Preisschock auf dem Oktoberfest - Hendl zu teuer? Warum hohe Gastronomie-Preise keine Überraschung sein sollten
Die Aufregung über die immer höheren Preise auf dem Oktoberfest flauen nicht ab: Eine Portion Pommes für 9,50 Euro, Wiener Schnitzel für 38 Euro, Hendl für 16,90 Euro und ein Schweinsbraten für 27,80 Euro? Was dahinter steckt, kommentiert Service-Profi Michael Bauer.
Für diesen Artikel werde ich Prügel einstecken müssen. Aber langsam kann ich es nicht mehr hören. Die Aufregung über die Gastronomie-Preise geht mal wieder viral. Was passiert da gerade?
Liebe, deutsche Verbraucher! Irgendwas habt ihr noch immer nicht begriffen
Es gibt in unserer Welt dramatische Veränderungen - nichts bleibt wie es war. Die Griechen sagten dazu: panta rhei - alles fließt. Die Deutschen haben eine besondere Beziehung zu Lebensmittelpreisen und deren Verarbeitung in der Gastronomie. Es gibt kaum ein zweites Land in Europa, das mit so günstigen Lebensmittelpreisen aufwarten kann. Warum? Die Marktmacht der deutschen Discounter - allem voran Aldi und Lidl. Der gnadenlose Wettbewerb dieser zwei Giganten, hat dem Endverbraucher klare Vorteile beschert. 250 Gramm Butter ist als Angebot immer wieder unter 2.- Euro zu haben.
Wir Deutsche haben uns offensichtlich so daran gewöhnt dass Geiz geil ist - besonders bei der Nahrung.
Der Franzose kippt generell nur ein Billig Öl in seinen Peugeot - entscheidet sich aber privat gerne für eine Flasche Bordeaux für 12 Euro. Offensichtlich entscheidet er sich bei seinem Körper für Qualität. In Deutschland genau das Gegenteil. Hier geben wir 32 Euro pro Liter für ein synthetisches Hochleistungsöl für den Golf aus, privat wählen wir die Billigmarke für 1,99 Euro bei der Literflasche Rotwein. Geht's noch?
Für die Preissituation in der Gastronomie muss ich etwas ausholen. Jahrzehntelang haben die deutschen Gastronomen auf diese besondere Sparwut der Verbraucher reagiert - und warfen das Schnitzel XXL für unter 10 Euro auf den Tisch. Wie war das möglich?
Den Preis bezahlten ausschließlich die Arbeitskräfte in diesem Segment mit Niedriglöhnen und das Tierwohl. Wer nix wird - wird Wirt - zeigte die Geringschätzung auch im Sprachgebrauch. Nun kommt auf einmal der berühmte Wandel, den natürlich keiner auf dem Schirm hatte.
Kellnern ist ein Knochenjob
Es finden sich keine guten Kellner mehr, die mit brennender Kerze im Herzen ihren Job so lieben, dass sie sich für 14 Euro auf den Arbeitsmarkt werfen. Dies ist ein Knochenjob - der echt vom Trinkgeld lebt. (Das nennt sich in der Fachsprache: Feedbackschleife) Ein guter Kellner geht nach einem Tag mit gut 160 Euro Bargeld nach Hause (zusätzlich). Gute Leistung kostet inzwischen einen angemessenen Preis. Dummerweise kennt gutes Personal zwischenzeitlich seinen Marktwert.
Nächster Faktor: In der Gastro ist die Inflation angekommen, ich will hier weder über Energiepreise noch Mieten/Pachten sprechen. Aber über eine gesellschaftliche Entwicklung.
Alles giert nach Aufmerksamkeit und Mega-Events
Warum kostet ein simples Ticket für Helene Fischer 180 Euro? Da steht die Leistung des Künstler in keinem Verhältnis mehr - aber das wird vom Markt einfach akzeptiert. Wenn ich jetzt mein Kopfkino starte, dann mache ich die Rechnung auf: 50.000 Besucher an einem Abend, da sind 8 Millionen für einen Abend in der Kasse.
Jetzt haben eben auch die Gastronomen den Eventcharakter ihrer Veranstaltung bzw Location erkannt und der Markt gibt es offensichtlich her. Es wird gemotzt und gemeckert - aber am Ende brav die Zeche bezahlt. Die neue Währung heißt Aufmerksamkeit. Social Media läuft mit dieser Währung. Clicks und Likes bringen Reichweite. Das ist das einzige was zählt.
Was ist wohl wertvoller als ein Selfie aus dem Festzelt? Fazit: Wenn wir uns immer mehr auf Events und Inszenierungen fokussieren, und alles instagrammable sein soll, dann orientieren sich die Preise genau dieser Produkte daran. So funktioniert nun mal der Markt. Mit unserem Verhalten haben wir Einfluss - garantiert.