Psychiater klärt auf: Das hilft gegen Panikattacken

Ein Engegefühl in der Brust ist ein häufiges Symptom von Angstattacken. (Bild: Yurii Yarema)
Ein Engegefühl in der Brust ist ein häufiges Symptom von Angstattacken. (Bild: Yurii Yarema)

Das Herz beginnt zu rasen, Schweiß rinnt die Stirn herunter, die Hände zittern, die Luft scheint knapp zu werden - und das ganz ohne erkennbaren Grund. Der Körper reagiert, als sei Gefahr in Verzug, dabei sitzt man vielleicht nur am Schreibtisch, auf der Couch oder in einem Café. Genau so überwältigend, unberechenbar und beängstigend fühlen sich Panikattacken an. Laut Statista leiden 25 Prozent aller Menschen mindestens einmal im Leben unter Angststörungen - und es werden tendenziell mehr. Dr. Andreas Hegemann, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck, erklärt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, was im Körper passiert, wenn die Panik zuschlägt, und welche Schritte Betroffene kurz- und langfristig unternehmen können, um die Angst zu brechen.

Was sind die häufigsten Auslöser für Panikattacken?

Dr. Andreas Hegemann: Im Gegensatz zu Phobien, bei denen die Angstattacken auf bestimmte, konkrete Auslöser fixiert sind (etwa Spinnen, enge Räume etc.), lösen hier ganz unterschiedliche Anlässe und Situationen massive, immer wiederkehrende schwere Befindlichkeitsstörungen aus. Diese beschränken sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände und sind deshalb auch nicht vorhersehbar.

Meist ist nicht ein einzelner Faktor Auslöser einer Angst- oder Panikattacke, sondern eine Vielzahl an Faktoren. Oftmals gehen einer Panikattacke belastende Lebensereignisse (wie der Tod des Partners oder der Arbeitsplatzverlust) oder andere Stress-Situationen (wie eine anstehende wichtige Klausur) voraus. Risikofaktoren sind aber auch psychische Störungen wie etwa Depressionen, Phobien oder Zwangsstörungen.

Wer ist am häufigsten davon betroffen?

Dr. Hegemann: Neben der erblichen Veranlagung fördern vor allem bestimmte Profile der Persönlichkeitsstruktur (mangelnde Kritiktoleranz, fatalistische Einstellung, Perfektionismus) die Entstehung von Angsterkrankungen. Auch Kindheitserfahrungen und -defizite (also etwa mangelnde Geborgenheit, Vernachlässigungen, Angsterkrankungen in der Familie etc.) sind relevant.

Wie erkennt man den Unterschied zwischen einer Panikattacke und einer ernsthaften körperlichen Erkrankung, wie z.B. einem Herzinfarkt?

Dr. Hegemann: Das ist für die Betroffenen kaum möglich, da es bei Panikattacken zu ähnlichen körperlichen Symptomen wie bei einem Herzinfarkt kommen kann. Dazu zählen Atemnot, Brustschmerzen, Herzklopfen, Schwitzen oder etwa Zittern. Doch während das eine extrem unangenehm, aber ungefährlich ist, kann das andere schlimmstenfalls zum Tode führen. Deshalb bei diesen Beschwerden, insbesondere bei erstmaligem Auftreten, sicherheitshalber den Notarzt rufen.

Welche körperlichen Symptome sind typisch für eine Panikattacke?

Dr. Hegemann: Schweißausbrüche, Übelkeit, Schwindel, Herzrasen und Atemnot sind nur einige der typischen Symptome. Im Grunde genommen ungefährlich, belasten sie Betroffene oft schwer. Nicht selten stehen diese Todesängste aus. Schon die Vorstellung einer eventuell drohenden Panikattacke löst vielfach bereits starke Ängste aus. Dass diese Attacken meist ohne vorhersehbaren Anlass wiederkehren, steigert die Beklemmung und den Wunsch nach Kontrolle zusätzlich. Oft werden diese begleitet von Unruhe, Schlafstörungen sowie anderen Symptomen.

Was können Betroffene tun, wenn sie spüren, dass eine Panikattacke beginnt?

Dr. Hegemann: Tritt eine Panikattacke auf, so helfen meist schon praktische Sofort-Maßnahmen: Akzeptieren Sie die Situation und Ihre Angst als natürliche Reaktion Ihres Körpers. Sie ist extrem unangenehm, aber ungefährlich: Nichts Schlimmes wird geschehen. Die körperlichen Symptome sind nichts anderes als eine übersteigerte Stressreaktion.

Auch die bewusste Ablenkung, die Beschäftigung mit scheinbar unsinnigen Dingen kann helfen, da im Wesentlichen die gedankliche Bewertung einer Situation und nicht die Situation selber zu den Ängsten führt. Atmen Sie tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus, konzentrieren Sie sich auf das, was gerade jetzt in diesem Moment geschieht, nicht auf das, was sein könnte. Versuchen Sie sich durch positive Gedanken abzulenken.

Welche langfristigen Strategien empfehlen Sie im Umgang mit bzw. zur Prävention von Panikattacken?

Dr. Hegemann: Neben den erwähnten Akut-Empfehlungen und professioneller psychotherapeutischer Hilfe können auch kleine Schritte im täglichen Leben dabei helfen, Panikattacken entgegenzusteuern bzw. diese zumindest zu lindern. Wie oben beschrieben, spielt besonders die gedankliche Bewertung einer Situation eine wesentliche Rolle. In Situationen, in denen Menschen entspannt und wenig gestresst sind, fällt die Bewertung meist positiver aus. Daher zählen zu den Strategien unter anderem regelmäßiger Ausdauersport und ausreichender Schlaf, kontinuierliche Entspannungsverfahren wie etwa Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation und Meditation, ausgleichende Freizeitaktivitäten sowie gesunde, ausgewogene Ernährung. Empfehlenswert sind zudem wenig Alkohol, Nikotin und Koffein. Hilfreich sein können darüber hinaus Selbsthilfegruppen und angenehme soziale Kontakte.

Wie können Angehörige oder Freunde einer Person helfen, die gerade unter einer akuten Panikattacke leidet?

Dr. Hegemann: Angststörungen sind - wie übrigens auch ein Burnout - eine ernsthafte Krankheit mit hohem Leidensdruck und teils gravierenden psychosozialen Auswirkungen. Diese sollte deshalb niemals bagatellisiert oder belächelt werden. Wichtig ist, wie bereits ausgeführt, professionelle Unterstützung. Dies sollten Angehörige oder Freunde den Betroffenen klarmachen. Je besser sie selbst über dieses Beschwerdebild und Behandlungsmöglichkeiten informiert sind, desto besser können sie beraten und helfen.

Ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn Panikattacken häufiger auftreten? Wie sieht hier eine typische Behandlung aus?

Dr. Hegemann: Während Höhenangst, Klaustrophobie und andere spezifische Phobien nur in seltenen Fällen professionelle Hilfe erfordern, lassen sich Angst- und Panikstörungen sehr oft nur durch eine therapeutische Behandlung in den Griff bekommen. Auf Basis einer ausführlichen Patienten-Anamnese (Krankheitsgeschichte) und Diagnostik erstellen Experten individuelle Behandlungspläne.

Insbesondere die Verhaltenstherapie ist bei Angststörungen gut untersucht und erfolgversprechend: In rund 80 Prozent aller Fälle kann den Patienten erfahrungsgemäß geholfen bzw. die Zunahme weiterer Symptome verhindert werden.

Verzichtet der Betroffene auf eine Therapie, so nehmen die Beschwerden in der Regel zu, was weitreichende Beeinträchtigungen insbesondere auch für das soziale Leben - Familie, Arbeit, Freunde - haben kann. Statt sich mit den Beschwerden auseinanderzusetzen, versuchen die Erkrankten alle Situationen zu meiden, die sie in Bedrängnis bringen könnten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Ängste, wenn sie nicht in ihre Grenzen gewiesen werden, tendenziell in immer mehr Situationen auftreten und damit immer mehr Lebensbereiche gemieden werde. Vielfach steigern sie sich in ihre Ängste regelrecht hinein und bewirken genau das, was sie versuchen zu verhindern. Sie geben der Angst mehr Raum.

Dr. Andreas Hagemann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Ärztlicher Direktor der Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck. Diese Kliniken für Psychiatrie und Psychosomatik sind spezialisiert auf Angst- und Panikstörungen, chronische Schmerzen und Stressfolgeerkrankungen wie Burnout und affektive Erkrankungen wie Depressionen.