Philosophin bespricht neue Studie - Ab wann Glückssuche unglücklich macht - und was wirklich hilft

Glück am See: Sandra Johst erklärt neue Studie zum Glücklichsein<span class="copyright">Thomas Warnack/dpa</span>
Glück am See: Sandra Johst erklärt neue Studie zum GlücklichseinThomas Warnack/dpa

Eine neue psychologische Studie zeigt: Glücklich werden zu wollen, hindert uns noch nicht an unserem Glück. Aber, wenn wir unser eigenes Glück ständig auf sein Niveau prüfen, verlassen wir den Weg zum Glück und biegen ab in Richtung Frustration und Stress.

Dass Menschen sich die Frage stellen, wie sie ein glückliches Leben führen können, ist wohl unumstritten. Genauso, wie sie versuchen, die Mittel aufzubringen, das Glück, was auch immer genau darunter verstanden sei, zu erreichen. Der hohe Stellenwert der Glückssuche lässt sich bereits bei dem altgriechischen Philosophen Epikur nachlesen: „Also gilt es unseren vollen Eifer dem zuzuwenden, was uns zur Glückseligkeit verhilft; denn haben wir sie, so haben wir alles, fehlt sie uns aber, so setzen wir alles daran, sie uns zu eigen zu machen."

In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 wurde neben dem Recht auf Freiheit und Leben auch das Streben nach Glück (pursuit of happiness) zu einem unveräußerlichen Recht. Das deutsche Grundgesetz verankert zwar nicht explizit die Glückssuche, aber das „Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ in Artikel 2 der Grundrechte. Und diese Beschreibung der freien Persönlichkeitsentfaltung, soweit sie nicht die Rechte anderer Personen verletze, weist durchaus überzeugende Parallelen zu der altgriechischen Vorstellung von Glückseligkeit auf. Denn ein glückliches Leben zu führen, ist in der Antike unweigerlich verknüpft mit der Vorstellung eines tugendhaften Lebens.

Erhöht Glückssuche selbst Stress und Druck?

Doch lässt sich auch kritisch fragen, ob eine Übermaß in dem Streben nach Glück vielleicht negative Auswirkungen mit sich bringt. Oftmals ist es doch so, dass je stärker man sich in eine Sache verbeißt und mit entsprechenden Scheuklappen alles andere um sich herum ausblendet, man in einen Tunnel geraten kann. Einen Tunnel der bisweilen sehr dunkel ist, da sich kein Licht am Ende erkennen lässt. Ob die Glückssuche selbst Stress und Druck erhöht und somit vielleicht eher unglücklich macht, ist Gegenstand psychologischer Forschung.

Eine neue Studie der American Psychological Association rund um die Psychologin Felicia Zerwas erlaubt für diese Frage eine interessante Differenzierung: Sich das Ziel zu setzen, glücklich zu sein, führt zu keinem negativen Effekt, aber zu viel über das Glück nachzudenken, beeinträchtigt das psychische Wohlbefinden.

Herausgefunden wurde das, indem 1800 Teilnehmende in drei verschiedenen Experimenten Fragen beantworteten: Was sie unter Glück verstehen, wie sie ihr psychisches Wohlbefinden einschätzen und ob sie unter depressiven Symptomen leiden. Dabei zeigte sich, dass das Streben nach und die Sorge um das Glück zweierlei sind. Das Problem für das Wohlbefinden scheint die Sorge um das eigene Glück zu sein, denn diese war mit einer geringeren allgemeinen Lebenszufriedenheit und stärkeren depressiven Symptomen verbunden. Wer sich also stark über sein Glückniveau sorgt, ist deutlich weniger zufrieden mit seinem Leben.

Es gibt ein Zuviel bei der Glückssuche

Es kann also wirklich ein Zuviel bei der Glückssuche geben. Es stellt sich dann ein, wenn die Gewohnheit entwickelt wird, das eigene Glücksgefühl zu überprüfen. In einem tollen Moment könnte man sich selbst unglücklich machen, indem man sich fragt, ist das jetzt schon genug? Bin ich wirklich ausreichend glücklich oder gibt es andere Personen, die noch mehr Glück empfinden? Der Effekt von diesen Gedankenspielen führt dazu, dass sich Betroffene nicht so glücklich fühlen, wie sie es vielleicht sein könnten.

Das wiederum ist eine Quelle der Enttäuschung und Frustration, die von den Forschenden negative Meta-Emotion genannt wird. Also in etwa: Ich bin traurig darüber, dass ich nicht so glücklich bin, wie ich vielleicht sein könnte. Bleibt die Frage: Wie lässt sich das umgehen, damit man sich auf dem Weg zum Glück nicht selbst ein Bein stellt?

Die Studienleiterin Zerwas macht laut „MDR“ auf den Trugschluss als Problem aufmerksam, dass man sich ständig glücklich fühlen müsse und empfiehlt: „Insgesamt könnte es ein nützliches Instrument sein, seine Emotionen, ob positiv oder negativ, mit einer akzeptierenden Haltung zu erleben, um nach Glück zu streben und das Wohlbefinden zu steigern.“ Dazu sollte auch der Leistungsdruck vermieden werden, der gerne entsteht, wenn man sich mit anderen vergleicht.

Auf diesen Punkt macht Redakteur Rainer Harf in der „GEO“ aufmerksam und zitiert dafür die Erstautorin Zerwas: „Dass Menschen zu viel über ihr eigenes Glücksniveau nachdenken, könnte auf der Angst gründen, nicht gut genug abzuschneiden, also nicht so glücklich zu sein wie andere Menschen.“

Der Wissenschaftsredakteur Harro Albrecht, der über die Studie in der „Zeit“ berichtet, betont die Bedeutung der kritischen Selbstbefragung für das eigene Wohlbefinden und endet seine Überlegungen mit einem Zitat von Theodor Fontane: „Wenn man glücklich ist, soll man nicht noch glücklicher sein wollen.“

Was in Sachen Glück wirklich helfen kann

Was in Sachen Glück also helfen kann, ist Selbstakzeptanz, Konzentration auf das Selbst statt Vergleiche mit anderen und Genügsamkeit. Als Erinnerung daran sind die Philosophen der Antike eine sehr gute Quelle. Von ihnen können wir lernen, unsere Bedürfnisse auf das ausreichende Minimum zu reduzieren. Die Kyniker, eine Gruppe von Wanderpredigern, nahmen das Motto, „nicht besitzen, um nicht besessen zu werden“ besonders ernst und reduzierten sich auf einen Mantel, einen Stock und eine Schale.

Von Diogenes, dem Philosophen, den wir mit einer Tonne als Wohnort in Verbindung bringen und der ebenfalls Kyniker war, wird berichtet, er habe sogar noch auf die Schale verzichtet, als er sah, wie jemand die Hände nutzte, um zu trinken.

Von ihnen lässt sich zudem lernen, den Blick von Außen auf das Innen zu lenken und uns auf das zu konzentrieren, was wirklich in unserer Macht steht. Nachdenken ist dazu erforderlich, jedoch sollte dieses Nachdenken sich nicht in bloßen Möglichkeiten verlieren, sondern mit beiden Füßen in der gegenwärtigen Situation verankert sein. Oder mit den Worten Senecas: „Glückselig also ist, wer ein richtiges Urteil hat, glückselig ist, wer mit dem Gegenwärtigen, wie es auch immer sei, zufrieden und mit seinen Verhältnissen befreundet ist."

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