Politkowskaja-Ermordung: Verurteilter nach Kampf in der Ukraine von Putin begnadigt
Ein wegen seiner Rolle bei der Ermordung der Investigativjournalistin Anna Politkowskaja zu 20 Jahren Haft verurteilter früherer russischer Polizist ist begnadigt worden, nachdem er in der Ukraine gekämpft hat. Sergej Chadschikurbanow sei zu Beginn der russischen Offensive in der Ukraine angeboten worden, sich den russischen Streitkräften anzuschließen, sagte sein Anwalt am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Dies habe Chadschikurbanow getan "und als der Vertrag auslief, wurde er auf Erlass des Präsidenten (Wladimir Putin) begnadigt". Politkowskajas Kinder und ihr ehemaliger Arbeitgeber kritisierten das Vorgehen "als monströse Ungerechtigkeit".
Chadschikurbanow war einer von fünf Menschen, die wegen des 2006 verübten Mordes an Politkowskaja im Gefängnis saßen. Er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und hätte die Strafe nach Angaben seines Anwalts eigentlich noch bis zum Jahr 2030 absitzen müssen. Aufgrund seiner Erfahrung in einer russischen Spezialeinheit sei ihm jedoch ein Vertrag zur Beteiligung an der russischen Offensive in der Ukraine im Gegenzug für eine anschließende Begnadigung angeboten worden, sagte der Anwalt.
Die über Russland hinaus bekannte Kreml-kritische Journalistin Politkowskaja hatte für die in Russland mittlerweile verbotene unabhängige Zeitung "Nowaja Gaseta" gearbeitet, bevor sie im Alter von 48 Jahren in ihrem Moskauer Wohnblock erschossen wurde. Nur die Vollstrecker der Tat wurden verurteilt, die Auftraggeber des Verbrechens wurden nie ermittelt. Kreml-Kritiker und Gegner von Ramsan Kadyrow halten den tschetschenischen Machthaber für den Auftraggeber des Mordes, was dieser stets dementiert hat.
Politkowskajas Kinder und die Redaktion der "Nowaja Gaseta" verurteilten die Begnadigung als "monströse Ungerechtigkeit und Willkür". Damit werde "das Andenken eines Menschen geschändet, der für seine Überzeugung und die Erfüllung seiner beruflichen Pflicht getötet wurde". "Für uns ist diese Begnadigung kein Beweis für die Sühne und Reue des Mörders", erklärten die Familie und die Redaktion.
Der Generalsekretär der Organisation Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire, schrieb im Onlinedienst X, ehemals Twitter, vom "üblichen Zynismus des Kreml-Chefs".
Zehntausende russische Häftlinge haben Verträge mit der Armee oder paramilitärischen Gruppen wie der Söldnertruppe Wagner zum Einsatz in der Ukraine abgeschlossen, wofür ihnen im Gegenzug der Erlass ihrer Strafe zugesagt wurde. In der vergangenen Woche hatte der Kreml dieses Vorgehen bestätigt. Sprecher Dmitri Peskow sagte, Straftäter würden ihre Verbrechen durch den Einsatz in der Ukraine "mit Blut" wieder gutmachen. Russische Medien berichteten über mehrere Fälle, in denen entlassene Häftlinge nach ihrem Ausscheiden aus der Armee schwere Straftaten begangen hätten, darunter auch Morde.
Seinem Anwalt zufolge ist Chadschikurbanow weiterhin an der Front. Er habe in diesem Jahr einen neuen Vertrag als Freiwilliger unterzeichnet und habe inzwischen Kommandofunktionen.
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