Psychiater warnt - Gefährliche Fehldiagnose: Altersdepression zeigt sich anders

Alarmierende Zunahme: Warum Depression im Alter ein unterschätztes Risiko ist<span class="copyright">Getty Images / PIKSEL</span>
Alarmierende Zunahme: Warum Depression im Alter ein unterschätztes Risiko istGetty Images / PIKSEL

Depressionen im Alter sind eine wachsende Herausforderung für die Gesellschaft. Neurologe und Psychiater Mimoun Azizi erklärt, warum eine frühzeitige Diagnose und angepasste Behandlungsmethoden entscheidend sind.

Welche Besonderheiten gibt es bei Depressionen im Alter im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen?

Depressionen stellen im Alter die am häufigsten auftretenden psychischen Erkrankungen dar. Die Symptome bei älteren Menschen unterscheiden sich jedoch von denen jüngerer Altersgruppen. Während jüngere Menschen eher klassische depressive Symptome wie Traurigkeit oder Antriebslosigkeit aufweisen, klagen ältere Menschen häufiger über körperliche Beschwerden oder kognitive Beeinträchtigungen. Darüber hinaus sind Depressionen im Alter ein Risikofaktor für weitere Störungen, einschließlich Demenz und vorzeitiger Pflegebedürftigkeit.

 

Ein weiteres Problem ist, dass Depressionen bei älteren Menschen oft nicht oder zu spät erkannt werden. Dies liegt zum Teil an den diagnostischen Schwierigkeiten, da die Symptome anders sind als bei jüngeren Menschen. Eine verspätete Diagnose wirkt sich negativ auf die Behandlungsmöglichkeiten aus und kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Trotz der wachsenden Bedeutung der Altersmedizin und der damit verbundenen Herausforderungen wird dieses Fachgebiet in der westlichen Medizin nach wie vor nur unzureichend behandelt. Es besteht daher ein dringender Bedarf an einer verbesserten Diagnose und Behandlung von Depressionen im Alter, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern.

Was sind die Risikofaktoren?

Risikofaktoren für Depressionen im Alter sind vielfältig und umfassen körperliche Erkrankungen wie Gangstörungen, Herzinsuffizienz und Schlafstörungen sowie persönliche Verluste wie den Tod eines Partners. Diese Faktoren können den Verlauf anderer somatischer Erkrankungen erheblich verkomplizieren. Es ist auch wichtig zu beachten, dass Depressionen im Alter oft mit einer hohen Suizidalitätsrate einhergehen und die Gesamtmortalität erhöhen können. Sie können auch das Funktionsniveau im Alltagsleben erheblich einschränken. Studien haben gezeigt, dass die Prävalenz behandlungsbedürftiger depressiver Syndrome bei über 75-Jährigen bei etwa sieben Prozent liegt.

Bei denen mit ausgeprägter somatischer Komorbidität und daraus resultierenden Behinderungen kann diese Rate auf 15–25 Prozent steigen. Es wird angenommen, dass die tatsächliche Anzahl der betroffenen Personen deutlich höher ist.

Depressive Symptome im Alter werden oft fälschlicherweise als somatische Symptome oder als unbehandelbare Reaktion auf unvermeidliche Lebensbelastungen des höheren Alters interpretiert. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, diese Symptome korrekt zu identifizieren, da sie durch medizinische und soziale Interventionen behandelbar sind und in der Regel eine günstige Prognose haben. Durch frühzeitige Erkennung und Behandlung kann das Risiko von Depressionen im Alter minimiert werden.

Wie wird eine Depression bei älteren Menschen diagnostiziert und welche Herausforderungen gibt es dabei?

Die Diagnose einer Depression bei älteren Menschen kann eine Herausforderung darstellen, da sie oft atypische Symptome aufweisen. Während die Leitsymptome einer Depression - Herabgestimmtheit, Antriebsstörung sowie Freud- und Interessenverlust - in der Regel gut zu erkennen sind, können sich bei älteren Menschen zusätzliche, weniger spezifische Symptome zeigen.

Dazu gehören ein allgemeiner Verlust körperlicher und psychischer Dynamik, der als „allgemeiner Abbau“ bezeichnet wird, oder eine atypische psychopathologische Symptomatik. Letztere kann sich in Form von demenzähnlichen Bildern oder durch Dysphorie und Somatisierungstendenzen äußern.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf wahnhaft depressive Syndrome gelegt werden. Diese gehen häufig mit Symptomen wie Krankheits-, Verarmungs- oder Schuldwahn einher und dürfen nicht übersehen werden, da sie mit einer deutlich höheren Suizidalität verbunden sind. Daher ist es entscheidend, diese Zeichen rechtzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln.

 

Therapieoptionen für Depressionen bei älteren Menschen

Bei der Behandlung älterer Menschen mit Depression wird therapeutisch sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch vorgegangen, wobei das Alter und die Vorerkrankungen des Patienten berücksichtigt werden. Antidepressiva, die trotz ihrer Nebenwirkungen nicht süchtig machen, sind eine wirksame Methode und werden häufig eingesetzt, insbesondere bei Symptomen wie Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und Wahnvorstellungen.

Psychotherapeutische Behandlungen im Alter sind ebenfalls wirksam und effektiv. Die Rolle erfahrener Ärzte und Therapeuten ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Allerdings gibt es leider nicht genügend psychotherapeutische Behandlungsangebote und entsprechend qualifizierte Therapeuten. Angesichts der demographischen Entwicklung, die auf einen deutlichen Anstieg der Anzahl von Menschen über 65 Jahren in Deutschland hinweist, viele davon noch berufstätig, wird auch die Anzahl der Menschen, die älter als 60 sind und an Depressionen erkrankt sind, steigen.

Diese Herausforderung erfordert eine Anpassung im Gesundheitswesen. Es müssen mehr Therapeuten qualifiziert werden, um ältere Menschen mit Depressionen behandeln zu können. Gleichzeitig muss die Rolle der Altersmedizin gestärkt werden. Es besteht also ein dringender Bedarf an Veränderungen in diesem Bereich in naher Zukunft.