„Probleme nicht länger beschönigen“ - Heide, Gera, Bad Oeynhausen: Jugendgewalt explodiert - eine Zahl ist erschreckend
Die Zahl der Kinder- und Jugendstraftaten ist 2023 stark gestiegen, bei Gewaltdelikten erreichte sie einen Höchststand seit 2001. Die größte Zunahme gibt es bei „nichtdeutschen Tatverdächtigen“. Während die Grünen vor „Pauschalurteilen“ warnen, fordert die Union mehr Härte.
Heide, Gera, Freudenberg. Drei Städte, die für schockierende Schlagzeilen gesorgt haben – als Schauplätze brutaler Kinder- und Jugendgewalt. Die Täter, meist zwischen 12 und 18 Jahre alt, terrorisieren ihr Umfeld, verbreiten Angst und Schrecken, stürzen andere ins Leid.
Sie demütigen und quälen ihre Opfer, schlagen, treten, stechen . Dabei nehmen sie in Kauf, dass andere Kinder traumatisiert, schwer verletzt oder sogar getötet werden. Die zunehmende Brutalität minderjähriger Straftäter macht fassungslos.
Im schleswig-holsteinischen Heide etwa tyrannisierte eine Jugendbande die Bevölkerung über viele Monate hinweg. Auf das Konto der Teenager gehen Raubüberfälle, gefährliche Körperverletzungen, Erpressungen, Diebstähle und vieles mehr.
Besonders roh agierte eine Mädchen-Gang. Die Täterinnen, zumeist Deutsche, aber auch einige mit Migrationshintergrund, folterten eine 13-Jährige auf abscheulichste Weise. So drückten sie dem Mädchen eine Zigarette auf der Wange aus, zündeten ihre Haare an, schlugen sie auf die Nase, gossen Cola über ihren Kopf.
Ähnlich enthemmt ging eine Schläger-Bande im thüringischen Gera vor. Im Juni 2024 prügelten mehrere Mitglieder der Gruppe brutal auf einen wehrlosen 14-jährigen Jungen ein – alle anderen schauten zu, einer filmte den Angriff. Die Polizei identifizierte mehr als 20 Tatverdächtige vorwiegend afghanischer und syrischer Herkunft. Alter: 12 bis 15 Jahre.
Ein besonders erschütternder Fall trug sich am 11. März 2023 zu. Zwei deutsche Mädchen im Alter 12 und 13 Jahren töteten die 12-jährige Luise F. aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg mit rund 70 Messerstichen. Da die beiden Mädchen wegen ihres Alters noch nicht strafmündig waren, konnten sie nicht angeklagt werden.
Erschreckende BKA-Zahlen: Gewaltkriminalität erreicht Höchststand seit 2001
Die Beispiele markieren nur einen winzigen Ausschnitt dessen, was deutsche Polizeibehörden tagtäglich unter dem Schlagwort „Kinder- und Jugendkriminalität“ verbuchen müssen. Wer sich die vom Bundeskriminalamt (BKA) herausgegebene Statistik für das vergangene Jahr durchliest, stellt eine besorgniserregende Entwicklung fest.
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 717.365 Kinder , Jugendliche (14 bis unter 18), Heranwachsende (18 bis unter 21) und Jungerwachsene (21 bis unter 25) von der Polizei einer Straftat verdächtigt.
Zum Vergleich: 2022 waren es 664.573, im Jahr 2019 (vor Corona) sogar nur 650.088 . In den Jahren zuvor war die Jugendkriminalität in Deutschland tendenziell rückläufig.
Auf die Gruppen der Kinder (unter 14 Jahre) entfielen vergangenes Jahr 104.233 Straftaten , auf Jugendliche rund 207.000 Straftaten, auf Heranwachsende etwa 171.000 Straftaten und auf Jungerwachsene knapp 235.000 Straftaten.
Bei der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung stieg die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren um 19,6 Prozent und bei Jugendlichen um 14,4 Prozent. Im Vergleich zu 2019 stieg sie bei Kindern sogar um 36 Prozent, bei Jugendlichen um 7,7 Prozent.
Bei der Gewaltkriminalität (u. a. gefährliche Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung, Mord, Totschlag) wurden 12.377 tatverdächtige Kinder (Höchststand seit 2001) und 30.244 tatverdächtige Jugendliche (Höchststand seit 2011) ermittelt.
In diesem Bereich stieg die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren gegenüber 2022 um 17 Prozent und bei Jugendlichen um 14,4 Prozent. Gegenüber 2019 stieg sie bei Kindern sogar um 49,7 Prozent , bei Jugendlichen um 28 Prozent.
Fachleute etwa von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verweisen darauf, dass Jugendgewalt ein Problem deutscher und nicht deutscher Jugendlicher gleichermaßen sei. Der Anstieg der Zahlen lasse sich nicht mit der „Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kulturkreisen“ erklären. Vielmehr bestehe ein „enger Zusammenhang mit Bildungsarmut und niedriger sozialer Herkunft“.
Auf der anderen Seite lässt sich nicht wegdiskutieren: Die alljährlichen Silvesterkrawalle, Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte, Massenschlägereien in Schwimmbädern, Ausschreitungen und Raubüberfälle in Innenstädten – oftmals sind es Sprösslinge aus eingewanderten Familien, die durch Aggressionen und besonders drastische Gewalttaten auffallen.
Anstieg vor allem bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen
Das BKA stellt denn auch zu den im Jahr 2023 geradezu explodierten Straftaten-Zahlen klar: „Der Anstieg bei den Kindern und Jugendlichen zeigt sich vor allem bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen.“ Stieg die Zahl der tatverdächtigen deutschen Kinder und Jugendlichen von 2022 auf 2023 um 9,0 Prozent, waren es bei nichtdeutschen Kindern 28,4 Prozent!
Erklärbar sei dies unter anderem damit, dass der Anteil an minderjährigen nichtdeutschen Personen in der Bevölkerung insgesamt deutlich gestiegen ist. Viele Kinder aus Familien, die seit 2015 nach Deutschland kamen, sind mittlerweile in einem Alter, in dem sie auch straffällig werden können. Zudem nehme Deutschland weiterhin viele Zuwanderer neu auf.
Der Kriminologe Christian Walburg von der Universität Münster bestätigt das. So seien seit Frühjahr 2022 Hunderttausende Kinder und Jugendliche aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Zudem gebe es wieder eine größere Armutszuwanderung aus Ländern wie Rumänien und Bulgarien. Und nach wie vor träfen viele Geflüchtete aus Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten bei uns ein.
Welche Rolle junge Straftäter mit ausländischen Wurzeln beim Thema Jugendgewalt spielen, zeigen einige Kriminalfälle, die Deutschland in jüngerer Vergangenheit bewegten.
10. Februar 2024: Mert V. (15), ein Deutscher türkischer Abstammung, sowie ein Deutsch-Grieche und zwei Syrer (14 bis 15) töten in Oberhausen (NRW) zwei ukrainische Nachwuchsbasketballer mit Messerstichen. Mert V. und dessen Komplizen gelten als „Intensivtäter“ (u.a. Raub, Drogendelikte, gefährliche Körperverletzungen). Der Prozess am Landgericht Essen läuft, Urteil vermutlich Ende November.
28. Mai 2024: Zwei Syrer (16 und 18) sowie ein 19-jähriger Iraker werden in Krefeld verhaftet. Im Kaiser-Wilhelm-Park hatten sie zwei Männern, darunter ein 22-jähriger Deutscher, massive Schlag- und Stichverletzungen zugefügt. Später nimmt die Polizei sechs weitere Männer ausländischer Herkunft im Alter von 17 bis 19 Jahren fest.
22. Februar 2024: Yilmaz B. (17) betritt ein Gymnasium in Wuppertal mit einem Klappmesser (Klingenlänge 8 Zentimeter) und attackiert wahllos Schüler aus seiner Jahrgangsstufe. Er verletzt vier Mitschüler und schließlich sich selbst schwer. Yilmaz B. kommt vor Gericht, Vorwurf: versuchter Mord in vier Fällen.
25. Januar 2024: Adrian K. (18) ermordet an einem Gymnasium in St. Leon-Rot (Rhein-Neckar-Kreis) seine gleichaltrige Ex-Freundin. In einem Aufenthaltsraum sticht er seinem Opfer mit einem Fleischmesser in Nacken, Rücken, Hals und Brust. Das Landgericht Heidelberg verurteilt ihn zu elf Jahren Haft. Die Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) läuft.
23. Juni 2024: Der 18-jährige Syrer Mwafak Al S. attackiert im Kurpark von Bad Oeynhausen den in Deutschland lebenden Griechen Philippos T. Dabei schlägt und tritt er mehrmals gegen den Kopf seines wehrlosen Opfers. Zwei Tage später stirbt der 20-Jährige. Der polizeibekannte Täter war 2016 im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen. Anklage wegen Totschlags.
Insbesondere die tödliche Attacke von Bad Oeynhausen hat bundesweit heftige Diskussionen ausgelöst. Es ging um den Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität, die zunehmende Gewalt durch junge Migranten, die Tauglichkeit von Gesetzen, die Rolle der Justiz, die Verantwortung der Politik, die viel zu zögerliche Abschiebung ausländischer Straftäter.
Kurz nach dem Verbrechen debattierte der Bundestag in einer von der Unionsfraktion beantragten Aktuellen Stunde zum Thema: „Gewalttäter aus Parallelgesellschaften – Ursachen und Konsequenzen der Tat von Bad Oeynhausen ehrlich benennen“.
CDU-Chef Friedrich Merz: „Müssen jetzt endlich etwas tun“
Während die SPD davor warnte, „reflexhaft zu reagieren und uns gegenseitig die Schuld zuzuweisen“, sorgten sich die Grünen, „dass die Tat einmal mehr dazu benutzt wird, ganze Bevölkerungsgruppen pauschal zu verurteilen“.
Konstantin Kuhle (FDP) räumte immerhin ein, dass Deutschland „ein Problem mit extrem gewaltbereiten jungen Männern hat, die aus dem arabischen Raum, aber auch aus Afghanistan, aus Nordafrika und aus anderen Regionen zu uns kommen“.
CDU-Chef Friedrich Merz erklärte, man könne längst nicht mehr von „Einzeltaten“ sprechen. Die zahlreichen Gewaltverbrechen von Tätern, die „als Jugendliche oder Heranwachsende in unser Land gekommen sind“, würden ganz grundlegende Fragen aufwerfen. Etwa die: „Wie lange hält unsere Gesellschaft die seit Jahren andauernde ungesteuerte Migration eigentlich noch aus?“
Merz appellierte an die Ampel-Regierung: „Hören Sie endlich auf, die Probleme in unserem Land zu beschönigen!“ Wenn man nicht bald konsequent gegensteuere, würden „die Grundlagen unseres gedeihlichen Zusammenlebens“ zerstört. Der Unions-Kanzlerkandidat: „Wir müssen jetzt endlich etwas tun.“
Dringenden Handlungsbedarf gibt es freilich nicht nur bei jungen Tätern mit Migrationshintergrund. Auch bei deutschen Kindern und Jugendlichen gehen die Fallzahlen wieder deutlich nach oben. Nicht zuletzt wegen brutaler Straftaten von Kindern unter 14 Jahren, etwa dem Mordfall Luise, wird diskutiert, die Altersgrenze für die Strafmündigkeit auf 12 Jahre zu senken.