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Polizei-Studie zu Rassismus: Seehofer bekräftigt Ablehnung

«Überwältigende Mehrheit der Polizisten und Polizistinnen sind fest auf dem Boden unserer Verfassung»: Horst Seehofer.
«Überwältigende Mehrheit der Polizisten und Polizistinnen sind fest auf dem Boden unserer Verfassung»: Horst Seehofer.

Polizisten in rechtsextremen WhatsApp-Gruppen - diese Vorwürfe sind auch für CSU-Innenminister Seehofer ein «Schlag in die Magengrube». Dennoch bleibt er bei seinem «Nein» zu einer Rassismus-Studie bei der Polizei. Das Thema treibt auch ZDF-Satiriker Jan Böhmermann um.

Berlin (dpa) - Trotz der Ermittlungen zu rechtsextremen Chats von Polizisten in Nordrhein-Westfalen lehnt Bundesinnenminister Horst Seehofer eine Studie zu Rassismus bei der Polizei weiter ab.

Der CSU-Politiker zeigte sich im Interview der «Bild am Sonntag» aber offen für eine breiter angelegte Studie, die sich mit Rassismus in der Gesellschaft befasst. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rief Polizisten dazu auf, rassistischen und rechtsextremen Einstellungen in eigenen Reihen deutlich entgegenzutreten.

In NRW stehen 30 Polizistinnen und Polizisten unter Verdacht, in Chatgruppen rechtsextremes Material ausgetauscht zu haben. Zudem hatte es in Mecklenburg-Vorpommern am Freitag Durchsuchungen bei zwei Beamten wegen rechter Chatgruppen gegeben. Insgesamt werden dort nun 17 Beamte und ein Tarifangestellter der Landespolizei verdächtigt, rechtsextremes Gedankengut in Internet-Chats ausgetauscht zu haben.

Eine Sprecherin des Innenministeriums erklärte: «Bundesinnenminister Seehofer hat mehrfach deutlich gemacht, dass Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus derzeit die größten Bedrohungen für die Sicherheit in Deutschland sind.» Die Bundesregierung habe daher bereits Gesetze verschärft und die Sicherheitsbehörden gestärkt.

Seehofer sagte zu den Vorfällen in NRW: «Das war ein Schlag in die Magengrube». Er sei dennoch überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit der Polizisten und Polizistinnen «fest auf dem Boden unserer Verfassung» stehe. Er bekräftigte: «Eine Studie, die sich ausschließlich mit der Polizei und dem Vorwurf eines strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei beschäftigt, wird es mit mir nicht geben.» Er erklärte: «Hier bedarf es eines wesentlich breiteren Ansatzes für die gesamte Gesellschaft, und an diesem arbeiten wir.»

Die Idee einer umfassenden Rassismus-Studie, die nicht nur die Sicherheitsbehörden, sondern auch andere Bereiche der Gesellschaft betrachtet, ist nicht neu. Sie war bereits Anfang September im neuen Kabinettsausschuss zu Rechtsextremismus und Rassismus diskutiert worden. Migrantenverbände hatten angeregt, auch mögliche rassistische Diskriminierung im Jobcenter oder bei der Wohnungssuche in den Blick zu nehmen. Seehofer hatte vor Monaten zudem den Verfassungsschutz beauftragt, bis Ende September ein Lagebild zu Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden zu erstellen. Seine Weigerung, darüber hinaus Wissenschaftler mit der Untersuchung von rassistischen Einstellungen in der Polizei zu betrauen, stieß nicht nur bei Politikern der SPD, der Linkspartei und der Grünen auf Kritik.

Grünen-Chef Robert Habeck sagte der Funke Mediengruppe (Online Sonntag/Print Montag), eine grundsätzliche Untersuchung sei nicht verkehrt. Sie dürfe aber nicht dazu führen, dass die spezifischen Probleme bei der Polizei aus dem Blick gerieten. Habeck bekräftigte seine Forderung nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten.

Der Satiriker Jan Böhmermann reagierte am Freitag auf Seehofer mit einem beleidigenden Tweet, den er später löschte. Er schrieb dazu bei Twitter: «Ich hab vor Wut drei schlimme Wörter über Horst Seehofer getwittert» und «Ich möchte mich hier nochmal - explizit nicht als Kunstfigur, sondern als Polizistensohn - beim Bundesinnenminister entschuldigen!». Unter dem Hashtag #DankePolizei schrieben am Sonntag zahlreiche Twitter-User über negative Erfahrungen mit der Polizei.

Böhmermann hat mehr als sechs Jahre im Spartensender ZDFneo die Sendung «Neo Magazin Royale» moderiert, am 6. November startet seine neue Show «ZDF Magazin Royale» im Hauptprogramm des ZDF. Ein ZDF-Sprecher teilte am Sonntag mit, die Wortwahl von Böhmermanns Tweets sei «indiskutabel» gewesen. «Jan Böhmermann hat die, wie er selbst sagt, «schlimmen Worte», die er auf seinem privaten Account gepostet hatte, gelöscht und sich dafür entschuldigt.»

Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, ist der Ansicht, dass man mit einer Studie über Extremismus bei der Polizei nicht weiterkomme. «Ähnlich gelagerte Untersuchungen sind in der Vergangenheit auch rasch an methodologische Grenzen gelangt», sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. So sei es «relativ naiv zu glauben, dass rund 300 000 Polizisten in Umfragen oder soziologischen Studien angeben, ob sie extremistische Einstellungen haben». Frei plädierte vielmehr für einen starken Verfassungsschutz und starke Sicherheitsbehörden mit entsprechenden Befugnissen.

Thüringens Regierungschef Ramelow sagte hingegen am Wochenende in Jena, eine wissenschaftliche Analyse zu Rassismus bei der Polizei sei mehr als überfällig. «Gerade im Polizeiapparat ist eine Kultur notwendig, dass man nicht schweigt und nicht wegschaut.»