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Psychologe bei Markus Lanz: Männer sind Schoßhündchen geworden

Psychologe Stephan Grünewald (r.) stellt steile Thesen auf (Bild: Screenshot ZDF)
Psychologe Stephan Grünewald (r.) stellt steile Thesen auf (Bild: Screenshot ZDF)

Heute ist Frauentag. In Berlin sogar das erste Mal als gesetzlicher Feiertag. Passend dazu lud Markus Lanz am Vorabend einen Psychologen in seine ZDF-Talkshow ein, der steile Thesen über das vermeintlich starke Geschlecht aufstellte. Motto: Die armen, armen Männer. Immerhin einer schien davon beeindruckt: Markus Lanz.

Stephan Grünewald ist Psychologe und befragt Menschen nach ihren Einstellungen. Das ist schon deshalb eine gute Idee, weil er so weiß, was das Publikum hören will, das er mit seinen Büchern beglückt.

Am Donnerstagabend erklärte er, dass sich die Deutschen „in einem aufgewühlten seelischen Zustand befinden”, weil ihnen der „innere Kompass abhanden gekommen” sei. Das ist schon deshalb Quatsch, weil es DIE Deutschen genauso wenig gibt, wie DIE Griechen oder DIE Flüchtlinge. Aber Differenzierungen sind kompliziert und lassen sich nicht so einfach in schöne Kalendersprüche verpacken. Davon hat Grünewald einige im Gepäck. Bei Lanz verballert der Mann ein Feuerwerk an platten Pauschalisierungen, dass einem schwindlig wird.

Smartphone, Google und Netflix als Untergang des Abendlandes?

Grünewald sagt: „Die normalen Leute glauben, dass die Eliten auf sie herabschauen, weil sie weiterhin Fleisch essen, Alkohol trinken und einen Diesel fahren.” Diese mangelnde Wertschätzung führe zu einer großen Gereiztheit. Wie er „normale Leute” definiert oder warum die „Eliten” plötzlich alle Veganer, Abstinenzler und Teslafahrer wurden, verrät der Experte nicht. Dafür kennt er die Schuldingen am desolaten Zustand des Landes: Smartphone, Google und Netflix.

Mit einem Handy könne man heute beim Datingportal „Tinder” hunderte Balzpartner treffen, beklagt Grünewald. Früher musste man sich noch im richtigen Leben bemühen. Meist vergeblich, wie der Psychologe zu wissen vorgibt. Wollt er etwas wissen, habe er früher im Brockhaus geblättert, jetzt müsse er nur googeln. „Die ganze Welt muss auf Knopfdruck funktionieren, gleichzeitig fürchten wir uns davor, den Alltag nicht geregelt zu bekommen.” Deshalb schalteten die Menschen Netflix ein und verabschiedeten sich in Tagträume. Vielleicht hat der Mann nur einen sehr speziellen Bekanntenkreis. Die meisten Leute dürften tagsüber arbeiten und wenig keine Zeit für Streamingdienste und Träumereien haben.

Besonders betroffen sind angeblich Männer. Grünewald behauptet: Beruflich seien Männer selbstsicher, wenn es um private Belange geht, werden sie still. Soso. Könnte daran liegen, dass es Menschen allgemein leichter fällt, über ihre Jobs zu sprechen, als über intime Details des eigenen Lebens. Einmal in Fahrt, legt er nach: „Männer orientieren sich an ihrer Frau, sie fragen sich: Was erwartet meine Partnerin von mir.” Kennt der Mann alle Männer? Offenbar.

Warum der deutsche Mann eine bedrohte Spezies ist

Denn Grünewald weiß: „27 Prozent der Männer sind der Typ Schoßhund.” Fast ein Drittel. Eine deprimierende Diagnose. Nur eben auch eine falsche. Richtig müsste es heißen: 27 Prozent der von mir befragten Männer, gaben Antworten, die nach meiner Interpretation darauf hindeuten, dass diese Männer „Schoßhündchen” sind. Wobei auch danach weiterhin unklar ist, wie er „Schoßhündchen” definiert. Denn kaum ein Mann dürfte sich selbst so charakterisieren.

Aber unter Marketingaspekten verkaufen sich knackig formulierte Katastrophenszenarien besser, als komplexe Erklärungen. Seltsam ist nur: Wir (also auch Männer) werden immer gesünder, die Lebenserwartung steigt seit Jahrzehnten und Deutschland ist eins der reichsten Länder der Erde. Selbst einem Bezieher von „Hartz IV” geht es – zumindest materiell – besser als den Millionen Näherinnen, die in Bangladesch und Vietnam unsere Billigklamotten produzieren, oder als den Arbeitern in chinesischen Smartphone-Fabriken.

Wenn man jedoch Grünewald folgt, dann ist die wirklich bedrohte Spezies auf diesem Planeten der deutsche Mann. Deshalb fordert der Psychologe eine „klare männliche Positionierung.” Wer zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschlafen war, durfte erleben, wie Lanz mit gespielter Verzweiflung klagte. „Das überfordert mich total.” Als Zuschauer fühlte man genau das Gegenteil.