Paris: Radler dürfen bei Rot über die Ampel fahren

Auch wenn es hierzulande verboten ist: Radfahrer, die noch schnell über eine rote Ampel sausen, sieht man im Alltag häufig. Ganz schön gefährlich, sollte man meinen. Doch in Frankreich denken viele ganz anders darüber. Die Stadt Paris wagt nun sogar einen äußerst ungewöhnlichen Schritt:  Die Metropole will Radfahrern künftig erlauben, über Rot zu fahren. Die Begründung: So soll das Risiko von Verkehrsunfällen gesenkt werden.

Jedes Jahr werden in Paris tausende Radler wegen des Überfahrens einer roten Ampel zur Kasse gebeten. Damit ist bald Schluss. Als eine der ersten Hauptstädte weltweit stellt die französische Metropole den Verkehrssündern in diesem Fall nun einen Freibrief aus. Künftig heißt es bei Rot im Straßenverkehr: weiterstrampeln erlaubt – allerdings nur, wenn die Straße frei ist, und der Radler geradeaus fahren oder rechts abbiegen will. Für Fußgänger muss angehalten werden, genauso wie für die Biege nach links. Der offizielle Beschluss ist eine Folge einer dreijährigen Kampagne von Radverbänden.

Ein neues Verkehrszeichen, auf dem ein gelbes Fahrrad zu sehen sein wird, zeigt den Radlern an, dass sie die Ampelfarbe ignorieren können, wenn der Weg frei ist. Vorsicht ist dennoch geboten: Vorfahrt haben die Radler nämlich bei Rot nicht. Bei einem Unfall tragen sie die Verantwortung.

Zunächst beschränkt sich die Regelung auf einen kleinen Bezirk im Norden von Paris. Auf rund 15 Kreuzungen wird die Maßnahme in Tempo-30-Zonen getestet. Allmählich soll sie auf 1.700 Kreuzungen erweitert werden, so die „Daily Mail“. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Anzahl der Unfälle nicht zunehme.

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Die Radverbände sind sich sicher, dass die neue Regelung funktioniert. Ihrer Meinung nach sind es gerade die Ampeln, die für Radler oft regelrechte Verkehrsrisiken darstellten - etwa dann, wenn sich Radfahrer bei Grün in Sicherheit wähnen, aber durch rechtsabbiegende Busse oder Lastwagen in Gefahr geraten. „Ampeln sind kein Sicherheitsfaktor. Sie wurden montiert, damit Autofahrer Fußgänger die Straße überqueren lassen“, erklärt Christine Lambert, Vorsitzende des Verbands „Mieux se déplacer à Bicyclette“ gegenüber der „Times“.  Außerdem seien sie dafür da, den Verkehrsfluss zu regulieren und die Geschwindigkeit zu drosseln. „Räder sind allerdings weder schnell noch machen sie Lärm. Es ist idiotisch, wenn man wegen Nichts anhalten muss. Man verschwendet Energie und wird langsamer.“ Am besten verlasse sich der Radfahrer auf seine Augen und sein Gehirn. „Manche denken, dass die Straßenverkehrsregeln für alle die gleichen sein sollten, aber das ist falsch.“

Kritiker sehen das jedoch ganz anders und befürchten bereits, dass die neue Maßnahme für deutlich mehr Unfälle sorgen könnte. „Wenn Fußgänger, Radfahrer, Motorradfahrer und Autofahrer sich nicht respektieren, dann könnte die Einführung dieser Praktiken die Risiken in Paris erhöhen“, so das Pariser Ratsmitglied Laurence Douvin zur „Times“.

Die Auseinandersetzung platzt mitten hinein in eine ohnehin schon kontroverse Debatte über die Sicherheit von Radfahrern im Straßenverkehr. So wurden 2011 innerhalb von neun Monaten 576 Radler bei Unfällen in der Hauptstadt verletzt, im Jahr davor waren es 22 weniger. Die Behörden geben an, dass der Anstieg auf ein Mehr an Radfahrern zurückzuführen sei. Laut der Pariser Polizeibehörde hätten Radfahrer wegen waghalsiger Manöver zudem oft selbst Schuld an den Zusammenstößen.

Ob aus der Ausnahme also eine Regel wird? Die Kosten für zusätzliche Verkehrszeichen und Markierungen werden auf 488.000 Euro beziffert. Andere Städte und Gemeinde hätten bereits angekündigt, dass sie die Verkehrsregel ebenfalls einführen wollten, so die „Times“.