Premier Boris Johnson schaltet sich in Regierungspolitik ein

Die Kritik am Krisenmanagement der britischen Regierung während der Corona-Pandemie reißt nicht ab. Premier Johnson, der sich von seiner Covid-19-Erkrankung erholen soll, steht besonders im Fokus.

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, wendet sich aus der Downing Street 10 mit einer Fernsehansprache zum Verlauf der Corona-Pandemie an die Briten. Johnson schaltet sich nach seiner überstandenen Corona-Erkrankung schon wieder kräftig in die Regierungspolitik ein. Foto: Andrew Parsons / No 10 Downing Street / Xinhua /dpa
Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, wendet sich aus der Downing Street 10 mit einer Fernsehansprache zum Verlauf der Corona-Pandemie an die Briten. Johnson schaltet sich nach seiner überstandenen Corona-Erkrankung schon wieder kräftig in die Regierungspolitik ein. Foto: Andrew Parsons / No 10 Downing Street / Xinhua /dpa

Der britische Premierminister Boris Johnson schaltet sich nach seiner überstandenen Corona-Erkrankung wieder kräftig in die Regierungspolitik ein. Johnson habe mit Außenminister Dominic Raab, der ihn teilweise vertritt, und weiteren Mitarbeitern am vergangenen Freitag ein dreistündiges Gespräch gehabt, berichtete die Zeitung «Sunday Telegraph». Bereits zuvor habe er mehrmals von seinem Landsitz Chequers aus Anweisungen gegeben.

Nach Regierungsangaben vom Samstag hatte Johnson «einige Kontakte» mit Kabinettsmitgliedern gehabt, es wurde aber nicht das Ausmaß genannt. Er halte sich an die Anweisungen seines Arztes, hieß es.

Brexit statt Corona-Pandemie?

Dass sich Johnson wieder so schnell in die Regierungsgeschäfte einmischt, soll mit zunehmender Kritik an der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie zu tun haben. Nach einem Bericht der «Sunday Times» war zu Beginn des Ausbruchs wochenlang der Ernst der Lage in Großbritannien nicht erkannt worden. Man habe sich stattdessen zu sehr auf den Brexit konzentriert. Johnson fehlte der «Times» zufolge auch bei fünf wichtigen Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrats (Cobra) zur Pandemie. Staatsminister Michael Gove sagte dem Sender Sky News am Sonntag, die Vorwürfe seien «grotesk». Der Premier müsse nicht immer bei den Sitzungen dabei sein.

Der 55 Jahre alte Premier musste wegen seiner Lungenerkrankung Covid-19 auf der Intensivstation einer Londoner Klinik behandelt werden. Seit einigen Tagen erholt er sich nun auf dem Landsitz Chequers in der Nähe der Hauptstadt. An seiner Seite ist seine schwangere Verlobte Carrie Symonds. Die 32-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben auch mit dem Coronavirus infiziert, aber nur leichte Symptome entwickelt.

In den britischen Kliniken werden Ausrüstungen zum Schutz gegen das Coronavirus bedrohlich knapp - auch die für Ärzte und Pfleger empfohlenen langärmeligen, flüssigkeitsabweisenden Einweg-Kittel auf vielen Intensivstationen. Daher haben die Behörden auch die Verwendung anderer Kittel erlaubt. Dies stieß am Wochenende auf heftige Kritik unter anderem von Gewerkschaften. Sie befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Ärzte und Pfleger. Ein Lichtblick: Aus der Türkei wurden 84 Tonnen Schutzausrüstungen in Großbritannien erwartet - sie reichen Kritikern zufolge aber nur für drei Tage.

Statistiken nicht aussagekräftig: zu wenig Tests

Im Vereinigten Königreich mangelt es auch an Klinikpersonal und Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten. Sauerstoff-Lieferungen für die Beatmung gehen Ärzten zufolge ebenfalls zurück. Bislang starben nach offiziellen Angaben vom Sonntag mehr als 16.000 Menschen in Kliniken. Die Statistiken zu Infizierten und Todesfällen sind wenig aussagekräftig, unter anderem weil in Großbritannien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wenige Tests vorgenommen worden sind. In den Statistiken zu Sterbefällen sind keine Toten in Pflegeheimen berücksichtigt. Deren Zahl soll in die Tausende gehen.

Experten befürchten, dass Großbritannien mit Blick auf die Sterbequote das am schlimmsten betroffene Land in Europa werden könnte. Die Ausgangsbeschränkungen sind daher um drei Wochen bis zum 7. Mai verlängert worden. (dpa)