Polizeigewalt-Debatte: Was darf die Polizei und was nicht?

Über Polizeigewalt wird momentan viel gestritten. Doch was ist eigentlich legitim für Polizisten? Und was sind Rechte sowie Pflichten von Bürgern bei der Begegnung mit der Polizei?

Polizisten bei einer Routinekontrolle auf dem Münchener Hauptbahnhof. (Symbolbild: Getty)
Polizisten bei einer Routinekontrolle auf dem Münchener Hauptbahnhof. (Symbolbild: Getty)

Nicht nur in den USA ist die Diskussion um die Verhältnismäßigkeit der Polizei ein aktuelles Thema. Auch in Deutschland gibt es Fälle von Polizeigewalt. Nachdem gleich drei verschiedene Fälle bekannt wurden, ist das Thema besonders akut. Handyvideos aus Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf zeigen den Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte. Seit drei Tagen trendet der Hashtag #polizeigewalt auf Twitter. In der emotionalen Debatte ist es wichtig, die eigenen Rechte - aber auch die der Polizisten genau zu kennen.

Die drei Videos, die gerade in Deutschland scheinbar unverhältnismäßige Gewalteinsätze von Polizisten zeigen, erschrecken viele Menschen. In Düsseldorf kniete ein Polizist mindestens 30 Sekunden lang auf dem Nacken eines Mannes, der auf dem Boden lag. Dies erinnerte sofort an den brutalen Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd, durch den weltweite anti-rassistische Proteste ausgelöst worden waren. Auch in Deutschland ist diese Praxis für Beamte verboten. Zwar dürfen sie im Notfall einen Verdächtigen am Boden fixieren, Hals und Nacken aber sind dabei tabu.

Auf dem Video aus Frankfurt ist ein Polizist zu sehen, der einem Liegenden in den Rücken tritt. Dieses Verhalten ist niemals rechtmäßig und könnte (dazu gleich mehr) zu einer Anzeige wegen Körperverletzung im Amt führen. Einzig erlaubt ist der sogenannte “Blendschlag” den Polizisten einsetzen dürfen, um einen Angreifer bei unmittelbarer Gefahr zu verwirren. Die liegt aber bei einem am Boden liegenden Menschen nicht vor. Der Fall in Hamburg sorgte für besonders viel Empörung, weil es sich dort um einen 15-jährigen Jungen handelte, der von acht Polizisten zu Boden gerungen wurde.

Alle drei Fälle haben nach ihrem Bekanntwerden zu internen Ermittlungen bei der Polizei geführt. Kritiker bemängeln oft, dass diese Ermittlungen im Sand verlaufen und eingestellt werden. Zahlen belegen dies. So ging aus der Statistik der Staatsanwaltschaften hervor, dass es nur in zwei Prozent der Fälle zu Anklagen wegen Körperverletzung im Dienst kommt. Deshalb fordern die Kritiker schon seit Jahren eine unabhängige Ermittlungsbehörde, an die sich Betroffene wenden können so wie eine Kennzeichnung zur Ermittlung einzelner Beamter.

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Rechte gegenüber der Polizei

Klar ist, dass auch Polizisten sich an Regeln halten müssen. Diese werden in jedem Bundesland durch das Polizei- und Ordnungsrecht (POR) festgelegt. Zu den Vorschriften gehört unter anderem, dass Menschen nicht einfach ohne Anlass kontrolliert werden dürfen. Das bedeutet, wenn man beispielsweise nach dem Ausweis gefragt wird, müssen die Beamten das begründen. Eine Ausnahme ist hier Bayern, dort existiert die sogenannte anlasslose Personenkontrolle. Die Ausweiskontrolle zu verweigern, führt allerdings oft dazu, dass der Prozess länger dauert.

Auch den Rucksack oder eine Tasche darf die Polizei nicht ohne Grund kontrollieren. Wer seine Tasche aber freiwillig öffnet, der hat später nicht mehr die Möglichkeit zu sagen, dass die Kontrolle rechtswidrig war. Sollte bei solch einer Kontrolle etwas gefunden werden, kann vor Gericht dennoch entschieden werden, dass das Interesse des Staates an der Strafverfolgung schwerer wiegt, als das Interesse des Einzelnen.

Auch bei Verkehrskontrollen und Hausdurchsuchungen gilt: Es muss ein Grund vorliegen und auch genannt werden. Ein Auto darf nicht einfach so durchsucht werden, auch Leibesvisitation ist ohne Zustimmung nicht erlaubt, es sei denn, es liegt der direkte Verdacht einer Straftat vor. Die Verweigerung einer Aussage oder der Mithilfe kann sich nicht negativ auf ein etwaiges Urteil auswirken. Oft wird dies fälschlicherweise behauptet, um Druck auszuüben. Man muss aber nicht aktiv an der eigenen Strafverfolgung mitwirken.

So muss man zum Beispiel auch auf Nachfrage nicht die PIN seines Handys herausgeben oder das Smartphone entsperren. Strafbar macht sich aber in jedem Fall, wer sich körperlich gegen die Polizei wehrt. Unabhängig davon, ob deren Verhalten rechtmäßig war. Der Einsatz der Schusswaffe ist in Deutschland nur im größten Notfall erlaubt, wenn also Gefahr für Leib und Leben besteht oder Polizisten eine Straftat mit Waffen oder Sprengstoff nur durch einen Schuss verhindern können.

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Ist Filmen erlaubt?

Die drei Fälle, durch die die aktuelle Debatte angestoßen wurde, bekamen auch deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil sie gefilmt wurden. Grundsätzlich gilt: Das Filmen von Polizeieinsätzen ist nicht verboten. Dennoch haben auch Beamte Persönlichkeitsrechte, die in Betracht gezogen werden müssen.

Ein Paragraph, der häufig von der Polizei als Argument gegen Filmaufnahmen angebracht wird, ist die Vertraulichkeit des Wortes. Durch diesen wird das nicht öffentlich gesprochene Wort per Gesetz geschützt. Deshalb empfiehlt es sich, beim Filmen ausreichend Abstand zu halten, so dass die Gespräche nicht zu hören sind. Man hat zudem jederzeit das Recht, bei einer Polizeikontrolle einen unbeteiligten Zeugen hinzu zu rufen, wenn man das Gefühl hat, unrechtmäßig behandelt zu werden.

Eine Strafanzeige kann man auch gegen Polizisten stellen, dies geschieht bei der Staatsanwaltschaft. Beim Polizeipräsidenten des jeweiligen Bundeslandes kann eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht werden.

Ob sich Polizisten ausweisen müssen, ist je nach Bundesland unterschiedlich. Ist man sich unsicher, ob man es mit echten Polizisten zu tun hat, kann im Notfall sogar die 110 kontaktiert werden - etwa beim Verdacht eines Trickbetrugs.

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