Politik-Experte nach US-Wahl - Ist die Ukraine verloren? Republikanischer Thinktank legt Trump harten Kurswechsel nah

Für die Ukraine ist entscheidend, wie der neue US-Präsident Donald Trump ab Januar den russischen Angriffskrieg bewertet und darauf reagiert.<span class="copyright">Getty Images/Pool/Buena Vista Images/huettenhoelscher/Joachim Krause</span>
Für die Ukraine ist entscheidend, wie der neue US-Präsident Donald Trump ab Januar den russischen Angriffskrieg bewertet und darauf reagiert.Getty Images/Pool/Buena Vista Images/huettenhoelscher/Joachim Krause

Was bedeutet Donald Trumps Rückkehr für die Ukraine? Der nächste US-Präsident könnte den Krieg mit Russland beeinflussen – positiv oder negativ. Politik-Experte Joachim Krause beleuchtet mögliche Szenarien.

Für die Ukraine wird es von existenzieller Bedeutung sein, wie sich der neue US-Präsident Donald Trump ab Ende Januar zu dem Angriffskrieg Russlands stellt. Pessimisten sehen in Donald Trump einen Mann, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen dessen Machtfülle und Reichtum bewundert und der nur Verachtung für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj empfinde. Sie befürchten, dass Trump der Ukraine die Unterstützung entzieht.

Wenn dieser Fall eintritt, so wäre das das Ende des militärischen Widerstands der Ukraine. Die Europäer wären nicht in der Lage, die Rolle der USA zu übernehmen. Die Folgen wären absehbar: Millionen von Flüchtlingen und der nächste Eroberungskrieg Russlands gegen Nachbarländer wären dann nur noch eine Frage der Zeit.

Eine andere pessimistische Variante läuft darauf hinaus, dass die neue US-Administration den Ukrainern einen Waffenstillstand entlang der derzeitigen Frontlinie aufzwingt, um sich dann aus seinen Verpflichtungen gegenüber dem Land zurückzuziehen. Kurzfristig könnte sich Putin darauf einlassen. Nach einiger Zeit dürfte er den Krieg gegen die Ukraine wieder aufnehmen, die dann ohne amerikanische Hilfe ziemlich wehrlos dastünde.

Der Weg zu Friedensverhandlungen

Optimisten sehen das anders und verweisen auf ein Papier des „America-First-Instituts“, welches mittlerweile der wichtigste Thinktank der Trump-Anhänger geworden ist. In einem Papier des Gründers dieses Instituts, Fred Fleitz, und des früheren Sicherheitsberaters von Vizepräsident Pence, Keith Kellog, vom April dieses Jahres legen beide ihre Überlegungen zur Beendigung des Krieges dar.

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Sie kritisieren die derzeitige Politik der Biden-Administration, weil diese keine Perspektive für ein Ende des Krieges aufweise und sie befürchten, dass die USA in einen langwierigen Stellvertreterkrieg mit Russland hineingezogen werden. Sie fordern eine Änderung der US-Politik mit dem Ziel, erst einen Waffenstillstand und dann eine Verhandlungslösung des Ukraine-Konflikts anzustreben.

Zu Beginn soll es einen von Präsident Trump persönlich vermittelten Waffenstillstand entlang der Frontlinie geben. Die Vereinigten Staaten würden die Ukraine weiter bewaffnen und ihre Verteidigung stärken, um sicherzustellen, dass Russland nach einem Waffenstillstand nicht wieder angreift. Künftige amerikanische Militärhilfe soll jedoch unter der Voraussetzung stehen, dass die Ukraine an Friedensgesprächen mit Russland teilnimmt.

Um Putin von den Friedensgesprächen zu überzeugen, sollten die USA und andere Staats- und Regierungschefs der Nato anbieten, die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine für einen längeren Zeitraum aufzuschieben und die Sanktionen ein wenig zu lockern. Die Ukraine würde nicht aufgefordert werden, das Ziel der Rückeroberung ihres gesamten Territoriums aufzugeben. Aber sie müsse sich bereit erklären, dieses Ziel auf diplomatischem Weg zu erreichen.

Die Aufhebung der gegen Russland gerichteten westlichen Sanktionen würde dann stattfinden, wenn über die Rückgabe der Gebiete eine diplomatische Lösung (der „Endzustand“) gefunden wäre, die für die Ukraine akzeptabel sei. Solange das nicht der Fall sei, sollten auf russische Energieverkäufe Abgaben erhoben werden, um den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren.

Die Verfasser glauben, dass diese Politik die Ukraine in die Lage versetzen würde, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln. Wie das geschehen soll, wird nicht erklärt. Putin ist nach allen bisherigen Erkenntnissen nur bereit, über die Kapitulation der Ukraine zu verhandeln. Wie Trump das ändern soll, bleibt unklar.

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Die Autoren haben aber in einem Punkt durchaus recht: die bisherige Politik der westlichen Staaten läuft darauf hinaus, dass die Ukraine in einem langwierigen Abnutzungskrieg früher ausblutet als Russland. Um das zu verhindern, sollte man durchaus in Richtung eines Waffenstillstands denken, der dem derzeitigen Frontverlauf entspricht. Das wäre für die Ukraine schmerzhaft, aber immer noch besser als die Alternative des Ausblutens.

Kann eine Sicherheitsarchitektur für die Ukraine Frieden bringen?

Für die Ukraine wäre ein derartiger Waffenstillstand aber nur dann möglich, wenn es bindende, existenzielle Sicherheitsgarantien der USA oder der Nato für sein Überleben gibt. An dieser Stelle bleibt das America-First Papier leider schmallippig. Es spricht zwar von einer „Sicherheitsarchitektur für die Verteidigung der Ukraine“, die sich auf „bilaterale Sicherheitsverteidigung konzentriert,“ aber die soll erst Teil des „Endzustands“ sein, also nachdem sich Russland und die Ukraine auf die Rückgabe ukrainischen Gebiets geeinigt hätten (was ziemlich unwahrscheinlich ist, vor allem angesichts der in Aussicht gestellten bilateralen Sicherheitsvereinbarung).

Anders wäre es gewesen, wenn die Autoren gefordert hätten, dass ein starker US-Präsident den Kongress davon überzeugt, ein Waffenstillstandsabkommen mit einer eindeutigen Sicherheitsgarantie zu verbinden – so wie 1953 bei der Beendigung des Koreakrieges geschehen.

Dennoch zeigen diese Überlegungen, dass eine Trump-Administration nicht notwendigerweise eine Putin-orientierte Politik betrieben muss. Welchem der Ratschläge in Sache Ukraine-Krieg Trump folgen wird, weiß nur er selber und er geht meistens seinem Instinkt nach. Eines ist dabei sicher: was das Ende des Ukraine-Krieges betrifft, möchte Donald Trump nicht als „loser“ dastehen. Das gibt vielleicht derzeit der Ukraine Hoffnung.