Fahrbericht Porsche 718 Spyder RS - Der neue Porsche Spyder ist laut, hart und ehrlich – nur das Dach hat seine Nachteile

FOCUS online hat den Porsche 718 Spyder RS für Nostalgiker unter die Lupe genommen. Eine ehrliche Haut, dieser RS – laut, hart, gierig. Aber auch alltagstauglich? Da scheiden sich die Geister.

„Mehr, mach schon, gib mir mehr“ – der 4,0-Liter-Sechszylinder-Boxermotor versteht keinen Spaß, wenn er nicht die volle Ladung Benzin bekommt. Missmutig brummt er bei magerer Kost vor sich hin, fährt dafür aber sehr leise und immer noch sauschnell.

Doch Schnelligkeit und Lautstärke sind ein Thema für sich – der Porsche 718 Spyder RS ist auf Krawall gebürstet. Da schlagen Engelchen und Teufelchen in meiner Brust. „Ihr Traum wird Realität“, steht in der Porsche-Pressemappe. Das Teufelchen lacht, das Engelchen flüstert leise: „Eher ein Alptraum“.

Aber zuerst lasse ich den Nachwuchs zu Wort kommen.

Von 0 auf 100 in 3,4 Sekunden

„Das ideale Auto für die Ferienwohnung am Hockenheimring“, kommentiert mein ältester Sohn trocken den 170.000 Euro teuren Sportwagen und wirft sich auf den Beifahrersitz. Ich bin etwas vorsichtiger, denn der Sitz ist so nah am Boden, dass die Fallhöhe beim Einsteigen enorm ist. Als Beifahrer erlebt er, welche Kraft in dem Auto steckt. Von 0 auf 100 in 3,4 Sekunden, Tempo 200 ist nach 10,9 Sekunden erreicht und auch die Beschleunigung von 80 auf 120 km/h vergeht in weniger als zwei (ja, richtig gelesen) Sekunden – genauer: 1,9. „Wow“, entfährt es ihm.

Seit es Elektroautos gibt, sind Beschleunigungswerte unter fünf Sekunden auf Tempo 100 nichts Besonderes mehr. Aber 3,4 Sekunden sind eine andere Liga, das ist Sportwagenfeeling pur, und so fährt es sich auch. Gemütlich cruisen, das sollen andere Autos. Der Spyder RS zuckt im Leerlauf, er ist auf Adrenalin, er will trinken, viel trinken und dann rennen.

Und dabei ist der Mittelmotor überaus präsent. Beim starken Beschleunigen geht der Ton ein paar Oktaven höher und sofort ins Ohr. Entspannt sitzt mein Großer trotzdem neben mir, ihm gefällt's. „Ist ja auch super“, tönt mein Teufelchen. „Ich hab schon einen Tinnitus“, jammert das Engelchen.

Der Schreikrampf geht im Motorengeheul unter

Dann Rollentausch auf dem Beifahrersitz, die Tochter – bald volljährig – steigt ein. Und findet es ebenfalls toll. Zu laut? „Nein, cool. Den kannst du dir kaufen.“ 170.000 Euro. Teufelchen grinst, Engelchen bekommt einen Schreikrampf. Aber der geht im Motorengeheul unter.

Der Mittelmotor ist verdammt nah hinter den Sportsitzen, das ist einfach nur krass. Und auch peinlich: Um 5 Uhr morgens hätte ich mich nicht getraut, den Wagen auf unserer Straße anzulassen. Da wären mir nicht nur die Flüche aus den Schlafzimmern der Nachbarn entgegengeflogen.

Aber meine Tochter ist begeistert, das scheint altersbedingt zu sein. Denn am Straßenrand recken zwei Teenager erst die Hälse, dann die Daumen – ich grüße freundlich zurück, denn mein Teufelchen hat die Oberhand gewonnen. Den Ausritt Richtung Autobahn quittiert der Nachwuchs mit einem lässigen Video bei Tempo 220 und entsprechender Veröffentlichung in den sozialen Medien. Natürlich sind wir offen gefahren.

Die Dachkonstruktion ist ein Thema für sich

Natürlich muss ich erklären. Denn die Dachkonstruktion ist ein Thema für sich. Carbon, wenig Gewicht, genauso wie die Türgriffe.

Alles soll möglichst wenig wiegen, dann steigt die Leistung pro Kilogramm. Und jetzt kommt's: Geschlossen darf man bis 200 fahren, mehr nicht. Sonst könnte sich die Dachkonstruktion verabschieden. Kein Witz. Offen geht der Porsche bis Tempo 308. Habe ich aber nicht ausprobiert. „Feigling“, lacht das Teufelchen. „Wenigstens nicht ganz dumm“, sagt das Engelchen.

Noch ein Wort zum Dach – das ist Fummelarbeit. Mit zwei Mann dauert es drei bis fünf Minuten, diese Zeit sollte man einplanen. Während beim BMW Z4 der automatische Öffnungs- und Schließvorgang jeweils zehn Sekunden dauert und bis Tempo 50 möglich ist, ist hier bei Tempo 0 Handarbeit gefragt. Bei der Einweisung durch den Überführungsdienst habe ich noch gedacht, das öffne ich nie. Aber nach dem zusätzlichen Studium eines Videos öffnete sich das Dach dann doch relativ einfach und wurde auch ordnungsgemäß verstaut.

Wer sich das einmal anschauen mag, bitte sehr: Zum Video

„Das optimale Auto für die Ferienwohnung am Hockenheimring“

Fazit: „Das optimale Auto für die Ferienwohnung am Hockenheimring“ beschreibt die Eigenschaften des Porsche 718 Spyder RS perfekt. Er ist kein Erstwagen für den Alltag, sondern ein Dritt- oder Viertwagen für diejenigen, die es sich leisten können.

Denn der Wertverlust hält sich bei entsprechender Pflege in engen Grenzen, wenn es überhaupt Verluste gibt. Zum Cruisen ist das Auto auch zu schade, es ist ein Meisterwerk aus Zuffenhausen. Ob ich ihn haben mag? „Na klar“, sagt das Teufelchen. „Da gibt es keine zwei Meinungen. Das ist Autofahren pur, wie für Nostalgiker gemacht. Nicht so weichgespült, sondern hart und ehrlich!“ Das Engelchen schaut nur mitleidig und fragt: „Du würdest doch lieber einen normalen 911er nehmen, oder?“ Ich nicke.