Werbung

"Pietätlos" und "daneben": Zuschauer-Ärger über Queen-Debatte bei "Hart aber fair"

"Was ich nicht mag und vor allem medial nicht mag, ist, wenn man sich dem ganzen Thema Monarchie so unkritisch nähert wie das häufig getan wird, weil aus meiner Sicht auch immer bedeutet, dass man sich positiv auf Massenmörder bezieht", sagte der Journalist Sascha Lobo. (Bild: ARD)
"Was ich nicht mag und vor allem medial nicht mag, ist, wenn man sich dem ganzen Thema Monarchie so unkritisch nähert wie das häufig getan wird, weil aus meiner Sicht auch immer bedeutet, dass man sich positiv auf Massenmörder bezieht", sagte der Journalist Sascha Lobo. (Bild: ARD)

Am Montag wurde Queen Elizabeth II. bestattet. Nach einer stundenlangen Live-Berichterstattung aus London und Windsor beschäftigte sich auch die Polit-Talkshow "Hart aber fair" im Ersten mit dem Thema. Bei den Zuschauerinnen und Zuschauern kam dies alles andere als gut an.

Weltweit ist Tod von Queen Elizabeth II. seit knapp zwei Wochen eines der prägenden Schlagzeilenthemen. Am Montag, dem Tag ihrer Beisetzung, kam auch die Polit-Talkshow "Hart aber fair" (ARD) nicht umhin, die zeitgeschichtliche Zäsur der Briten aufzugreifen.

Wie es in der von Frank Plasberg moderierten Sendereihe üblich ist, kam die Kontroverse dabei nicht zu kurz. "Der Queen-Abschied: Warum immer noch der Kult um Königshäuser?", war bereits der Sendungstitel provokant gewählt. "Was fasziniert heute noch so am Tamtam um Adel und Königshäuser? Zeigte die Queen, warum auch die Demokratie von einer Monarchie profitieren kann? Und täten auch uns solche Vorbilder gut?" Das waren drei der zentralen Fragestellungen, die Moderator Frank Plasberg mit seinen Gästen diskutierte. Das Publikums-Echo jedoch fiel größtenteils verheerend aus.

Nach der Beisetzung der Queen diskutierte Frank Plasberg (von rechts) am Montag bei "hart aber fair" mit dem britischen Bestseller-Autor James Hawes, der Adelsexpertin Mareile Höppner, dem Kolumnisten Sascha Lobo und der Vizepräsidentin des EU Parlaments Katarina Barley. (Bild: ARD)
Nach der Beisetzung der Queen diskutierte Frank Plasberg (von rechts) am Montag bei "hart aber fair" mit dem britischen Bestseller-Autor James Hawes, der Adelsexpertin Mareile Höppner, dem Kolumnisten Sascha Lobo und der Vizepräsidentin des EU Parlaments Katarina Barley. (Bild: ARD)

Bekommt das Thema zu viel Aufmerksamkeit?

Schon bevor die "Hart aber fair"-Ausgabe startete, erntete die Redaktion erste Kritik: "Ich bin froh, wenn diese Sondersendungen auf allen Kanälen vorbei sind und die Queen zur letzten Ruhe gebettet ist", kommentierte etwa eine Nutzerin in Bezug auf das Fernsehprogramm von ARD, ZDF und weiteren Sendern in den vergangenen Tagen.

Ein anderer Nutzer kritisierte ebenfalls die Themenauswahl: "'Hart aber fair' heißt die Sendung. Ich dachte, da geht es um wirklich wichtige Themen der Zeit. Man könnte auch mal ein Thema abseits von Krieg oder Klima nehmen, nämlich die Sorgen und Nöte der deutschen Bevölkerung."

Die verantwortliche Redaktion sah sich zu einer Stellungnahme genötigt und antwortete: "Die explodierenden Kosten, insbesondere im Bereich der Energie, hat hart aber fair in den vergangenen Monaten immer wieder zum Thema gemacht. In drei der sechs Sendungen wurde dieses Thema behandelt - und wird es auch in Zukunft wieder. Wenn aber eine europäische Monarchin stirbt, die während 70 Jahren europäischer Geschichte auf dem britischen Thron saß und die Zeremonien rund um ihren Tod das Interesse von Millionen von Menschen erregen, dann ist es selbst in dieser Zeit möglich, dazu eine Sendung zu machen."

Der SWR-Hörfunk-Redakteur Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny verstand die Kritik an der Bienen-Tradition des britischen Königshauses nicht: "Imker haben eine besondere Beziehung zu ihren Bienen!" (Bild: ARD)
Der SWR-Hörfunk-Redakteur Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny verstand die Kritik an der Bienen-Tradition des britischen Königshauses nicht: "Imker haben eine besondere Beziehung zu ihren Bienen!" (Bild: ARD)

"Wie daneben ist denn dieses Thema an dem Tag der Beerdigung"

Doch es war nicht nur die Omnipräsenz des Themas, an welcher sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer störten: "Wie daneben ist denn dieses Thema an dem Tag der Beerdigung", fragte eine Facebook-Nutzerin: "Mit welchem Recht urteilen wir über etwas, was ganz allein Thema der Briten ist?" Etliche weitere Kommentatoren empfanden die Diskussion wenige Stunden nach der Beisetzung der 96-jährig verstorbenen Monarchin als "pietätlos", "sowas von daneben" oder gar "unter aller Sau".

Auf Twitter sah sich ein Nutzer sogar zu einer stellvertretenden Entschuldigung gezwungen: "Liebe Briten", schrieb er auf Englisch: "bitte nehmt meine aufrichtige Entschuldigung für die derzeit laufende Sendung #hartaberfair und die unerträglichen Aussagen der dort sprechenden Personen an. Insbesondere für das rüpelhafte Verhalten von #SaschaLobo".

"Kann man diesem Herrn Lobo nicht einmal Einhalt gebieten"

Tatsächlich war es vor allem der Journalist und Blogger Sascha Lobo, der mit seinen Aussagen polarisierte: "Ich finde es unmöglich von ARD und Plasberg, dieses Thema mit einem ungehobelten und äußerst unangenehmen 'Herrn' Sascha Lobo schon ein paar Stunden nach der Beerdigung zu behandeln", schrieb eine Person auf Facebook. Auch andere empfanden die harsche Kritik an der Queen und dem dahinterstehenden System als "unverschämt", respektlos und geschmacklos. "Entschuldigung, aber kann man diesem Herrn Lobo nicht einmal Einhalt gebieten?", fragt eine Nutzerin bei Facebook.

Selbst der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff sah sich zu einem Statement genötigt: "Ich mag @saschalobo auch dann, wenn ich anderer Meinung bin als er", twitterte er: "Aber heute lässt er viele der Eigenschaften vermissen, die #QueenElizabeth auszeichneten und eigentlich jedem gut zu Gesichte stünden: Pietät, Maß und Humor. Heute irgendwie unpassend."

Ist König Charles ein "Hitzkopf"?

Lobo hatte bei "hart aber fair" vor allem jene Kritikpunkte an der Queen wiederholt, die seit ihrem Tod am 8. September vor allem online vielfach diskutiert wurden: "Unter den Vorfahren von Elizabeth fanden sich eine ganze Reihe von Menschen, die furchtbare Verbrechen begangen haben", argumentierte der 47-Jährige in Bezug auf die Taten des ehemaligen British Empires: So zu tun, als sei die Beerdigung der Queen "ein großer Tag, ein Symbol, das so gar nichts zu tun hat mit Kolonialismus, mit Rassismus, mit Sklaverei - das finde ich falsch", fuhr er fort.

Er könne zwar verstehen, dass viele Menschen vom Tod der Queen betroffen seien, aber die Tatsache, dass "die Queen es nicht geschafft hat, sich in 70 Jahren maßgeblich zu entschuldigen für die Verbrechen, die von dem System begangenen worden sind, das sie repräsentiert", sei keine "Lebensleistung, die man feiern kann".

Auch zwei der ersten öffentlichen Auftritte ihres Sohnes, König Charles III., kritisierte Lobo: "Ich halte diese beiden Szenen für vielsagend", beurteilte er einen Auftritt Charles, bei dem er ungeniert über einen auslaufenden Füller schimpft, sowie jenen Auftritt, bei welchem er mit einer Geste anordnete, ein Tintenfass vom Tisch zu entfernen, damit er Dokumente unterzeichnen kann.

Noch vielsagender sei allerdings die Gestik von Charles' "Untergebenem, der ihm ganz zart auf die Schulter tatschte. Man sieht an der Bewegung, an der Dynamik der beiden Personen: Das macht er nicht zu ersten Mal und auch nicht zum zweiten Mal, sondern das passiert ganz offensichtlich häufiger." Natürlich trauere Charles um seine Mutter, doch das allein sei keine Entschuldigung: "Ich glaube, da tritt ein Charakter durch, der aus meiner Sicht so ein bisschen in Richtung Hitzkopf deutet."

Lobo amüsiert sich über "absurde Tradition"

Zuletzt ließ sich der Mann mit der ikonischen Irokesen-Frisur noch über eine, seiner Meinung nach, "lächerliche Tradition" des britischen Königshauses aus: "Es gibt eine absurde Tradition, dass der königliche Imker die Pflicht hat, die Bienen der Königin über den Tod ihrer Majestät zu informieren. Und dann wurde eine Pressemitteilung herausgegeben, dass er das in gesetztem Ton getan habe."

Der bei "Hart aber fair" zugeschaltete SWR-Hörfunkredakteuer Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny sah darin allerdings gar nichts Ungewöhnliches: "Ich bin selber Imker, ich kenne viele Imker. Und ich weiß noch aus meiner Kindheit im Allgäu: Wenn da ein Bauer gestorben ist, der Bienen hatte, dann ist sein Sohn an den Bienenstock gegangen und hat den Bienen gesagt: 'Passt auf, der Bauer ist tot, jetzt bin ich der Bauer!'" An Lobo gewandt fragte er: "Warum ist eine Tradition lächerlich, nur weil sie die Königin ist?" Auf den Einwand, dass Bienen nicht sprechen könnten, fuhr er fort: "Imker haben eine besondere Beziehung zu ihren Bienen!"