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Quoten vs. Information: Wie weit die Politik in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingreifen dürfte

Was im Fernsehen zu sehen ist, bestimmt de facto nicht die Politik. Könnte sie aber. (Bild: Getty Images)
Was im Fernsehen zu sehen ist, bestimmt de facto nicht die Politik. Könnte sie aber. (Bild: Getty Images)

Auch wenn sich die Politik aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitgehend raushält, hätte sie bei der Programmgestaltung weitaus mehr Eingreifmöglichkeiten. Zu diesem Ergebnis kommt ein verfassungsrechtliches Gutachten.

Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland durch seine Finanzierung nicht demselben fundamentalen Quotendruck wie ein Privatsender unterliegt und somit prinzipiell andere Programmgestaltungsfreiheiten hat, ist hinreichend bekannt – ebenso wie das Faktum, dass ihm oft vorgeworfen wird, dennoch zu sehr quotenorientiert zu agieren und dem Bildungsauftrag nicht ausreichend nachzukommen. Zwar wird der Bildungsauftrag von der Politik – welcher der öffentlich-rechtliche Rundfunk schlussendlich obliegt – immer wieder angesprochen und kritisiert. Jedoch greift die Politik in den Gestaltungsfreiraum der Sender kaum ein – nicht zuletzt, weil jene Gestaltungs- und Programmfreiheit einer der Eckpfeiler eines unabhängigen Rundfunks ist.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Politik nicht deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten in das Programm hätte. Wie viel mehr genau, belegt ein Gutachten, das im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) veröffentlicht wurde. Verfasst hat die Studie der Verfassungs- und Medienrechtler Professor Hubertus Gersdorf.

Gestaltungsautonomie

Der Bericht attestiert dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar Gestaltungsautonomie – allerdings gelte diese, so der Bericht, “nur im Rahmen des verfassungsrechtlich vorgegebenen und gesetzlich konkretisierten Auftrags”. Das bedeutet im weiteren Sinne, dass Sender im Rahmen eines bestimmten Auftrags – zum Beispiel des Bildungsauftrags – agieren und ihr Programm hinreichend gestalten müssen. Hier obliegt sowohl der Rahmen als auch die Definition jenes Auftrags der Politik. “Der Gesetzgeber ist berechtigt, den Angebotsauftrag der Sendeanstalten dahin zu konkretisieren, dass sie schwerpunktmäßig in den Bereichen Information, Bildung und Beratung senden”, so die Kernaussage.

Das Fehlen von programmatischer Vielfalt wird dezidiert kritisiert – mit einem konkreten Beispiel: “In einer zufällig ausgewählten Programm-Woche zu Beginn dieses Jahres hat beispielsweise das ZDF in der Prime-Time 555 Minuten Krimis, aber nur 75 Minuten Dokumentation gesendet”, heißt es im Vorwort der Studie.

Kein Grundrecht auf Quotenorientierung

Konkret nimmt der Bericht Bezug auf den Vorschlag einiger Länder, einen gesetzlichen Schwerpunkt zugunsten von Information, Bildung und Beratung zu setzen. Um wirksam zu sein, müsse dieser sich, so der Appell der Studie, “nicht auf das Gesamtsystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern speziell auf die Hauptprogramme von ARD und ZDF” beziehen. Zudem sei gesetzlich festzulegen, dass genannte Schwerpunkte nicht in Randzeiten, sondern in den Hauptsendezeiten zu setzen seien. Hier könnte die Politik also weitaus mehr Richtlinien etablieren als bisher und somit fundamentaler eingreifen.

Somit sei auch die Programmplanung durchaus teilweise Sache der Politik – denn ein Bildungsauftrag bzw. ein Schwerpunkt auf Information und Bildung schließt auch den Fokus auf die Quote weitgehend aus. “Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat kein Grundrecht auf Quotenorientierung”, so ein weiterer Kernsatz des Berichts.

Plädoyer auch aus Eigeninteresse

Das Gutachten muss natürlich teilweise auch als Plädoyer aus Eigeninteresse der AG DOK gelesen werden. Thomas Frickel, Vorsitzender und Geschäftsführer der AG DOK, zeigt sich – wenig überraschend – mit dem Vorwort der Studie zufrieden und erklärt, der Autor habe hier das “Scheinargument” der Programmautonomie zum Einsturz gebracht. “Wie die Sender heute ihr Programm planen und wie sie ihr Geld ausgeben, geht sowohl an der Intention des Funktionsauftrags als auch an den Bedürfnissen unserer Gesellschaft vorbei”, erklärt Frickel.