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Prozess zu Bremer Flüchtlingsamt steuert auf rasches Ende zu

Die ehemalige Leiterin (M) der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterhält sich mit ihrem Anwalt Johannes Eisenberg im improvisierten Gerichtssaal in Bremens Konzerthaus "Die Glocke".
Die ehemalige Leiterin (M) der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterhält sich mit ihrem Anwalt Johannes Eisenberg im improvisierten Gerichtssaal in Bremens Konzerthaus "Die Glocke".

Vor drei Jahren machte die Bamf-Außenstelle Bremen Schlagzeilen, es ging angeblich um Hunderte unberechtigter Asylbescheide. Vor Gericht gelandet sind kleine Details wie Hotelrechnungen über 65 Euro.

Bremen (dpa) - Zu den Missständen am Bremer Flüchtlingsamt vor 2018 hat ein großangelegter Strafprozess begonnen, er dürfte aber auf ein rasches Ende zusteuern.

Verantworten müssen sich seit Donnerstag vor dem Landgericht die ehemalige Leiterin (60) der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und ein auf Asylrecht spezialisierter Rechtsanwalt (42) aus Hildesheim.

Was damals nach einem Skandal aussah mit Hunderten illegaler Asylbescheide in Bremen, davon blieb am Landgericht nur eine Handvoll Vorwürfe übrig. Bei der freigestellten Amtschefin ging es um Beamtenrecht, um Manipulation an Dokumenten, das Durchstechen von Dienstgeheimnissen und Vorteilsnahme - insgesamt 14 Taten. Der Anwalt ist wegen acht Taten angeklagt, darunter Vorteilsgewährung.

Die Verteidigung drang auf eine Einstellung wegen Geringfügigkeit. Es gebe ein Missverhältnis zwischen Aufwand und absehbarem Ergebnis, sagte Anwalt Henning Sonnenberg. Die angeklagten Taten passten eher vor ein Amtsgericht, sagte auch die Vorsitzende Richterin Maike Wilkens: «Das Verfahren gehört vom Umfang vor ein Landgericht, nicht von der Straferwartung.» Die Strafkammer könne sich eine Einstellung gegen Auflagen vorstellen, sagte Gerichtssprecher Jan Stegemann.

Die Angeklagten räumten die jeweils beschriebenen Vorgänge ein, die Verteidigung stellte sie aber als harmlos oder nicht strafbar dar. Die angeklagte Vorteilsnahme der Beamtin entpuppte sich als zwei Hotelrechnungen in Hildesheim über je 65 Euro, die der Anwalt bezahlt hatte. Die Angeklagte sagte, sie habe das Geld bar dem Anwalt gegeben, der dann die Rechnung bezahlt habe. Das Auschecken aus dem kleinen Hotel ohne ständigen Empfang sei so einfacher gewesen.

Was die Angeklagten verbindet, kam nur am Rande zur Sprache. Sein Mandant sei Jeside und habe viele Flüchtlinge aus dieser religiösen Minderheit beraten, sagte Sonnenberg der Deutschen Presse-Agentur. Die Jesiden im Irak litten ab 2014 besonders unter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Tausende Männer wurden ermordet, Tausende Frauen und Mädchen verschleppt. Im Asylwesen galten nach Deutschland geflüchtete Jesiden als dringliche Fälle. Auch die Bremer Bamf-Chefin bemühte sich besonders um Schutz für sie.

Die Beamtin soll dem Anwalt dienstliche Dokumente weitergeleitet haben. Es ging beispielsweise um die Standardfragen im Asylverfahren oder Bamf-Berichte zur Lage in Ländern wie Bulgarien. Solche Berichte könnten keine Verschlusssache der Behörden sein, argumentierte Verteidiger Johannes Eisenberg. Alle Beteiligten an Asylverfahren bräuchten sie für ihre Arbeit. Allerdings leitete die Beamtin auch eine Liste mit 3600 Namen von Flüchtlingen weiter, die noch nicht erkennungsdienstlich behandelt waren.

Der Hildesheimer Anwalt soll in mehreren Fällen dafür gesorgt haben, dass Ausländer unerlaubt in Deutschland bleiben konnten. Sonnenberg wies dies zurück: Die betreffenden Menschen hätten Aufenthaltstitel gehabt; der Anwalt habe vielmehr dafür gesorgt, dass in verworrenen Asylfällen wieder «legale Zustände herrschen».

Die Staatsanwaltschaft will sich am kommenden Dienstag (20.4.)zu einer möglichen Einstellung des Verfahrens äußern. Die Behörde hatte die Vorgänge in der Bremer Bamf-Außenstelle mit einer mehr als 30 Personen zählenden Sonderkommission untersucht. Auf die Ex-Leiterin warten nach dem Prozess noch mögliche dienstrechtliche Konsequenzen.

Ob und wie weit in Bremen tatsächlich das Asylrecht gedehnt wurde, darum ging es am Landgericht nicht. Auffällig war über Jahre hinweg eine hohe Anerkennungsquote. Auch 2020 fanden 50,5 Prozent aller Flüchtlinge Schutz in Bremen, wie das Bamf in Nürnberg auf Anfrage mitteilte. Im Bundesdurchschnitt waren es 43,1 Prozent.

Die Vorgänge in Bremen vor 2018 seien von Politik und Medien künstlich skandalisiert worden, sagte Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat Bremen. «Von Anfang an ging es erkennbar um ein größeres, um ein politisches Ziel: nämlich darum, das Recht auf Asyl selbst zu untergraben.»