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Prozess um getöteten Jungen: Mutter weist Vorwürfe von sich

Hanau (dpa) - In einem Prozess um den gewaltsamen Tod eines vierjährigen Jungen hat die wegen Mordes angeklagte Mutter vor dem Landgericht Hanau die Vorwürfe von sich gewiesen.

Sie schließe völlig aus, dass sie ihren Sohn mit Gewalt in einen Sack gesteckt und diesen verschnürt habe, erklärte sie in einem vorbereiteten Manuskript, das die 60-Jährige am Montag - dem zweiten Prozesstag - selbst verlas.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau vor, ihren Sohn am 17. August 1988 aus niedrigen Beweggründen ermordet zu haben. Die Deutsche soll den Jungen in einen Sack gesteckt, diesen oben zugeschnürt und in die Obhut einer mutmaßlichen Sekten-Anführerin gegeben haben. Das Kind soll ohnmächtig geworden und an seinem Erbrochenen erstickt sein.

Die Angeklagte erklärte, sie sei immer sicher gewesen, dass die andere Frau die besten Absichten gehabt habe. Es sei ihr nie in den Sinn gekommen, dass diese ihrem Sohn Böses gewollt, schon gar nicht, dass sie ihm nach dem Leben getrachtet hätte. Ihr Sohn sei ein Wunschkind gewesen, das sie geliebt habe. Zugleich erklärte sie: «Ich war als Mutter manchmal verzweifelt und überfordert.»

Laut Anklage soll die mittlerweile 74 Jahre alte mutmaßliche Sekten-Anführerin der Mutter eingeredet haben, dass ihr Sohn die «Reinkarnation Hitlers, ein Machtsadist und von den Dunklen besessen» sei, und zudem prophezeit haben, dass der Junge bald «vom Alten» geholt werde - eine Bezeichnung für Gott in der Gemeinschaft.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Mutter gewusst habe, dass die mutmaßliche Sekten-Chefin ihrem Kind nach dem Leben getrachtet habe. Auch sei der heute 60-Jährigen bewusst gewesen, dass die heute 74-Jährige den Jungen sterben lassen würde, um ihre Voraussage zu bestätigen und so ihre Machtposition zu stärken. Damit habe die Mutter den Tod des kleinen Jungen billigend in Kauf genommen.

Die mutmaßliche Sekten-Chefin war vor rund einem Jahr wegen Mordes an dem Kind vom Landgericht Hanau zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Da sie gegen das Urteil in Revision gegangen ist, über die noch nicht entschieden wurde, ist es nicht rechtskräftig.