Belgrad plant "fast vollständige Entwaffnung" von Privatpersonen
Nach zwei Schusswaffenangriffen in Serbien innerhalb von weniger als 48 Stunden hat Staatschef Aleksandar Vucic eine großangelegte Entwaffnungskampagne für den Balkanstaat angekündigt. Geplant sei "eine fast vollständige Entwaffnung" von Privatpersonen, sagte Vucic am Freitag. Die Regierung kündigte eine Verschärfung des Waffengesetzes an. Am Mittwoch hatte ein 13-Jähriger an einer Schule in Belgrad neun Menschen erschossen, in der Nacht zu Freitag erschoss ein junger Mann in mehreren Dörfern acht Menschen.
"Wir werden eine fast vollständige Entwaffnung von Serbien vornehmen", sagte Vucic bei einer Pressekonferenz. "Dies ist ein Angriff auf unser ganzes Land, und jeder Bürger spürt das", betonte Vucic. Die Kampagne umfasse sowohl die massenhafte Überprüfung registrierter Waffen als auch ein verstärktes Vorgehen gegen illegalen Waffenbesitz. Auf diese Weise sollten hunderttausende Schusswaffen aus dem Verkehr gezogen werden.
Nach Regierungsangaben sind in dem 6,8-Millionen-Einwohner-Land mehr als 760.000 Feuerwaffen registriert. Auch als Folge der Jugoslawien-Kriege in den 90er Jahren sind in der Region viele Waffen im Umlauf. Waffen und Schießstände sind in Serbien beliebt. Allerdings ist ein Waffenschein Voraussetzung für den Besitz von Feuerwaffen.
Am Freitag beauftragte die Regierung das Innenministerium mit der dringenden Vorbereitung einer Änderung des Waffengesetzes. Die Bedingungen für den Besitz von Kurzwaffen - Pistolen und Handfeuerwaffen - sollen demnach verschärft werden. Durch die Maßnahme solle die Anzahl solcher Waffen im Besitz von Unternehmen und Privatpersonen um 90 Prozent reduziert werden, hieß es in einer Erklärung der Regierung.
Außerdem solle vorübergehend eine Amnestie bei der Abgabe von Waffen herrschen: Wer illegal Waffen oder Sprengkörper besitzt, solle diese abgeben können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Geplant seien zudem höhere Haftstrafen für die illegale Herstellung, den Besitz, das Tragen und den Handel mit Waffen.
Die Ankündigungen erfolgten nach zwei schrecklichen Bluttaten: In der Nacht zu Freitag wurden acht Menschen getötet und 14 weitere verletzt, als ein Mann nahe der Stadt Mladenovac aus einem fahrenden Auto heraus feuerte.
Der 21 Jahre alte Angreifer schoss gegen Mitternacht mit einer Schnellfeuerwaffe auf Menschen, die sich im Dorf Dubona rund 60 Kilometer südlich der Hauptstadt Belgrad auf einem Schulhof aufhielten. Danach schoss er auch in den Dörfern Malo Orasje et Sepsin auf Menschen und floh dann, wie der Fernsehsender RTS berichtete.
Medienberichten zufolge handelte es sich bei den Opfern vor allem um junge Leute. Serbiens Innenminister Bratislav Gasic bezeichnete die Tat als "terroristischen Akt". Etwa 600 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, Hubschrauber kreisten über dem Gebiet.
Die Polizei startete eine Fahndung und durchkämmte in der Nacht die umliegenden Wälder. Der Tatverdächtige wurde schließlich nahe der zentralserbischen Stadt Kragujevac gefasst, rund 90 Kilometer von den Angriffsorten entfernt.
Laut RTS hielt er sich mit vier Handgranaten und einigen illegal erworbenen Waffen und Munition im Haus eines Verwandten auf. Um zu fliehen habe er zuvor einen Taxifahrer als Geisel genommen, der anschließend die Polizei verständigt habe.
Erst am Mittwoch hatte ein 13-jähriger Schüler in seiner Schule in Belgrad acht Kinder und einen Wachmann erschossen und sieben weitere Menschen verletzt. Der 13-Jährige wurde festgenommen und in eine psychiatrische Klinik eingeliefert.
Vor der Schule in Belgrad legten hunderte Menschen Blumen und Spielzeug nieder und entzündeten Kerzen. Auch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb und in Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas, gedachten Menschen der Toten mit Blumen und Kerzen. Ab Freitag galt in Serbien eine dreitägige Staatstrauer. Papst Franziskus sei "tief betrübt" über die beiden Schusswaffenangriffe, wie der Vatikan mitteilte.
kbh/lan