenarbeiten möchte.
„Das Problem der Grünen sind ihre Regierungsmitglieder“, wetterte der bayerische Ministerpräsident in seiner Rede auf dem CSU-Parteitag. Robert Habeck habe „das Land Richtung Abgrund gebracht“, er sei das „nette Gesicht“ hinter dem wirtschaftlichen Niedergang. Und so weiter und so fort.
Markus Söder hat einer schwarz-grünen Regierungskoalition im Bund schon vor Monaten ein klares Veto erteilt. Mit den Grünen zu regieren, kommt nicht in Frage, wenn es nach ihm geht. Parteikollegen wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und CSU-Generalsekretär Martin Huber sehen es ähnlich.
„Die Grünen stehen in fast allen Bereichen im krassen Gegensatz zu unseren Vorstellungen“, sagt Huber am Rande des Parteitags, noch bevor das offizielle Programm beginnt, zu FOCUS online. „Nehmen wir nur das Beispiel Migration: Die Grünen blockieren jede Reform, sie stemmten sich gegen die Bezahlkarte, lehnen Zurückweisungen ab. Sie passen nicht zur Union.“
Grüne für viele CSUler rotes Tuch
Für Delegierte wie Huber sind die Grünen auf Bundesebene vor allem eines: ein rotes Tuch. Und daran können sie bis zur Wahl im nächsten Jahr kaum etwas ändern. „Sie sind eine zutiefst ideologische Partei, weit weg von der Lebensrealität der Menschen in Deutschland“, sagt er.
Die vielen Jung-Grünen, die jetzt die Partei verlassen wollen, der Rückzug der Partei-Bundesspitze: Das alles ändert für den CSU-Politiker nichts. „Nur weil die Gesichter wechseln, wird die Politik keine andere.“
Auch Florian Post unterstützt das Grünen-Veto des bayerischen Ministerpräsidenten. „Keine Denkverbote und eine Obergrenze von 100.000 Flüchtlingen, fordert Markus Söder. Das ist absolut richtig! Die Grünen stehen nicht zur Debatte – das wurde zurecht und konsequenterweise ausgeschlossen“, sagt der CSU-Mann zu FOCUS online.
Viele Delegierte sehen es ähnlich. Wer sich bei denjenigen umhört, die auf den Bänken vor den Eingängen zum Plenum sitzen und Bier trinken, stößt vor allem auf Grünen-Ablehnung. Wenn die Partei „übers grüne Stöckchen springt“, verschrecke man am Ende noch die konservativen Stammwähler, erzählt einer.
Dabei gibt es auch andere Meinungen. Partei-Vize Manfred Weber hatte zuletzt dafür geworben, sich Schwarz-Grün als Option im Bund offenzuhalten.
„Keine Liebesheirat, aber es hat besser funktioniert als gedacht“
Und es ist alles andere als eine irrwitzige Vorstellung. In Augsburg regiert seit mehreren Jahren Schwarz-Grün. Zwar nicht ohne Unstimmigkeiten: Wegen der Erhöhung der Parkgebühren, der Ausweisung neuer Radwege und dem Wegfall von Stellplätzen soll es zu Unmut innerhalb der CSU-Fraktion gekommen sein.
Der Augsburger Stadtrat Leo Dietz sagt auf dem Parteitag aber auch zu FOCUS online: „Es war keine Liebesheirat – doch inzwischen bin ich der Meinung, es hat besser funktioniert als gedacht.“
Man habe gute Kompromisse gefunden und „in den großen Dingen, etwa beim Umbau des Augsburger Hauptbahnhofs, zusammengestanden“. Volker Ullrich, der Augsburger CSU-Chef, klingt da nüchterner. Er bezeichnet die Zusammenarbeit in der schwäbischen Großstadt im Gespräch mit FOCUS online als „vertrauensvoll“, aber „kein zwingendes Zukunftsmodell“.
Brandmauer gegen Grüne? Die Konsequenzen will kaum einer diskutieren
An der CSU-Basis sind sich viele einig: Mit den Grünen soll die Union im Bund nicht koalieren. Doch da ist auch die Frage nach den Konsequenzen, die so ein Veto nach sich ziehen würde. Immerhin hat die Union ganz offiziell eine Brandmauer nach rechts, also gegen die AfD, errichtet.
So steht es im „Unvereinbarkeitsbeschluss“ der CDU: keine Koalition „oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ mit der Rechtsaußen-Partei. Die CSU geht genauso vor.
Einen „Unvereinbarkeitsbeschluss“ mit Blick auf das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) forderten zuletzt von mehrere CDU-Politiker . Und eine grüne Brandmauer scheint CSU-seitig gerade gebaut zu werden.
Das ist brisant, schließlich hat die CSU als Schwesterpartei Einfluss auf die Entscheidungen, die die Union auf Bundesebene trifft. Würde sie sich geschlossen gegen eine Zusammenarbeit mit der Klimapartei stellen, wäre ein Bündnis mit den Grünen nahezu unmöglich.
Dann blieben der Union nur noch SPD, FDP und das umstrittene BSW als mögliche Koalitionspartner. Die FDP scheitert bei der nächsten Bundestagswahl womöglich an der 5-Prozent-Hürde, gegen das BSW kommt vielleicht ein kategorisches Veto. Was heißt das also? Definitiv mit der SPD zusammenarbeiten, komme, was wolle? Oder die Brandmauer überdenken?
Frage nach Brandmauern ist vielen Delegierten unangenehm
Die Frage ist vielen Delegierten sichtlich unangenehm. Huber sagt nur, die Union müsse als starke Kraft aus der Bundestagswahl hervorgehen. Ein anderer CSUler meint: „Keine Koalition mit der AfD, aber eine rigorose Brandmauer nimmt uns auch die Möglichkeit, gegen schwierige Positionen in der Partei zu arbeiten.“
Wieder andere wägen offen ab: Ja, AfD und Union seien sich in manchen Inhalten ähnlich. Und Anträge ablehnen, nur weil sie von der AfD stammen, aber eigene Positionen aufgreifen, das könne ja auch nicht Sinn der Sache sein. Manche nennen die Brandmauer „unglücklich“. Aber eine Koalition mit der AfD, die will niemand. Jedenfalls spricht es keiner offen aus.
Für Florian Post steht vor allem ein Problem im Vordergrund: die Position, in die SPD und Grüne durch die Brandmauer rücken. „Das ist ja das Perfide“, sagt er.
„Im Ergebnis garantiert die so genannte „Brandmauer“, dass Grüne oder SPD, egal wie kaputt, egal wie schlecht ihre Wahlergebnisse sind, egal wie schlecht ihre Politik ist, immer mitregieren, obwohl der Wählerwille ganz offensichtlich ein anderer ist.“ Daher müsse man Themen wie Migration anders angehen als man sich das bisher als Union getraut habe.
CSU-Politiker macht brisante Brandmauer-Aussage
Post, der acht Jahre lang für die SPD im Bundestag saß, kennt die innerparteiliche Gefühlslage gut. Er ist mittlerweile zur CSU gewechselt und hält eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten auf Bundesebene genau wie mit den Grünen für nahezu unmöglich, wenn man sich den Zustand und das Personal der Partei ansieht. „Eine bürgerliche Politik ist mit dieser SPD jedenfalls nicht zu machen“, sagt er.
Ein CSU-Politiker, der nicht namentlich genannt werden will, geht noch einen Schritt weiter. Er schildert, was seiner Meinung nach viele Parteikollegen denken, sich aber nicht auszusprechen trauen.
„In einer Koalition wird ohnehin nur etwas beschlossen, wenn der Partner mitmacht. Und wenn SPD und Grüne nach ihrer jetzigen Leistung von Regierungsverantwortung ferngehalten werden können, wäre mit dem Überdenken der Brandmauer mehr gewonnen, als dass die AfD Schaden anrichten könnte.“