„Pilzsepsis“ droht - Forscher entdecken neuen Candida-auris-Pilz – was das bedeutet

Der Pilz Candida auris breitet sich überall aus – auch in Deutschland. Gesundheitsbehörden sind alarmiert, weil er immun gegen diverse Medikamente ist. Nun haben Forscher einen neuen Typ von Candida auris entdeckt. Was das bedeutet.

Der Pilz Candida auris ist seit Jahren auf dem Vormarsch. Allein in Deutschland wurde er im vergangenen Jahr 77 mal nachgewiesen. Laut Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) damit sechsmal häufiger als in den Vorjahren. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der Infektionen aber viel höher ist.

Gefährlich ist der Hefepilz Candida auris vor allem für immunschwache, vorerkrankte und schwerkranke Menschen. Daher wird er immer mehr in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und Intensivstationen zum Problem. Denn er ist hochansteckend und von Mensch zu Mensch übertragbar sowie durch Schmierinfektionen über kontaminierte Oberflächen und Gegenstände.

Infektionen von Gewebe, Gelenkprothesen bis hin zu Blutvergiftung

Die Symptome nach einer Infektion mit Candida auris sind unterschiedlich. Laut dem Portal „ Netdoktor.de “ können sie Beschwerden ähneln, die Infektion mit andern Pilzen oder Bakterien in Verbindung gebracht werden. So kann der Pilz unter anderem

  • Ohrinfektionen mit Schmerzen, Juckreiz und Überwärmung

  • Wundinfektionen mit Rötung, Schwellung und Schmerzen

  • schmerzhafte Harnwegsinfekte mit Brennen, Harndrang und Trübung des Urins

auslösen. Gelangt der Erreger etwa in den Blutkreislauf, kann es zu einer Blutvergiftung („Pilzsepsis“) kommen, die häufig tödlich endet. Auch Fremdmaterialien im Körper kann der Pilz befallen wie etwa Gelenkprothesen, Katheter – gerade diese Infektionen lassen sich nur schwer behandeln.

Candida auris resistent gegen verschiedene Anti-Pilz-Medikamente

Das Problem: Candida auris ist gegen einige Antimykotika – Medikamente zur Bekämpfung von Pilzbefall – und Desinfektionsmittel resistent. Mediziner müssen daher mehrere Wirkstoffe in hoher Dosierung kombinieren, damit der Erreger sich beseitigen lässt.

Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 2022 darauf hingewiesen, dass der Pilz Priorität für Forschung und Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit haben sollte. Auch der US-Center for Disease Control and Prevention (CDC) hat den Pilz als „Bedrohung durch antimikrobielle Resistenz“ eingestuft.

Forscher finden neuen Typ bei Test im Krankenhaus in Singapur

Nun haben Forscher aus Singapur eine beunruhigende Entdeckung gemacht: Sie haben einen neuen Typ des Pilzes Candida auris gefunden – also eine neue Klade, somit die sechste weltweit. Sie wurde bereits 2023 bei einem Patienten im Singapore General Hospital (SGH) nachgewiesen, der positiv auf Candida auris getestet wurde.

Das Klinikum hat ein aktives Überwachungsprogramm diesbezüglich eingeführt, das Patienten innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme auf den Pilz testet. Damit soll die Ausbreitung eingedämmt werden. Denn gerade an einem Ort wie Singapur, der als Knotenpunkt vieler internationaler Reisender gilt, sei eine Überwachung neu auftretender Bedrohungen in der öffentlichen Gesundheit besonders wichtig, heißt es in der Studie dazu, die im Fachblatt „ The Lancet “ veröffentlicht wurde.

Genanalysen zeigten, dass der Pilz nicht mit bisherigen Kladen übereinstimmte

Das Interessante an dem Fall laut den Wissenschaftlern: Obwohl der Pilz häufig mit Auslandsreisen in Zusammenhang steht, sei der betroffene Patient in den letzten zwei Jahren vor seiner Hospitalisierung gar nicht gereist. Das machte die Forscher stutzig und sie stellten weitere Untersuchungen an.

Gen-Analysen zeigten dann, dass der gefundene Candida auris nicht mit den bisher identifizierten fünf Kladen übereinstimmte. Sie sind nach den geographischen Zonen, in denen sie gefunden wurden, benannt:

  • Süd-Asien

  • Ost-Asien

  • Afrika

  • Südamerika

  • Iran

Nach weiteren Recherchen im Archiv und in Datenbanken fanden die Forscher noch tatsächlich zwei weitere Fälle im Singapore Hospital sowie einen in Bangladesh, die alle genetisch mit dem ersten Fund übereinstimmten.

Noch unklar, ob sechste Klade gefährlicher ist

Ob die sechste Klade gefährlicher ist als die anderen, wissen die Forscher noch nicht. Es sei noch unklar, wie weit verbreitet die neue Klade sei und ob sie das Potenzial habe, invasive Infektionen und Ausbrüche zu verursachen. Aus Gründen der Patientensicherheit sei es aber zwingend erforderlich, die frühzeitige Erkennung und Eindämmung der neuen Klade sicherzustellen. Die gute Nachricht ist aber: Der Pilz reagierte gegenüber allen getesteten Antimykotika empfindlich, heißt es in der Studie.

Eine Entwarnung ist dies dennoch nicht: „Nachdem wir nun die sechste Candida-auris-Klade entdeckt haben, besteht dringender Bedarf, die Überwachungsmöglichkeiten zu verbessern“, sagte Karrie Ko, Co-Erstautorin der Studie. Auch müsste man schnellstmöglich neue Methoden entwickeln, um die aktuellen Überwachungsstrategien zu ergänzen, damit Gesundheitseinrichtungen das Auftreten der Krankheit genau beobachten und ihre Ausbreitung eindämmen können“, forderte die Medizinerin.

Forscher drängen bei Candida auris auf generelle Meldepflicht

Das gilt auch für Deutschland. Zwar wurde in Deutschland im vergangenen Jahr eine Meldepflicht für den Nachweis von Candida auris aus Blut und primär sterilen Materialien sowie von Ausbruchsgeschehen eingeführt. Eine generelle Meldepflicht für jeden Labornachweis könnte aber die Ausbreitung des Pilzes besser bremsen - genauso wie umfassenden Tests auf Candida auris.

„Die frühzeitige und konsequente Implementation von Screenings und Hygienemaßnahmen bei allen Candida-auris-Nachweisen, unabhängig von ihrer klinischen Relevanz, könnte durch eine generelle Meldepflicht verbessert werden und eine weitere Ausbreitung von Candida auris unterbinden“, heißt es dazu im Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts vom Mai 2024.