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Polizist mahnt bei "Hart aber fair": "Die Leute nehmen sich immer mehr raus"

Mit der Maskenpflicht ist die Gesellschaft in der Coronakrise einen nächsten Schritt gegangen. Doch kommt bald der Punkt, an dem die Stimmung zu kippen droht? Bei Frank Plasberg diskutierten Prominente, Wissenschaftler und ganz normale Bürger über das Lebensgefühl in Deutschland.

In Deutschland trägt man jetzt Maske. Seit Montag ist in allen Bundesländern ein Schutz von Nase und Mund vorgeschrieben, wo viele Personen auf engem Raum zusammenkommen. Nicht die erste Veränderung, welche die Menschen in den letzten Wochen hinnehmen mussten und die ihnen eine "neue Normalität" aufzwingt. Doch was macht das mit der Gesellschaft? Dieser Frage widmete sich "Hart aber fair" am Montagabend im Ersten. Moderator Frank Plasberg fragte: "Das Virus und wir: Wie erleben Menschen unser Land in der Corona-Krise?"

Zum Talk geladene Gäste waren der Musiker Wolfgang Niedecken, Supermarkt-Kassiererin Jolanta Schlippes, Polizeioberkommissar Martin Feldmann, der Soziologe-Professor Martin Schröder sowie Dr. Susanne Herold, Professorin für Infektionskrankheiten der Lunge am Universitätsklinikum Gießen.

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Gleich zu Beginn machte Plasberg klar: Heute solle es in seinem ARD-Talk mal nicht um Infektionsraten und Reproduktionszahlen gehen, sondern schlicht und einfach die Frage gestellt werden: "Wie geht es Ihnen?". Um das Ende der Sendung vorweg zu nehmen: Allen geht es gut - zumindest die Gäste in der doch sehr zahmen Talkrunde waren sich in dieser Hinsicht einig. Die Coronakrise habe ihnen vor Augen geführt, wie glücklich sie sich mit ihrem bisherigen Leben schätzen können. Dafür seien sie alle sehr dankbar.

Gastronom: "Man hofft, dass es irgendwann weitergeht"

Dass die Corona-Krise jedoch nicht nur dankbare Menschen hervorbringt, zeigte sich im Einzelgespräch Frank Plasbergs mit Helmut Köhnlein, seines Zeichens Familienvater und Besitzer zweier Kneipen in Köln. Das bestimmende Wort seines derzeitigen Lebens: Unsicherheit. Sein Umsatz sei gleich null, seit er am 13. März die Türen seiner Gaststätten schließen musste, zwei Drittel seines Einkommens seien weg. Privat komme er noch einigermaßen über die Runden, so Köhnlein, man habe ein paar Rücklagen, ein kleines Nebeneinkommen, die Kreditraten bei der Bank konnten für eine Weile ausgesetzt werden. Einen Plan habe er nicht, so der Gastronom - nach seinen Zukunftsaussichten gefragt erklärt er, "man hofft, dass es irgendwann weitergeht".

Mit negativen wirtschaftlichen Folgen hat BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken aktuell nicht zu kämpfen. Lediglich eine fehlende Planungssicherheit beklagt der Musiker. Er habe Freunde, die Veranstaltungshallen betreiben. "Die wissen, dass sie bis ins nächste Jahr keine Veranstaltung in ihren Hallen bringen können." Vor allem das Schicksal der nicht so promineten Musiker gehe ihm nahe. "Das ist schon sehr schwer, denn die leben letztendlich von der Hand in den Mund", erklärte Niedecken. Selbst Top-Leute stünden im Moment ohne Engagement und damit ohne Einkommen da.

Wolfgang Niedecken: "Ich denke, dass es noch härter wird"

Sorgen macht sich Niedecken außerdem über die aktuellen Maßnahmen in der Krise. "Eine Zeitlang hatte ich das Gefühl, sie kommen gar nicht an", so der Kölner. Doch dann schienen die Menschen es kapiert zu haben. Die Gefahr sieht der 69-Jährige allerdings darin, dass die Stimmung nun nach und nach kippen könnte. Erste Anzeichen nehme er bereits wahr. "Ich hab' ein bisschen Angst, dass durch diese Lockerungen das in bestimmten Kreisen nicht mehr für voll genommen wird und man nachlässiger wird", so Niedecken.

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Während seines täglichen Waldspaziergangs sehe er immer öfter Jugendliche, die sich nicht mehr an die Vorsichtsmaßnahmen hielten und "ziemlich eng beieinander hängen". So verwundert auch seine Prognose kaum: "Ich denke, dass es noch härter wird." Er gehe davon aus, dass es Rückschläge geben werde. Auch sei der Ton inzwischen aggressiver geworden, sowohl in den Medien also auch in der Politik. "Politiker sind sich nicht mehr so einig, wie sie es zu Beginn waren."

Supermarktkassiererin: Unsicherheit, Angst und Aggressivität nehmen zu

Steht nun also die Stimmung in der Gesellschaft an einem Wendepunkt, wird das anfängliche Verständnis für die Maßnahmen abgelöst von Unverständnis und Frustration? Durchaus möglich, erklärte der Soziologe Martin Schröder. Am Beginn der Krise sei den Menschen klargewesen, dass eine sehr dramatische Situation auf sie zukommen könne. Man habe den dramatischen Verlauf der Pandemie im Ausland beobachten können und sei in einen "Schockmodus" verfallen. Doch wie es immer in diesem Zustand ist, "verliert auch ein Schock irgendwann seine Wirkung", so Schröder.

Auch Polizeioberkommissar Martin Feldmann sieht bereits erste Anzeichen für die Veränderung in der Bevölkerung. Menschen, die von ihm und seinen Kollegen aufgrund eines Fehlverhaltens in Bezug auf die Corona-Maßnahmen angesprochen werden, hätten zu Beginn der Krise noch in den meisten Fällen mit Verständnis reagiert. "So langsam versuchen sich die Leute immer mehr rauszunehmen", beobachtet Feldmann nun einen Wandel. Die Menschen entwickelten nach und nach das Gefühl, schon lange genug "mitgespielt" zu haben. Immer häufiger komme es zu einer "inneren Unruhe", welche die Beamten zu spüren bekämen. "Es wird immer mehr diskutiert", so der Berliner Polizeioberkommissar.

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Lobend erwähnt dagegen Jolanta Schlippes das Verhalten der Bürger. Als Kassiererin sitzt sie an vorderster Front und berichtet, wie sie die Einführung der Maskenpflicht erlebt hat. "Die Kunden sind sehr diszipliniert", so Schlippes. Zwar fühle sie sich ein wenig unwohl und wie in einem Science-Fiction-Film, doch sie mache das Beste daraus. Den Kunden zeige sie, wie man die Masken richtig aufsetzt, einer alten Dame habe sie bereits mit Toilettenpapier ausgeholfen. Doch auch die nach eigenen Angaben stets gut gelaunte Kassiererin sieht die Veränderung immer deutlicher. Die Menschen würden unsicher, hätten Angst und würden teilweise sogar aggressiv.

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