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CDU-Kooperation mit Linker in Thüringen - Bundes-CDU dagegen

Bodo Ramelow (Linke) ist von einer Mehrheit für sich überzeugt.
Bodo Ramelow (Linke) ist von einer Mehrheit für sich überzeugt.

Politisches Novum: Die CDU in Thüringen will eine Minderheitsregierung mit dem Linken-Politiker Ramelow an der Spitze bis zu Neuwahlen unterstützen. Die Bundes-CDU sendet ein Stoppsignal. Doch Ramelow kämpft um seinen Pakt.

Erfurt/Berlin (dpa) - Die Regierungskrise in Thüringen soll mit einer in der deutschen Landespolitik bisher einmaligen Vereinbarung zwischen Linke, SPD, Grünen und CDU beendet werden.

Eine «Stabilitätsvereinbarung», die eine projektbezogene Zusammenarbeit der vier Parteien bis zu Neuwahlen am 25. April 2021 vorsieht, sorgte am Wochenende für Debatten und massive Ablehnung der Bundes-CDU. Am 4. März soll der Linke-Politiker Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt werden, obwohl seinem rot-rot-grünen Bündnis im Parlament in Erfurt vier Stimmen für eine Mehrheit fehlen.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach sich entschieden gegen eine Ramelow-Wahl mit Hilfe der CDU aus. Wer von der CDU Ramelow wähle, verstoße gegen Parteitagsbeschlüsse, sagte Ziemiak in Iserlohn. «Es geht hier um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit der CDU Deutschlands insgesamt.» Er könne nicht verstehen, warum eine Expertenregierung nicht der richtige Weg gewesen wäre, aus der Krise in Thüringen zu kommen.

Nach einem Bundesparteitagsbeschluss schließt die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD, aber auch der Linkspartei aus. Ramelow verteidigte dagegen die Ergebnisse, die mit der Landes-CDU am Freitagabend nach zähen Verhandlungen erzielt wurden - sie würden nicht gegen CDU-Beschlüsse verstoßen.

Der 64-Jährige warf Ziemiak vor, den Kompromiss von Linke, SPD, Grünen und CDU falsch zu interpretieren. Es gebe keine Vereinbarung, dass die CDU-Fraktion ihm bei der Ministerpräsidentenwahl am 4. März die nötige Mehrheit verschaffe, sagte Ramelow am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. «Da wird von Berlin etwas hineininterpretiert, was es nicht gibt.» Es sei darauf geachtet worden, dass sich die CDU-Verhandler nicht in einen Gegensatz zu ihrem Parteitagsbeschluss bringen müssten.

Ramelow geht nach eigenen Angaben davon aus, dass er bei der Wahl im ersten Durchgang eine Mehrheit bekommt und AfD-Stimmen keine Rolle spielten. Das hätten Gespräche mit Abgeordneten der demokratischen Fraktionen ergeben. «Deshalb bedurfte es keiner vertraglichen Regelung mit der CDU-Fraktion», sagte er.

Nach Angaben des Linke-Politikers werden die Ergebnisse des Treffens mit der CDU auch nicht in einen Vertrag oder eine Vereinbarung münden, sondern nur protokolliert. Dieses Protokoll würde in den nächsten Tagen von den Gesprächspartnern unterzeichnet. Am 25. Februar soll die Ministerpräsidentenwahl beantragt werden.

Die Thüringer CDU-Fraktion, die den Kompromiss billigte, stellte am Wochenende klar: «Die Stabilitätsvereinbarung bedeutet keine Koalition, keine Tolerierung und keine Duldung von Rot-Rot-Grün, sondern eine zeitlich eng begrenzte, projektorientierte Zusammenarbeit zum Wohle Thüringens.» Hauptziel sei die Aufstellung des Landeshaushalts 2021. Im kommenden Februar solle sich der Landtag auflösen - Linke, SPD, Grüne und CDU zusammen haben genug Stimmen für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.

Kritik am Agieren der Thüringer CDU kam von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU). «Eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU lehne ich ab» - sie koste weiteres Vertrauen, schrieb Spahn auf Twitter. Sein möglicher Rivale um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, meinte bei Twitter, die Entscheidung der Thüringer CDU, Ramelow auf Zeit mitzuwählen, «beschädigt die Glaubwürdigkeit der CDU in ganz Deutschland».

Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte das Vorgehen der CDU. «Es ist unverantwortlich, wie die Bundes-CDU aus ideologischen Gründen die Lage chaotisiert und damit eine sinnvolle Lösung für Thüringen infrage stellt», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping sagte auf einem Parteitag der Brandenburger Linken in Templin: «Liebe CDU, willkommen im Jahr 2020! Die westdeutschen Mehrheiten der Bonner Republik sind einfach vorbei.» Die CDU habe nicht verstanden, dass man im Osten, zum Beispiel in Thüringen, nicht an der Linken vorbeikomme, wenn man demokratische Mehrheiten wolle.

Der Thüringer SPD-Vorstand stimmte bereits der Übereinkunft mit der CDU einstimmig zu und gab nach Angaben einer Sprecherin grünes Licht für einen Eintritt der Sozialdemokraten in eine Minderheitsregierung mit Linker und Grünen. Bundesparteichefin Saskia Esken rief die CDU als Koalitionspartner im Bund auf, wie vereinbart in Thüringen eine Regierungsbildung und baldige Neuwahlen zu ermöglichen. «Die Demokraten in Thüringen haben einen Weg gefunden. Wir erwarten, dass die CDU im Bund Wort hält», schrieb Esken bei Twitter.

Thüringens CDU-Chef Mike Mohring kündigte an, sich parallel zur Niederlegung seines Postens als Vorsitzender der Landtagsfraktion am 2. März auch vom Landesvorsitz zurückzuziehen. «Ich bin mit dem klaren Versprechen angetreten, Rot-Rot-Grün in Thüringen zu beenden und nicht zu verlängern», sagte Mohring der «Bild am Sonntag». Seinen Rückzug hatte er vor Wochen angekündigt. Vor einigen Tagen hatte Mohring noch mehr Spielraum bei der Auslegung des CDU-Beschlusses zur Linken verlangt.