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EU will Postenschacher beenden: Erster Beschluss bei Gipfel

Die Bundesregierung will den Kandidaten der Konservativen für den Kommissionsvorsitz, Jean-Claude Juncker, auch bei Gegenstimmen durchdrücken. Foto: Julien Warnand

Im Streit um Brüsseler Topposten will die Europäische Union eine dauerhafte Spaltung verhindern und deshalb bis Mitte Juli Beschlüsse fällen.

Die Staats- und Regierungschefs planen, am Freitag beim Gipfel in Brüssel gegen britischen Widerstand den früheren luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker als neuen EU-Kommissionspräsidenten zu benennen.

Bei einem Sondertreffen der «Chefs» könnte Mitte Juli dann ein größeres Personalpaket unter Dach und Fach gebracht werden, berichteten EU-Diplomaten am Mittwoch. Dabei geht es um die Nachfolge der Außenbeauftragten Catherine Ashton und des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Im Gespräch ist auch ein ständiger Eurogruppenchef. Insbesondere der italienische Regierungschef Matteo Renzi macht Druck, zu raschen Personalentscheidungen zu kommen.

Die Bundesregierung will beim Sommergipfel Juncker (59) auch gegen Widerstand aus anderen EU-Staaten durchsetzen. «Es ist kein Drama, wenn wir auch nur mit qualifizierter Mehrheit abstimmen werden», sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag angesichts der Widerstände vor allem aus Großbritannien und Ungarn. Sie sprach sich auch klar gegen eine Lockerung der Euro-Stabilitätskriterien aus.

Der Gipfel wird am Donnerstag mit einer Gedenkfeier im flämischen Ypern beginnen. Dort starben während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 etwa eine halbe Million Soldaten. Bei einem Abendessen wollen die «Chefs» über die strategische Ausrichtung der Union bis 2019 beraten.

Merkel kündigte vor dem Treffen ein «überzeugendes Paket aus inhaltlichen Prioritäten und ersten Personalentscheidungen» an. Alle Konsultationen sollten in einem «europäischen Geist» erfolgen, die Anliegen aller Mitgliedstaaten würden ernst genommen.

Die CDU-Chefin bekräftigte, dass die Bundesregierung Juncker als Kandidaten der konservativen Parteien unterstützen werde. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: «Niemand will, dass Großbritannien die EU verlässt. Aber es kann auch kein Vetorecht gegen erfolgreiche Spitzenkandidaten geben.»

Bei einem Sondertreffen im Juli könnte der britische Premierminister David Cameron «wieder mit ins Boot geholt» werden, so Diplomaten in Brüssel. Der konservative Politiker verlangt auch eine förmliche Abstimmung in der Gipfelrunde. Das ist ein Novum. Bisher wurde der Chef der EU-Behörde einvernehmlich nominiert.

Als Kandidatin für den EU-Ratsvorsitz ist unter anderen die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt im Gespräch. Nach Angaben der Zeitung «Die Welt» soll der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos neuer Chef der Eurogruppe werden. Er wäre dann Nachfolger des Niederländers Jeroen Dijsselbloem, dessen Mandat offiziell noch bis Mitte 2015 läuft.

Mit Blick auf die Debatte über den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sagte Merkel, dieser biete hervorragende Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung. Er enthalte Leitplanken und Grenzen, aber auch eine Vielzahl flexibler Instrumente: «Beides müssen wir nutzen.» In der EU fordern etwa Frankreich und Italien stärkere Wachstumsimpulse.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte mit Blick auf den Stabilitätspakt: «Ich habe keine Regierung gesehen, die vorgeschlagen hat, die Regeln zu ändern.» Die Kommission als Hüterin der gemeinsamen Währung wende die Regeln bereits flexibel an - so habe sie Defizitsündern bereits mehr Zeit zum Sparen eingeräumt.

Am Freitag werden die Staatenlenker die Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine, Georgien und Moldau unterzeichnen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wird mit den «Chefs» über die Lage in seinem Land sprechen. Beim Gipfel geht es auch um die Frage, ob Sanktionen gegen Russland verschärft werden sollen - Diplomaten halten dies im Moment für unwahrscheinlich.