Phänomen Riesen-Balkonsolar - Jetzt beginnt auf deutschen Balkonen die Ära der Monster-Kraftwerke
Das Ende der Bescheidenheit? Sogenannte Balkonkraftwerke sind bei den Deutschen schon bei einigen Jahren beliebt. Bislang begnügten sie sich aber mit einzelnen kleinen Paneelen. Das ändert sich jetzt: Die Bundesbürger schrauben sich wahre Monster auf den Balkon, zeigen neue Zahlen.
Auf den Balkonen und Terrassen der Deutschen eskaliert es. Mehr als eine halbe Million sogenannter Balkonkraftwerke sind in der Bundesrepublik mittlerweile in Betrieb, mehr als doppelt so viele wie noch im Sommer 2023. „Auf Deutschlands Balkonen findet derzeit eine kleine Energierevolution statt“, sagte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, bereits im Juni dieses Jahres. „Endlich ist die Energiewende auch bei den Mieterinnen und Mietern angekommen.“
Das Prinzip eines Balkonkraftwerks: Verbraucherinnen und Verbraucher schrauben sich eine eigene kleine Mini-Solaranlage an Terrasse oder Balkon, schließen sie einfach an die Steckdose an - und beginnen zu sparen. Der erzeugte Strom wird ins Hausnetz eingespeist und kann den Kühlschrank oder die Waschmaschine betreiben. Nach fünf bis zehn Jahren hat sich die Investition bereits amortisiert.
XL auf dem Balkon
Längst aber haben die Deutschen begonnen, größer zu denken. Immer mehr Bundesbürger geben sich nicht mehr mit nur einem oder zwei Solarmodulen zufrieden, sondern kaufen sich gleich größere zusammengesteckte Anlagen oder entscheiden sich für spezielle XL-Module. Das zeigen Verkaufszahlen des Leipziger Balkonsolar-Anbieters Priwatt, die FOCUS online Earth vorliegen.
Demnach hat sich die Nachfrage nach großen Balkonkraftwerken mit mehr als zwei Modulen im vergangenen Jahr verfünffacht. Im August machten große Balkonkraftwerk-Sets mit drei bis vier Solarmodulen sowie Sets mit XL-Modulen bereits 57 Prozent der bestellten Stecker-Solar-Sets aus - im Vorjahresmonat waren es nur zwölf Prozent.
„Sie wollen ihre Anlagen skalieren“
Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der klassischen Balkonkraftwerke mit ein bis zwei Solarmodulen von 87 Prozent auf unter 40 Prozent. Noch vor zwei Jahren habe es kaum Nachfrage nach größeren Anlagen gegeben, sagt Priwatt-Sprecherin Anne Fischer. Jetzt seien es hingegen die Mini-Sets mit nur einem Modul, die kaum noch nachgefragt würden.
Mitverantwortlich für den Boom sind die sogenannten Erweiterungssets: Verbraucherinnen und Verbraucher wollen ihr heimisches Balkonkraftwerk ausbauen - und kaufen zusätzliche Module. Die Flexibilität sei für viele Kundinnen und Kunden mittlerweile ein entscheidender Faktor beim Kauf, sagt Priwatt-Geschäftsführer Kay Theuer: „Sie wollen ihre Anlagen skalieren, um noch mehr eigenen Solarstrom zu nutzen und ihre Stromkosten zu senken.“
Passend dazu boomt auch der Absatz von Stromspeichern: Den Priwatt-Daten zufolge wurden im August 2024 insgesamt 47 Prozent der bestellten Komplett- oder Erweiterungssets mit einem Speicher verkauft - im Vorjahresmonat waren es zwölf Prozent. Vor allem Kundinnen und Kunden, die sich für eine größere Anlage entscheiden, schaffen sich dazu auch noch gleich einen Speicher an.
Immer günstiger, immer einfacher
Für den Balkon-Boom gibt es zwei Gründe. Zum einen sind die Preise für Solarmodule und Batteriespeicher in den letzten beiden Jahren noch einmal stark gefallen. Nach Angaben der Energieanalysefirma OPIS liegt der Preis für ein Solarmodul nur noch bei 13 Cent pro Watt peak (Wp) - im Jahr 2016 waren es noch 50 Cent. Die Preise für Wechselrichter sind binnen eines Jahres im Schnitt um 35 Prozent gefallen, auch die Preise für Speichersysteme sind dank fallender Batteriepreise kollabiert. Während sich noch vor zwei Jahren ein Speichersystem für kaum jemanden gelohnt hatte, sieht die Kalkulation jetzt anders aus.
Der zweite Grund ist politischer Natur: Die bürokratischen Hürden für den Betrieb eines Balkonkraftwerks werden immer niedriger. Mit dem Solarpaket I hat die Ampel-Regierung im April eine Reihe von Erleichterungen beschlossen. So wurde etwa die Summe des erzeugten Stroms, der ins Netz eingespeist werden darf, von 600 auf 800 Watt angehoben - was größere Anlagen attraktiver macht. Auch die Bürokratie wurde vereinfacht, bis April musste die Anlage noch umständlich beim Netzbetreiber angemeldet werden.
Und erst am Freitag winkte der Bundesrat die nächste Vereinfachung durch, und zwar im Wohnrecht. Vermieter und Eigentümergemeinschaften dürfen demnach ihre Zustimmung zur Installation einer Solaranlage nicht mehr ohne triftigen Grund verweigern, mit wenigen Ausnahmen. Der Trend wird daher anhalten, glaubt Priwatt-Geschäftsführer Theuer: „Unsere Kundinnen und Kunden wollen immer mehr Solarstrom selbst erzeugen. Vor allem wollen sie diesen aber auch so effizient wie möglich selbst nutzen.“
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