Praxistest VW Caddy Maxi - Familien-Laster mit Diesel – dieser Van zeigt, was VW wirklich fehlt
Dem E-Auto gehört die Zukunft? Das hören wir jeden Tag und es mag teilweise zutreffen. Doch bei einer Urlaubsfahrt im VW Caddy Maxi lernt man auch, wie weltfremd mancher Elektro-Plan ist und warum ein sparsamer Diesel immer noch genial ist.
Wintereinbruch in Österreich, Schnee auf der Tauern-Autobahn - und Stau. Die geplant siebenstündige Heimfahrt aus dem Camping-Urlaub in Italien geht zielsicher auf die 10 Stunden zu. Die Kinder auf der Rückbank sind ebenso genervt wie die Eltern, der Hörspiel-Vorrat der Toniebox geht langsam zur Neige. Der Scheibenwischer kämpft gegen den Schneeregen und die Urlaubsstimmung zerrinnt wie die Sandkörner zwischen den Zehen vom letzten Tag am Strand. Und ausgerechnet jetzt muss Papa am Steuer eine schlechte Nachricht überbringen: „Akku ist wieder leer, wir müssen rausfahren und irgendwo eine Ladesäule suchen.“ Macht nochmal plus 45 Minuten. Grüße gehen raus an die „Verkehrswende“: Danke für nichts.
Familienurlaub im E-Auto? Danke, nein
Doch halt - die letzte Hiobsbotschaft ist zum Glück nicht nötig. Denn statt einer E-Maschine werkelt ein Dieselmotor unter der Haube. Der VW Caddy, der mit Kind und Kegel und vollgepackt bis unters Dach im Stau vorankriecht, hat schon getankt - vor einer Woche in Österreich. Das langte locker für die Restfahrt an die Adria, ein paar Touren vor Ort und die Rückfahrt bis zum nächsten Tankstopp in Österreich oder Deutschland. Der Caddy TDI begnügt sich je nach Strecke mit 5,0 bis 6,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer.
Es sind Momente wie dieser, in denen man sich fragt: Wie viel Lack muss man eigentlich als Automanager oder als Politiker in Berlin und Brüssel zu sich nehmen, um den Menschen weismachen zu wollen, dass das Elektroauto in allen Fällen besser sei als der Benziner oder der Diesel? Und warum wundern die sich immer noch in Wolfsburg, Köln oder Rüsselsheim, dass ohne massive Subventionen oder Strompreise zum Quasi-Nulltarif wie in China der polit-ideologisch forcierte Schwenk zum E-Auto eben deutlich länger dauert als gedacht?
VW Caddy TDI im Alltags-Check
Dem Diesel-Caddy ist es bei der Fahrt von A nach B jedenfalls völlig egal, wie weit A von B entfernt ist. Und er zeigt auf mehrere Weisen, was VW derzeit und noch viel mehr in Zukunft fehlt: bezahlbare, familientaugliche Alltagsautos mit sparsamen Verbrennern. Ein Alltagstest.
Karosserie und Innenraum
Den Caddy gibt es in zwei Längen, wir haben den Caddy Maxi als Siebensitzer getestet (4,9 Meter lang statt 4,6 Meter). Das 30 cm-Plus äußert sich im riesigen Gepäckraum, der bei ausgebauten Sitzen 3105 Liter fasst. Die hinteren Einzelsitze kann man dabei getrennt ausbauen und während des Urlaubs in der Garage lassen, wenn man mit maximal fünf Personen auf Reisen geht. Beim Caddy passen drei Kindersitze nebeneinander auf die Rückbank.
Wer anders disponiert, kann dank der vorderen Isofix-Haken einen der Kindersitze auch auf dem Beifahrersitz sicher platzieren. Praktischerweise kann man dann gleich seitlich am Armaturenbrett per Schlüssel den Beifahrerairbag an- und ausschalten.
In wenigen Handgriffen vom Siebensitzer zum Lademeister
Die Sitze sechs und sieben lassen sich jeweils mit zwei Handgriffen ausbauen und auch der Einbau geht ohne Fummelei vonstatten: vorn einrasten, Sitz zurückfallen lassen, fertig. Mit etwas mehr Handgriffen kann man auch die erste Rückbank entfernen, die Sitze umlegen oder nach oben klappen.
So praktisch und geräumig der Caddy auch ist - drei Dinge störten uns, gerade im Vergleich mit früheren Caddy-Generationen:
Erstens der Mangel an Ablagen. Es gibt neben einer bescheidenen Mittelkonsole und eher unpraktischen Ablagen zwischen Windschutzscheibe und Armaturenbrett wenig Extra-Stauraum für Krimskrams. Hier zeigen sich die Vans und Hochdach-Kombis französischer Hersteller - sofern es sie überhaupt noch gibt - erfindunsgreicher. Immerhin hat man im VW kleine Klapptischchen für die Rückbank.
Das Cockpit ist arg plastiklastig und wirklich VW-Premium wirkt das alles auch nicht. Hier zeigt sich die Kooperation mit Ford - und offenbar auch der Spardruck im VW-Konzern. Für eine Familienkutsche ist das verschmerzbar; aber der Caddy ist mit seiner stolzen Preisliste kein Schnäppchen und da darf man etwas mehr Chic schon erwarten.
Die hinteren Seitenfenster lassen sich nicht öffnen. Früher gab es beim Caddy wenigstens noch die kleinen Schiebefenster zur Belüftung. Als Sonnenschutz fehlen kleine Gardinen zum Hochziehen wie in vielen SUV; man behilft sich dann eben mit Saugnapf-Sonnenblenden. Ob man das große Panorama-Glasdach braucht, sollte man sich überlegen: Außer der Sonnenschutz-Verglasung gibt es keine weitere Abdeckung, so dass sich der Innenraum bei hohen Außentemperaturen schon deutlich aufheizt.
Bedienung und Infotainment
Der Zugang zum Passagierabteil ist dank der beiden Schiebetüren super bequem und beim Beladen freut man sich über den niedrigen Kofferraumboden. Bei Automatikfahrzeugen ist der Fahrstufen-Hebel ein kleiner Plastik-Knubbel in der Mittelkonsole, was ebenso praktisch wie hässlich ist. Während die Basis-Bedienung des Caddy keine Rätsel aufgibt, ist das Infotainmentsystem im Vergleich zu vielen SUV-Konkurrenten mit ihren Mega-Displays und farbenprächtiger Funktions-Vielfalt beim Caddy eher basic.
Neben USB-C-Buchsen vorn und hinten gibt es zwei 12-Volt-Anschlüsse (einer davon im Kofferraum), praktisch für Kühlboxen oder andere Geräte. Ungewöhnlich, aber während der Fahrt gar nicht unpraktisch, ist die Bedientafel links neben dem Lenkrad, die außer den Lichtschaltern auch noch die Defrost-Funktion enthällt. Da die große Scheibe schnell beschlagen kann, braucht man die nämlich öfter. PUSH - Klickdown VW ID Buzz - In einem Punkt kann der elektrische Bulli seinem Diesel-Vorgänger nicht das Wasser reichen
Motor, Antrieb und Verbrauch
Den Caddy gibt es entweder mit einem 2.0-Liter TDI-Dieselmotor in den Leistungsstufen 75 kW / 102 PS und 90 kW / 122 PS, mit einem 1.5 Liter großen TSI-Benziner (85 kW / 116 PS) oder mit einem Plug-In Hybridantrieb (119 kW / 150 PS und laut Hersteller 121 km Elektro-Reichweite). Wir haben den 122 PS-Diesel getestet, der allein schon wegen seiner Preispositionierung (der Hybrid kostet rund 7000 Euro Aufpreis) die Idealbesetzung im Caddy sein dürfte; zumindest dann, wenn man regelmäßig längere Strecken fährt.
Wer viele tägliche Kurz- und Pendelstrecken zu fahren hat, sollte sich die Hybrid-Variante genauer anschauen. Je nach Fahrprofil und Lademöglichkeit zuhause kann sie die bessere Alternative zum Diesel sein.
Diesel oder doch lieber Hybrid?
Mit 122 Diesel-PS ist der VW zwar etwas brummig unterwegs, aber überraschend kraftvoll - selbst mit fünf Personen und Gepäck an Bord. Bergauf geht dem Wagen nicht sofort die Puste aus und das serienmäßige 7-Gang-DSG schaltet schnell und ruckfrei. Der Vorteil des Caddy ist sein schmales Gewicht von je nach Version 1,5 bis 1,8 Tonnen. Ein Elektro-Fahrzeug dieser Größe bringt locker eine Tonne mehr auf die Waage und muss entsprechend hochgezüchtet motorisiert sein, damit man nicht am Berg verhungert. Klickdown Mazda 6 Kombi - Geheimtipp: Mazda baut den schöneren Passat - was kann der Japaner wirklich?
Den Durchschnittsverbrauch gibt Volkswagen mit 5,5 Litern Diesel auf 100 km an, und den erzielten wir im Test auch ziemlich genau - wobei natürlich die auf 110 bis 130 km/h limitierten Autobahnen in Österreich und Italien halfen. Aber selbst bei 150 bis 170 km/h auf deutschen Autobahnen ist eine 7 vor dem Komma beim Verbrauch drin. Diesel eben.
Schade ist, dass es den Caddy nur in einer einzigen Variante mit dem Allradantrieb 4Motion gibt (als 122 PS-Diesel) und dann auch nur in Verbindung mit einem 6-Gang-Schaltgetriebe. Diese Version taucht im deutschen Konfigurator dazu gar nicht auf, fündig wird man in der Schweiz und Österreich. Eine Allrad-Variante mit Automatik und 150 bis 180 PS würde den Caddy jedenfalls zu einer ernsthaften SUV-Konkurrenz machen.
Fahrwerk und Fahrverhalten
Hier kann man es kurz machen: Der frontgetriebene Caddy fährt sich maximal unproblematisch, die Lenkung ist präzise und der Federungskomfort für einen Van seht gut. Alles auch klassische Ford-Tugenden übrigens - hier war die Kooperation zwischen Köln und Wolfsburg jedenfalls kein Nachteil.
Preise und Ausstattung
Jetzt heißt es tief durchatmen! Unter 31.392 Euro geht beim VW Caddy nichts mehr - das ist dann doch arg happig für eine Familienkutsche. Der weitgehend baugleiche Ford Tourneo Connect kostet 31.400 Euro (ihm fehlt aber die optionale Hybrid-Variante), ein Renault Kangoo startet bei 26.900 Euro und der Dacia Jogger schon bei 19.400 Euro. Mit 122 PS-Diesel kostet der Caddy als Maxi-Version zwischen 37.000 und mehr als 40.000 Euro. Und da sind die jüngst von Volkswagen als Krisen-Reaktion angekündigten Preiserhöhungen für die Verbrenner-Modelle noch gar nicht addiert. Die Ausstattung des Caddy ist etwas dürftig; es sollte mindestens die Variante „Style“ sein mit Parksensoren, Klimaautomatik und LED-Scheinwerfern. Die Rückfahrkamera erfordert das 970 Euro teure Assistenzsystem-Paket und auch Nebelscheinwerfer kosten extra. Ganz schön geizig, ihr Wolfsburger.
Fazit
Volkswagen sucht sein Heil künftig allein in der Elektromobilität. Ein Auto wie der Caddy zeigt, dass ein klassischer Familienlaster mit sparsamem Verbrenner viele Bedürfnisse immer noch besser erfüllt. Vergleichbar in Sachen Platz und Variabilität ist beim E-Mobil nur der VW ID Buzz - und der kostet mindestens 60.000 Euro. Da werden die meisten Familien ein E-Auto höchstens als Zweitwagen anschaffen, sofern das Budget noch reicht, und den klassischen Diesel oder Benziner als Familienkutsche behalten.
So praktisch der Caddy auch ist, man würde sich ein hochwertigeres Interieur wünschen und auch eine größere Motorenauswahl; vor allem Allrad-Varianten fehlen. Leider muss man davon ausgehen, dass durch die Konzentration auf Emobilität der Caddy ohnehin der Letzte seiner Art sein wird. Ersatz kommt womöglich aus ungeahnter Richtung: Luxuriöse Vans sind neben SUV in China sehr populär, und entgegen der landläufigen Meinung fahren keineswegs alle davon nur mit E-Antrieben. Vielleicht kommt also künftig die sparsame Familienkutsche mit Hybridantrieb nicht mehr von Volkswagen, sondern aus der Volksrepublik.