"Politik ist brutal": Kevin Kühnerts Klartext bei Lanz

In welchen Momenten trifft der Mensch wichtige Lebensentscheidungen? Bei Kevin Kühnert, junge Hoffnung der alten Partei SPD, war es eine einsame Alpen-Wanderung. Bei Markus Lanz redete der 30-Jährige Klartext über seinen Verzicht auf den Partei-Vorsitz.

Als "K gegen K"-Duell, Krawatte gegen Kapuzenpulli, moderierte Markus Lanz am späten Dienstagabend den Gegensatz zwischen Vizekanzler und GroKo-Befürworter Olaf Scholz und Nachwuchshoffnung Kevin Kühnert an, den er im Studio zu Gast hatte. Mit Pokerface nahm der 30-jährige Juso-Vorsitzende diesen moderativen Aufhänger zur Kenntnis, wurde aber im Laufe der Sendung doch noch "geständig". Im August, während einer tagelangen Wanderung alleine durch die Alpen, zwischen Großglockner und Slowenien, habe er den Entschluss gefasst, nicht für das Amt des SPD-Vorsitzenden zu kandidieren. "Politik ist brutal", lautete ein ausgesprochener Gedanke Kühnerts, der hinter seinem Entschluss stehen mag.

Allerdings ließ sich der GroKo-Gegner dennoch ein Hintertürchen für ein neues, einflussreicheres Amt in der SPD offen. "Ich kann nicht zwei Jahre lang das Maul aufreißen und dann hinterher sagen, die Finger dürfen sich andere schmutzig machen", ließ er wissen und eröffnete damit Spekulationen Raum, dass er womöglich ein anderes Amt im Visier haben könnte - womöglich den Posten als SPD-Generalsekretär. In Sachen SPD-Vorsitz unterstützt Kühnert die Kandidatur Norbert Walter-Borjans und Saskia Eskens. Einen angeblichen Deal mit dem Bewerberduo dementierte er allerdings.

"Ich fahre dann gerade S-Bahn"

"Ich leide nicht an Größenwahn. Ich habe nie behauptet, ich bin der Erlöser", gab sich Kühnert bei Lanz entspannt bis demütig. Der Moderator unterstellte ihm, dass er bei seiner etwa zehntägigen Wanderung doch sicher permanent über eine Ja-Nein-Eintscheidung nachgedacht hätte. Dies verneinte Kühnert und behauptete, die Frage sei eher "hier und da mal hochgeploppt". Während der Vertiefung des Gesprächs gab die SPD-Hoffnung allerdings zu, dass fehlende Erfahrung und Strukturen in der Partei wohl ebenfalls ausschlaggebend für sein "Nein" waren. Er habe keine 20 Jahre gehabt, um sich auf diesen Moment vorzubereiten, habe noch nicht mal ein Abgeordneten-Amt inne und auch keine schwarze Limousine, in der er zwischen zwei Terminen Telefonate nacharbeiten könne. Er fahre in jener Zeit, in der etabliertere Amtsträger solche Dinge täten, gerade mit der S-Bahn. Offenbar, so kann man Kühnerts Selbstanalyse bei Lanz verstehen, reifte beim 30-Jährigen zwischen Großglockner und Slowenien auch die Überzeugung, dass es ihm an Rückhalt im "brutalen" Politikgeschäft und insbesondere seiner Partei-Granden fehlen könne.